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In Dresden Downtown ist Jan Josef Liefers (l.) aufgewachsen. Zusammen mit Sebastian Urzendowsky und Claudia Michelsen spielt er jetzt in der Verfilmung von Uwe Tellkamps „Der Turm“, die vom Leben einer Arztfamilie in Dresden Uptown handelt. Foto: dapd

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Bestseller-Verfilmung: Der Turmbau zu Dresden

In Sachsen wird Uwe Tellkamps preisgekrönter Roman "Der Turm" für die ARD verfilmt. Jan Josef Liefers will der Kerl nicht gefallen, den er spielt. Aufgewachsen in Dresden Downtown, war dem Schauspieler das Leben in Dresden Uptown fremd.

Das mit dem Turm ist eine nette Weihnachtsgeschichte. Jan Josef Liefers hat sie vor drei Jahren erlebt, als Uwe Tellkamps Roman über das Dresdener Bildungsbürgertum der späten DDR gerade einen Preis nach dem anderen abräumte. Der Schauspieler Jan Josef Liefers wohnt in Berlin, aber er ist wie Tellkamp in Dresden aufgewachsen, was ihn in den Augen seiner Freunde prädestinierte für ein literarisches Weihnachtsgeschenk. Am Ende lag „Der Turm“ hübsch verpackt unterm Weihnachtsbaum. Und zwar gleich achtmal, „da konnte ich mir dann meinen eigenen Turm bauen“.

Jan Josef Liefers erzählt seine Weihnachtsgeschichte auf der Terrasse von Schloss Cotta, einem etwas heruntergekommenen Anwesen in der Sächsischen Schweiz. Der Putz bröckelt hier so schön wie in der späten DDR und macht das Schloss zu einem idealen Schauplatz für die Verfilmung der „Geschichte aus einem versunkenen Land“. So heißt Tellkamps Buch im Untertitel. Mit seinem Turm aus acht Türmen war Jan Josef Liefers bestens vorbereitet, als Nico Hofmann ihm eine der Hauptrollen antrug. Der Produzent Hofmann ist mit seiner Firma Teamworx spezialisiert auf die Adaption zeitgeschichtlicher Stoffe: „Mogadischu“, „Die Flucht“, „Hindenburg“ oder „Der Tunnel“ – nicht alle sind cineastische Meisterwerke, aber ein großes Publikum haben sie immer erreicht. Für den „Turm“ musste Hofmann im Suhrkamp-Verlag bei Ulla Berkéwicz vorsprechen. Es gab auch andere Interessenten, einer plante eine zehnteilige Serie, was dem facettenreichen Geschehen gewiss entgegengekommen wäre. Zu Hofmanns Glück war dieses Format bereits durch die ARD-Serie „Weissensee“ besetzt.

6,7 Millionen Euro sind für 50 Drehtage eingeplant. Regie führt Christian Schwochow („Novemberkind“), vor ein paar Wochen hat er sich mit Uwe Tellkamp zu Kaffee und Kuchen getroffen und die besten Wünsche fürs Gelingen abgeholt. Schwochow verdichtet die 973 Seiten in zweimal 90 Fernsehminuten für die ARD. Einen konkreten Sendetermin gibt es noch nicht, angedacht ist Ende 2012, dafür ist schon ein Trailer zu sehen. Darin dominieren düstere Novemberfarben, in der Schule sagen die Lehrer Sätze wie „Von der Sowjetunion lernen heißt Siegen lernen“ oder „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen“.

Zur Besetzung gehören auch Claudia Michelsen und Stephanie Stumph, beide sind wie Jan Josef Liefers in Dresden geboren. Gedreht wird in Berlin, Görlitz, Bad Düben, Pilsen, Dresden und seit ein paar Tagen auf Schloss Cotta. Liefers spaziert im dunkelblauen Zweireiher der späten DDR-Konfektion über die Terrasse und kämpft mit einer widerspenstigen, etwas in die Breite ondulierten Haartolle. Auch mit dem „Turm“ hat er sich anfangs nicht leichtgetan, „erst bei Seite 100 war ich drin“. Und doch hat er für den Film schnell zugesagt. „Nicht, weil ich den Job dringend brauchte, wissen Sie, ich sage öfter mal ein Rollenangebot ab.“ Aber es sei ihm wichtig gewesen, die verblichene DDR ein wenig differenzierter als sonst üblich zu zeichnen, „einfach mal Schwarz und Weiß zu mischen, das ist Tellkamp ganz hervorragend gelungen“. Und „Der Turm“ ist für ihn schon mal deshalb eine spannende Sache, weil er die eigene Vergangenheit noch einmal aufrollt. Die Vergangenheit in einer Stadt, in der er zwar aufgewachsen ist, die sich aber doch so sehr stark unterscheidet von der, die im Buch beschrieben wird.

Das Dresden von Jan Josef Liefers (Jahrgang 1964) hat wenig zu tun mit dem Dresden, das Uwe Tellkamp (Jahrgang 1968) beschreibt: Weißer Hirsch, die Villensiedlung hoch über der Elbe, im Rückblick ist es für Liefers „diese gutbürgerliche Welt mit Hausmusik und Tischgesprächen über Romanistik“. Er selbst ist im Zentrum aufgewachsen, „Dresden Downtown, in einem dieser Arbeiterschließfächer an der Prager Straße“. Weißer Hirsch war Uptown, Ärzte, Dichter, Politprominenz, nicht ganz seine Wellenlänge. Dafür hat er mit Matthias Sammer Fußball gespielt, auf der Wiese hinter Omas Haus.

Um Fußball geht es im „Turm“ nicht mal am Rand. Jan Josef Liefers spielt den Arzt Richard Hoffmann, von dem er „nicht gerade sagen kann, dass ich ihn besonders sympathisch finde“. Richard Hoffmann hat in früheren Jahren mit der Stasi angebandelt, er betrügt seine Frau und verleugnet zugleich seine Geliebte, mit der er eine Tochter hat. Liefers hat ihn schon im Buch nicht gemocht und bemüht sich doch, ihn zu verstehen. „Warum ist dieser Mensch so? Warum geht er diesen Weg, wie konnte dadurch diese DDR sich so entwickeln? Es gehört auch zu meiner Arbeit, diese Figur zu verteidigen.“ Wie? Kurze Pause. „Das kann ich nicht so leicht erklären, dafür müssen Sie schon den gesamten Film sehen. Aber ich gebe dem Mann schon ein bisschen mehr als mein sympathisches Lachen.“

Wahrscheinlich hätte er lieber Christian Hoffmann gespielt, den heranwachsenden Arztsohn, der sich für sein Medizinstudium für drei Jahre bei der Armee verpflichten muss. Liefers kennt diese Herausforderung, er hat ihr widerstanden und deshalb gar nicht erst das Abitur machen dürfen. Nach einer Tischlerlehre besuchte er in Berlin die Schauspielschule. Als das Problem mit der Armee zur Wiedervorlage kam, vermittelte ihm Heiner Müller einen Anwalt namens Gregor Gysi. Das war im Herbst 1989, und ein paar Wochen später hatte sich die Angelegenheit von selbst erledigt.

Für die Rolle des Christian Hoffmann ist Jan Josef Liefers schon ein paar Jahre zu alt. Sebastian Urzendowsky spielt den eigentlichen Helden des Buches. Auch er hat eine ostdeutsche Biographie, die allerdings nicht viel zu tun hat mit der von Jan Josef Liefers. Sebastian Urzendowsky ist 1985 in Ost-Berlin geboren und kennt die DDR nur noch aus Gesprächen mit seiner Mutter. Und aus dem Turm.

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