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Medien: „Bei Talkshows denke ich manchmal: Oh nee“

Die neue Sat-1-Moderatorin Bettina Rust über Nietzsche, Christiansen und Politikerfloskeln

Der SPDChef Franz Müntefering glaubt, dass sich die politischen Talkrunden im Fernsehen bald überlebt hätten. Sie starten eine neue.

Und andere sagen, dass sich die SPD bald überlebt hat. Das ist lustig. Das erinnert mich Nietzsche, der sagte: Gott ist tot, und Gott sagt, Nietzsche ist tot. Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, was alle immer mit den so genannten Fernsehtrends haben. Erst gibt es eine Gerichtsshow, dann tausende, letztlich wenige oder keine. Ich bin davon überzeugt, dass es immer eine Nische für eine Talkshow geben wird, die die Woche reflektiert.

„Sabine Christiansen“ ist auch noch da.

„Christiansen“ ist monothematisch, rein politisch. Meine drei Gäste und ich reden über die vier Themen, die das Land in der Woche beschäftigt haben. Bei uns kann es auch um Michael Jackson gehen, auch wenn wir keine Klatschsendung sind.

Eher eine Art Stammtisch?

Wenn das Wort Stammtisch in Deutschland nicht diese braunen Assoziationen auslösen würde, hätte ich nichts dagegen. Mich erinnert die Sendung an ein Essen bei Freunden, bei dem sich dann einfach so ein Gespräch ergibt.

Anfang der 90er moderierten Sie auf Premiere, Kabel 1 und TM 3. Seitdem waren Sie aus dem Fernsehen draußen. Für Moderatoren gibt es normalerweise nach so langer Zeit kein Zurück mehr. Die Sendung muss ein Geschenk für Sie sein.

Ihre Frage impliziert schon, dass das Fürs- Fernsehen-Arbeiten als solches etwas Tolles ist – egal, was man inhaltlich tut. Ich hätte damals theoretisch als Testbild stundenlang einfach nur herumgesprungen sein können, und man hätte gesagt: Alle Achtung, sie hat schon mal fürs Fernsehen gearbeitet! Ich brauche nicht zwingend Kameras in meinem Leben.

Trotzdem klingt ihr Comeback wie aus einem Soap-Drehbuch: In der Casting-Sendung, bei der der „Süddeutsche“-Journalist Alexander Gorkow als Moderator ausprobiert wurde, spielten Sie einen Gast. Dabei hat Sat-1-Chef Schawinski Sie entdeckt.

Entdeckt ist für eine Frau von 37 Jahren wirklich ein süßes Wort. Vielen Dank. Ich hatte das Angebot zuerst abgesagt.

Warum das? Jeder halbwegs prominente Hauptstadtjournalist wollte Ihren Job.

Ich kenne mittlerweile meine Stärken. In meiner Radio-Eins-Sendung habe ich mit einem Gast zwei Stunden Zeit, da kann sich etwas entwickeln. Hier muss ich das Gespräch zügig auf ein Ziel zusteuern.

Ist der häufige Themenwechsel nicht der Webfehler der Sendung?

Ich dachte auch erst: Kaum hat man sich warm geredet, muss man schon wieder weiter. Das Konzept geht auf.

Ist es schwierig, Gäste zu finden, die sich in vier Themen so kompetent fühlen, dass sie keine Angst haben, sich zu blamieren?

Überhaupt nicht. Bei uns können sich Prominente von verschiedenen Seiten zeigen. Normalerweise sollen Schauspieler nur über ihren neuen Film reden, oder sie engagieren sich meinetwegen für die Tierschutzorganisation Peta, dann werden sie in blutigen Pelzen geknipst. Und für Politiker ist es sowieso das Beste, was ihnen passieren kann. Sie müssen keine Kinder hochheben, um menschlich zu wirken.

Wie firm sind Sie eigentlich im politischen Tagesgeschehen? Ihre früheren Sendungen waren im weiteren Sinne Unterhaltung.

Ich interessiere mich schon immer dafür. Ich glaube aber, wenn man zu viel weiß, hindert das einen vielleicht daran, die einfachen Fragen zu stellen. Ich will mich nicht zu weit vom Zuschauer entfernen. Wenn ich mir andere Talkrunden ansehe, denke ich manchmal: Oh nee, wo seid ihr denn jetzt schon wieder! Das ist mir dann zu viel Politik, zu viele Männer.

Mit dem gesellschaftspolitischen „Talk der Woche“ tragen Sie zum ersten Mal eine richtige Verantwortung. Spüren Sie die?

Jeder, der im Fernsehen arbeitet, trägt Verantwortung. Das Medium wird so glorifiziert, dass man einfach wissen muss, dass man im günstigsten Fall einen Modetrend setzt, weil man sich ein Band durch die Nase zieht. Im ungünstigsten Fall sagt man Dinge, die für bare Münze genommen werden, weil die Leute einen sympathisch finden oder keine Zeit haben, sich darüber hinaus zu informieren.

Dann verstehen Sie auch, warum es diese Woche so eine große Aufregung darum gab, ob es ein Fernsehduell gibt oder zwei.

Ja, und Angela Merkel war gut beraten, nur einem Duell zuzustimmen. Schröder liebt den Flirt mit den Kameras. Er ist charmant. Er ist staatsmännisch. Er ist ein Typ, der dann sagt: Unter anderen Bedingungen würden wir uns jetzt duzen. Schröder wäre früher mit Sicherheit derjenige gewesen, der eher Klassensprecher geworden wäre als Frau Merkel. Was nicht unbedingt heißt, dass Frau Merkel die schlechtere Schülerin gewesen wäre.

Sat 1 hatte...

...ich weiß, jetzt kommt die Frage nach der Tradition von Erich Böhmes „Talk im Turm“. Ob ich in die Fußstapfen treten will. Nein, will ich nicht. Herr Böhme ist ein Mann, er hat sehr viel mit seiner Brille gespielt, er hatte seinen Stil und ist garstig mit Frau Maischberger umgegangen, was ich nicht in Ordnung fand.

Böhme ist letztlich an den Quoten gescheitert. Wie hoch ist Ihre Vorgabe?

Ich habe keine. Vielleicht kennt aber auch jeder die angepeilte Quote, nur ich nicht. Das wäre mir auch recht. Ich muss ja schon damit klarkommen, dass jeder das Recht hat, darüber zu urteilen, wie ich war. Vielleicht werden sie irgendwann morgens bei mir klopfen und sagen: ,Frau Rust, Sie wissen es vielleicht nicht, aber Sie haben vier Monate lang unter drei Prozent gehabt. Jetzt ist es vorbei.’

Das Gespräch führte Barbara Nolte.

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