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Medien: "Big Brother": Hoffnung stirbt zuletzt

Was haben wir uns aufgeregt über diese Sendung! Die Finger wund geschrieben haben wir uns, hin und her argumentiert und trotzdem jeden Abend eingeschaltet.

Was haben wir uns aufgeregt über diese Sendung! Die Finger wund geschrieben haben wir uns, hin und her argumentiert und trotzdem jeden Abend eingeschaltet. "Big Brother" war das umstrittenste TV-Format des Jahres. Die Reality-Show hat das Alltägliche zum Besonderen gemacht und die deutsche Fernsehwelt umgekrempelt. Heute geht die zweite Staffel zu Ende (20 Uhr 15, RTL), die letzten drei Kandidaten heißen Harry, Alida und Frank. Doch schon sieht "Big Brother" ein wenig alt aus. Das Besondere ist zum Alltäglichen geworden, die Faszination verschwunden. Trotzdem können wir es nicht lassen, darüber zu schreiben. Warum eigentlich?

Grund eins: Der Erfolg. Mit der zweiten Staffel hat sich "Big Brother" etabliert. Die Sendung ist zum Synonym für eine Generation geworden, die schwer einzuordnen ist. Die Landesmedienanstalten haben ihre Verbotsdebatte eingestellt, die Feuilletons - während der ersten Staffel noch maßlos entrüstet - haben sich des Themas bemächtigt. Politiker kommen im Studio vorbei, um bei der Jugend nach dem Rechten zu sehen. Alles ganz normal, alles ganz banal.

Grund zwei: Der Misserfolg. Die zweite Staffel hat unter genau dieser Banalität gelitten. Die Einschaltquoten sanken: An manchen Tagen war es gerade mal eine Million Zuschauer. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sackte die Quote auf bis zu 14 Prozent. "Wir leiden auf hohem Niveau", meint Produzent Rainer Laux. Insgesamt gibt er sich "hochzufrieden", auch wenn er weiß, dass in der ersten Staffel die Zuschauerzahlen zum Finale hin anstiegen. "Vielleicht wäre der Erfolg noch größer gewesen, wenn nicht so viel Big Brother zu sehen gewesen wäre", sagt Laux. In der Tat war "Big Brother" oft zu sehen. Jede Minute brachte Geld.

Grund drei: Das Geld. Im Vergleich zur ersten Runde wurde das Format perfektioniert. RTL und RTL 2 taten sich zusammen, neue Moderatoren lächelten in die Kameras, Begleitsendungen waren schon am frühen Morgen zu sehen. In RTL-Magazinen wie "Explosiv" wurde kräftig getrommelt, mit "Bild" und "Bravo" gab es Kooperationen. Was das ganze Theater finanziell gebracht hat, will niemand bei Endemol sagen. Doch allein mit dem Internet-Auftritt sollen zehn Millionen Mark verdient worden sein.

Grund vier: Das Gefühl. "Big Brother" ist ein Markenartikel, und ein Markenartikel lebt von der Emotion der Konsumenten. Für "Big Brother" hat sich die Emotion langsam verflüchtigt: weniger Fan-Klubs, weniger Container-Tourismus, weniger Kult. Auch Laux räumt ein: "Die Identifikation mit den Bewohnern ist nicht mehr ganz so stark ausgeprägt." Vielleicht hängt das mit der Auswahl der Kandidaten zusammen. Vielleicht auch mit der Langeweile im Container.

Grund fünf: Die Hoffnung. "Glück ist der Wunsch nach Wiederholung", hat Milan Kundera einmal geschrieben. Das gilt auch für "Big Brother". Eigentlich ist es so ähnlich wie beim Fußball. Nach einem begeisternden Spiel zieht es die Fans immer wieder ins Stadion, weil sie nochmal den ersten Torjubel erleben wollen. Auch in der Liebe suchen Menschen täglich nach der Faszination des ersten Kusses. Natürlich wissen alle, dass es nie mehr wird, wie es einmal war. Die Hoffnung gibt trotzdem niemand auf.

Und worauf hoffen wir bei "Big Brother"? Natürlich auf neue TV-Lemminge, die uns mit unfreiwillig tragischer Komik überraschen, natürlich auf das Besondere im Normalen. Am 27. Januar geht "Big Brother" in die dritte Runde. Vielleicht werden wir wieder vorm Fernseher sitzen und hoffen. Vielleicht auch nicht.

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