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Medien: Bei den Grünen

Die Krauses sind alle Polizisten: „Einmal Bulle, immer Bulle“ ist die neue Serien-Wundertüte des ZDF

Da kann der Mann vom Hotelempfang nur noch staunen: Kommissarin Krause hat mit einem Blick ins Gästebuch den Fall gelöst. Sie konfisziert kurzerhand das Gästebuch, verschiebt noch schnell eine Figur auf dem zur Dekoration aufgestellten Schachbrett ins Schachmatt und schnappt sich beim Weggehen noch einen Bonbon aus der Auslage. Zurück bleibt der verdutzte Concierge, der vor so viel Keckheit überrascht den Kopf schüttelt. Wie ihm soll es im Idealfall wohl auch dem Zuschauer von „Einmal Bulle, immer Bulle“ gehen: Erst soll er sich vom Tempo der neuen ZDF-Serie ein wenig überrumpelt fühlen, dann aber zurücklehnen und den Rest des Spektakels freudig gespannt verfolgen.

Ganz klar ist nicht, wer bei den Krauses wen bestimmt: die Familie den Beruf oder der Beruf die Familie. Denn von den Krauses sind Vater, Mutter und Tochter beim Berliner Landeskriminalamt. Der ältere Sohn will zwar mit dem Polizeidienst nichts zu tun haben, dafür beginnt aber der jüngere, sich langsam für eine Karriere in Grün zu interessieren. Zusammenhalt und Konflikt, zu Hause und auf der Arbeit – das soll das Neue an der sechsteiligen Produktion sein, die sich zu gleichen Teilen aus Familien- und Krimiserie zusammensetzt. Beim ZDF bezeichnet man sie deshalb als „Experiment“.

Zwei Tote stehen im Mittelpunkt der ersten Folge. Gerade will Hauptkommissar Rudi Krause (Michael Greiling) mit den Kollegen auf sein 25-jähriges Dienstjubiläum anstoßen, da wird er schon wieder zu einem Tatort gerufen. Ein Immobilienmakler ist in eine Glasvitrine gestürzt. Außerdem hat sich ein Kollege mit seiner Dienstwaffe erschossen. Was die wahren Todesursachen der beiden sind, soll das Ehepaar Krause gemeinsam herausfinden. So richtig Zeit kriegen sie aber nicht dafür, denn sie müssen sich noch mit ihren Kindern herumschlagen: mit ihrem spät pubertierenden Sohn Benjamin (Enno Hesse), der gern Graffiti sprayt, und ihrer noch später pubertierenden Tochter Hanne (Barbara Philipp), die zwar schon dreißig und Oberkommissarin, aber noch immer nicht von zu Hause ausgezogen ist.

Das klingt nach viel Stoff, und es ist viel Stoff. „Einmal Bulle, immer Bulle“ trägt schwer an der Aufgabe, Familien- und Krimiserie zugleich zu sein. Die Produktion häuft solche Mengen an Plots und Charakteren an, dass die Folgen eigentlich doppelt so lang sein müssten. Bei nur 45 Minuten pro Episode kommt aber alles zu kurz. Die Charaktere werden so gut wie gar nicht eingeführt, der Kriminalfall kriegt nicht den Raum, den er bräuchte, um Spannung aufzubauen. Stattdessen drückt man bei der Schnitt-, Szenen- und Gag-Frequenz mächtig auf die Tube.

„Einmal Bulle, immer Bulle“ erinnert stellenweise mehr an eine US-amerikanische Sitcom als an einen öffentlich-rechtlichen Krimi. Wenn denn nur das Niveau der Witze nicht so schwanken würde. Da wechseln sich überraschende, durchaus charmante Einfälle (etwa wenn sich Sohn Benjamin direkt an den Zuschauer wendet, um ihm seine Familie zu erklären) mit absolut hirnrissigen Passagen ab (wenn die altjüngferliche Vermieterin der Krauses auf einmal erklärt, sie würde keine Unterwäsche tragen). Und schon wieder stimmt die Mischung nicht.

Aber das soll sich ändern: Laut ZDF erhalten die Hauptcharaktere in den nächsten Folgen mehr Raum zur Entfaltung, und ein Kriminalfall soll sich auch schon mal über zwei Folgen erstrecken dürfen. „Einmal Bulle, immer Bulle“ kann von diesen Veränderungen nur profitieren. Bislang geht dieser Genre-Mix jedenfalls nicht so recht auf.

„Einmal Bulle, immer Bulle“, Mitwoch, 7. Juli, ZDF, 20 Uhr 15

Hannah Pilarczyk

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