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Medien: Bei Anruf Terror

Gewagter ARD-Krimi über einen geplanten Anschlag im Großraum Stuttgart

Dies ist ein Film für alle, die keine Überraschungen mögen. Also für solche, die Abhöranlagen, panisch anfahrende Autos, vorgehaltene Schusswaffen und Menschen mit nervös gepressten Stimmen als Abendunterhaltung schätzen. Auch sollte man anderen gern beim Telefonieren zusehen. Denn in „In letzter Sekunde“ (Regie: Johannes Grieser, Buch: Marco Rossi) wird noch mehr telefoniert als im wirklichen Leben, einmal sogar von einer öffentlichen Telefonzelle aus. Wahrscheinlich muss man sich Leute, die heute noch von öffentlichen Telefonzellen aus anrufen, genauer ansehen. Undercoveragenten? Zumindest verdeckte Ermittler wie diese deutsch-türkische Polizistin Yasemin, die einen Terroranschlag im Großraum Stuttgart verhindern soll.

Sesede Terziyan, Kind einer armenischen Familie aus der Türkei und Absolventin der Schauspielschule „Ernst Busch“, spielt Yasemin. Sie weiß schon, dass man durchs Fernsehen viel Ärger bekommen kann. Dem Volk der Aleviten zum Beispiel hatte ihr „Tatort: Wem Ehre gebührt“ überhaupt nicht gefallen. Nun hat Sesede Terziyan schon wieder einen muslimischen Problem-Vater. Ein Problem-Vater ist jemand, der denkt, dass eine Tochter jemand ist, der auf ihn hört. Aber da ist er nicht der einzige. Yasemins Einsatzleiter (Peter Lohmeyer) befindet sich in einem ähnlichen Irrtum. Andererseits hat es ernst zu nehmende Vorteile, wenn untergeordnete Dienstgrade einer Antiterroreinheit ein bisschen auf ihre Vorgesetzten hören. So muss Lohmeyer-Lorentz nicht nur den Terror bekämpfen, sondern außerdem noch Persönlichkeitsprofile aufmüpfiger Töchter autoritärer, muslimischer Väter erstellen. Andererseits ist es wohl für keine Frau leicht, den Anweisungen eines früheren Liebhabers zu folgen – eine Komplikation, die das Drehbuch für wünschenswert hält.

Die Terrorgruppe selbst ist sehr übersichtlich. Ein Terroristenführer, ein Mitläufer, der sich in Yasemin verliebt und ein deutscher Konvertit mit muslimischer Frau, der jetzt Joussuf heißt und für das westliche Know-how beim Bombenbau zuständig ist. Was Griesers Film als Indiz typisch westlicher Arroganz ausgelegt werden könnte! Die Macher sehen es als Ausweis besonderer Wirklichkeitsnähe, dass die junge Türkin nicht auf den Kopf der Gruppe, sondern auf das schwächste Glied angesetzt wird. Ein Terroristenführer sei in der heißen Phase eines Anschlags gar nicht mehr ansprechbar, wissen sie von Berndt Georg Thamm, Berater des Films und Autor von Büchern wie „Al Qaida – Das Netzwerk des Terrors“ oder „Terrorismus: ein Handbuch über Täter und Opfer“. Jede Hausfrau mit vier Töpfen auf dem Herd versteht das.

Tatsächlich wurde noch während der Dreharbeiten eine Dreiergruppe mutmaßlicher Terroristen gewissermaßen am Drehort festgenommen – wenn man gewillt ist, Ulm als Vorort Stuttgarts zu betrachten. Ulm hatte sogar einen terrorverdächtigen Konvertiten. Dass man „In letzter Sekunde“ und seinen durchaus guten Schauspielern mit einer gewissen Reserviertheit folgt, liegt daran, dass der Film fast ausschließlich aus Standardsituationen und mehr oder weniger unvorhersehbaren Vorhersehbarkeiten besteht.

Ercan Durmaz aber, in Istanbul geboren, bekannt nicht zuletzt aus Lars-Becker-Filmen wie „Bunte Hunde“ und „Kanack Attack“, ist als Top-Terrorist durchaus eine Entdeckung in seiner aasigen Kultiviertheit.

„In letzter Sekunde“, ARD 20 Uhr 15

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