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Die Krise des Berliner Verlages war bereits seit längerem durch das nur noch eingeschränkt funktionierende Logo weithin sichtbar.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Verlag wird umgebaut: Gemeinsamer Newsroom für "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier"

Die DuMont-Mediengruppe schließt für den Neuanfang von "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" die alten Redaktionen und gründet die Berliner Newsroom GmbH. Insgesamt 50 Stellen entfallen.

Die Mediengruppe DuMont Schauberg hat am Donnerstag ihre Pläne für den Berliner Verlag mit den beiden Publikationen „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ bekannt gegeben. Die gute Nachricht: in Berlin geht keine publizistische Stimme verloren, beide Zeitungen werden weiter erscheinen. Doch dieses Bekenntnis zum Standort hat einen Preis: Rund ein Drittel der Redaktionsstellen fallen dem Versuch zum Opfer, ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für die Zukunft der beiden Zeitungen und ihrer Online-Ausgaben zu finden. „Die Alternative liegt auf der Hand. Entweder wir begleiten die ,Berliner Zeitung‘ und den ,Berliner Kurier‘ noch zwei Jahre beim Niedergang oder aber wir wagen einen Neuanfang“, begründete Hans Werner Kilz als Aufsichtsrat der DuMont Mediengruppe am Donnerstag die Planungen, die seit Mai erarbeitet wurden.

Konkret sehen die Pläne, an deren Entwicklung die drei Chefredakteure Jochen Arntz („Berliner Zeitung“), Elmar Jehn („Berliner Kurier“) und Thilo Knott (Digitale Strategie) beteiligt waren, einen gemeinsamen Newsroom für sämtliche Print- und Online-Kanäle des Berliner Verlages vor. Der gemeinsame Newsroom entsteht am neuen Standort in der Alten Jakobstraße. Zusammen mit der 30-köpfigen Hauptstadt- und Online-Redaktion werden dort 140 Redakteure arbeiten. Die Arbeit am neuen Standort in Berlin-Kreuzberg soll zum 1. November starten. Der Aufbau des neuen Newsrooms soll schrittweise bis voraussichtlich Mitte 2017 erfolgen.

Betriebsschließungen nicht auszuschließen

„Der neue Newsroom wird in der Summe 50 Stellen weniger ausweisen. Es ist nicht auszuschließen, dass (...) es zu Teilbetriebs- und Betriebschließungen kommen wird“, heißt es in der Mitteilung von DuMont. Anders gesagt: Ein Umzug der beiden bestehenden Redaktionen vom Alexanderplatz an den neuen Standort ist nicht vorgesehen. Vielmehr wird eine neue Gesellschaft namens Berliner Newsroom GmbH gegründet, die die redaktionelle Verantwortung für „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ übernimmt. Wer am neuen Standort weiterarbeiten will, muss sich entsprechend neu bewerben. Die Geschäftsführung des Berliner Verlages werde Gespräche mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan aufnehmen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller reagierte besorgt auf die Pläne: „Der heute angekündigte radikale Schnitt darf auf keinen Fall zum Einstieg in den Ausstieg des Kölner Hauses aus dem Berliner Zeitungsmarkt führen und erst recht nicht der Anfang vom Ende der beiden renommierten Zeitungen mit ihrer spezifischen Tradition“, erklärte Müller und erinnerte das Medienhaus zudem an die Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter.

Von Journalistenorganisationen werden die Pläne von DuMont Schauberg scharf kritisiert: Der Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) im DJV sieht darin den "seit langem absehbaren und jetzt offenbarten Bankrott der bisherigen Verlagspolitik". JVBB-Vorsitzende Hans-Peter Buschheuer: „Man kann sich fragen, ob dieser angebliche Befreiungsschlag nicht eher den Anfang vom Ende für beide Zeitungen bedeutet.“ Die Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlags Renate Gensch sprach von einer „knallharten Sanierung“ statt des angekündigten Neuanfangs. Für die verbleibenden Mitarbeiter würden sich die Arbeitsbedingungen drastisch verschlechtern. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die geplanten Umstrukturierungen in der Mediengruppe DuMont als „Desaster für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten und als Bankrotterklärung des Managements“. Die Entscheidungen für den Standort Berlin seien zudem ein schlechtes Vorzeichen für den Kölner Stadt-Anzeiger und den Express, meint DJV-Chef Frank Überall.

Die „Berliner Zeitung“, 1945 gegründet, gehörte zur DDR-Zeiten zum SED-Pressemonopol. Nach der Wende stieg der Gruner+Jahr-Konzern zusammen mit einem britischen Investor beim Berliner Verlag ein, Chefredakteur Erich Böhme hegte das Ziel, die Zeitung zu einer deutschen „Washington Post“ zu machen. Eine Übernahme durch den Holtzbrinck-Konzern scheiterte später am Veto des Bundeskartellamtes. Für die Zeitung folgten eine Reihe unsicherer Jahre, vor allem der Einstieg der als Heuschrecke geltenden britischen Mecom-Gruppe von David Montgomery und die folgenden Sparmaßnahmen setzten der Zeitung zu, bevor im Jahr 2009 der Kölner Verlag DuMont Schauberg die Regie am Alexanderplatz übernahm.

Zur strategischen Neuausrichtung gehörte die Gründung der DuMont-Redaktionsgemeinschaft, die zentral die zur Gruppe gehörenden Titel belieferte und später die Mantelteile von „Berliner Zeitung“, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der „Frankfurter Rundschau“ von Berlin aus produzierte. Dem Verfall der Auflage infolge der allgemeinen Zeitungskrise konnte aber auch dieser Schritt nichts entgegenhalten. Seit der Übernahme durch DuMont sank die verkaufte Auflage der „Berliner Zeitung“ um fast 40 Prozent auf aktuell (3. Quartal) 96 692 Exemplare. Die verkaufte Auflage des „Berliner Kurier“ ging in dieser Zeit um 37 Prozent auf 82 143 Exemplare zurück.

Für die „Berliner Zeitung“ existiert zwar aus der Zeit unter der Mecom-Holding ein Redaktionsstatut, mit dem die Redaktion verhindern wollte, dass die Zeitung allein als Renditeobjekt missbraucht werden sollte, doch einklagbar sind die darin ausgehandelten Anhörungs- und Informationsrechte nicht. Die Redaktion, beziehungsweise der von der Redaktion gewählte Redaktionsausschuss, versucht jedoch dem Bild entgegen zu wirken, dass bei der „Berliner Zeitung“ nur noch die Angst regiere. „Wir machen die Zeitung weiterhin mit Leidenschaft“, sagte Ausschussvorsitzender Frederik Bombosch dem Tagesspiegel. Durch die nun angekündigten Umbauplänen sieht Bombosch die Zukunft der Redaktion gefährdet. „Wenn unser Besitzer DuMont sein Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus ernst nimmt, muss er diese Pläne zurücknehmen“, sagte Bombosch.

Zu den ersten Aufgaben der neuen Newsroom-Chefredakteure soll die Neu-Konzeption der Printangebote, die inhaltliche Überarbeitung der Homepages und die Echtzeitanalyse über alle Medienkanäle gehören. So soll bewertet werden, welche Themen die Leser und Nutzer besonders interessiert. Auf die Berichterstattung über Berlin soll ein größeres Augenmerk gelegt werden, ein Fokus allein auf die östlichen Stadtbezirke wird es jedoch nicht geben. Neben der Digitalisierung der Magazine will die Newsroom-Gesellschaft eine "neue nutzerorientierte Newsletter-Welt" etablieren. Ein Konzept, das der Tagesspiegel mit dem Checkpoint-Newsletter, der Morgenlage sowie den diversen Bezirks-Newslettern bereits erfolgreich umgesetzt hat.

Weitere Einschnitte

Bereits an den Vortagen hatte das Kölner Medienhaus mehrere Unternehmensentscheidungen bekannt gegeben. Am Mittwoch betraf dies den Verkauf von DuMont Dialog an das Partnerunternehmen Walter Services. Diese Entscheidung betrifft an den Standorten Berlin und Halle 350 Mitarbeiter, die zunächst alle übernommen werden sollen. DuMont Dialog ist auch für die Abonnentenbetreuung für die verschiedenen DuMont-Titel zuständig. Einen Tag ging es um die Technik-Tochter DuMont Systems, deren Standort Berlin Mitte nächsten Jahres geschlossen wird. 16 Mitarbeiter verlieren ihren Job, die Aufgaben übernimmt künftig ein externer Dienstleister.

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