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Wrackteils des Germawings-Flugzeuges, das am 24. März in den französischen Alpen zerschellt war. Der Co-Pilot hatte den Absturz verursacht, 150 Menschen starben.

© dpa

Berichterstattung zu Germanwings-Absturz: Presserat: Name des Co-Piloten durfte genannt werden

Der Deutsche Presserat konstatiert ein "öffentliches Interesse" an der Information über Co-Pilot Andreas Lubitz. Insgesamt beschäftigte sich das Gremium mit 430 Beschwerden zur Berichterstattung. So viele wie noch nie bei einem Einzelereignis

Der Co-Pilot des Germanwings-Flugs 4U952 durfte nach Ansicht des Deutschen Presserats in den allermeisten Fällen benannt und abgebildet werden. Die Abbildung von Opfern und deren Angehörigen sei jedoch in der Regel unzulässig, urteilten die Beschwerdeausschüsse des Presserats. Laut einer Pressemitteilung vom Donnerstag hatten insgesamt 430 Menschen die Berichterstattung beanstandet. Das ist die höchste Zahl an Beschwerden zu einem Einzelereignis seit Gründung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Presse. Die meisten Beschwerden waren zu der Frage eingegangen, ob der Name des Co-Piloten Andreas Lubitz genannt und sein Bild ohne Unkenntlichmachung gezeigt werden durfte. Nach Meinung des Presserats handelte es sich bei der Germanwings-Katastrophe mit 150 Toten am 24. März dieses Jahres "um eine außergewöhnlich schwere Tat, die in ihrer Art und Dimension einzigartig ist". In diesem außerordentlichen Fall überwiege das öffentliche Interesse an der Information über den Täter, soweit es die reine Nennung des Nachnamens betreffe. Nicht entscheidend sei hingegen, dass internationale Medien bereits Namen veröffentlicht hätten, da in Deutschland in der Regel andere ethische Maßstäbe im Allgemeinen und der Pressekodex des Deutschen Presserats im Besonderen ausschlaggebend für die Presse seien.

Nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Marseille war Namensnennung möglich

Zudem beschäftigte sich der Presserat mit einer möglichen Vorverurteilung des Co-Piloten durch die Berichterstattung. Das Gremium kam zu der Auffassung, "dass die Medien ab dem Zeitpunkt der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Marseille am Mittag des 26.3.2015 davon ausgehen durften, dass Andreas Lubitz das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hatte." Zu diesem Zeitpunkt hätte es entsprechende Erkenntnisse durch die Auswertungen des Sprachrekorders und weitere Ermittlungen der französischen Luftfahrtbehörde gegeben. Fazit: "Zusammen mit der Einzigartigkeit des Falls war in der Gesamtschau eine Nennung des Namens des Co-Piloten aus Sicht des Presserats zulässig". Anders sieht es bei der Schutzwürdigkeit der Opfer und ihrer Angehörigen aus, die sehr hoch zu bewerten seien. Deren Namen und Fotos dürfen aus Sicht des Presserats nur dann identifizierbar veröffentlicht werden, wenn es sich um berühmte Persönlichkeiten handele oder eine ausdrückliche Zustimmung vorliege.

Insgesamt sprach der Deutsche Presserat im Zusammenhang mit dem Germanwings-Unglück zwei öffentliche Rügen, sechs Missbilligungen und neun Hinweise aus. Eine öffentliche Rüge kassierten "Bild"/"Bild Online" unter anderem dafür, dass "mehrfach Bilder und Namen von Opfern veröffentlicht worden waren". So seien Fotos von Urlaubern gezeigt worden, die zwar an einem Ort in einer Kleinstadt öffentlich ausgehängt worden seien. Dies sei jedoch nicht für die Medienöffentlichkeit und ohne Zustimmung der Angehörigen geschehen. Das Foto einer Schulklasse wiederum, zu der auch Opfer des Unglücks gehörten, hat demnach gegen den Schutz der Persönlichkeit der Abgebildeten verstoßen. Zwar seien die Gesichter unkenntlich gemacht worden, jedoch sei die Klasse als Gruppe für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar gewesen.

"Rheinische Post" kassiert "öffentliche Rüge"

Eine weitere öffentliche Rüge, die schärfste Sanktion des Deutschen Presserates, erging gegen die "Rheinische Post". Die Abozeitung hatte über die Partnerin des Co-Piloten berichtet. Dabei wurde zwar nicht ihr Name genannt, jedoch seien in dem Text so viele persönliche Details über sie enthalten gewesen, dass sie für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar gewesen sei.

Keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkannte der Beschwerdeausschuss in der "Bild"-Kolumne „Post von Wagner: Liebe Absturzopfer“, gegen die 31 Beschwerden eingegangen waren. Ausschlaggebend für das Urteil des Selbstkontrollorgans war, "dass in darin keine Äußerungen enthalten waren, welche gegen den Pressekodex verstoßen". Ausdrücklich wird darauf hingewiesen: "Zu Entscheidungen über guten oder schlechten Geschmack ist der Presserat jedoch nicht berufen." Dieses Urteil hatten die Beschwerdeführer getroffen. Die "Post" von Franz-Josef Wagner sei noch weniger als schlechter Geschmack gewesen.

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