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Medien: Blair Witch fürs Handy

Schockeffekte und Herzschmerz: In Berlin gehen gleich zwei Serien für das mobile Fernsehen an den Start

Die Augen weit aufgerissen, das Gesicht grell beleuchtet: Der stoßweise Atem passt zur Ruckelkamera, die sich hektisch zwischen der verängstigten Frau, kahlen Mauern und dem verdreckten Fußboden hin- und herbewegt. Zwischendrin leuchtet ein Gebiss auf, dann ein ganzes Skelett. Wieder wechselt die Kamera zum Gesicht der umherblickenden Frau, dann kommt der Schriftzug „Kill your Darling“ ins Bild, in blutig roten Lettern geschrieben. Doch die Frau heißt nicht Heather Donahue und bei dem Film handelt es sich auch nicht um das „Blair Witch Project“ von 1999, sondern um die erste Handy-Serie, die von der Ufa-Gesellschaft Phoenix Film Berlin produziert wurde. „In der Zielgruppe der 19- bis 29-jährigen Handynutzer kommen solche etwas gruseligen Videos gut an“, sagt Producer Marc Lepetit und versichert: „Einen Mord oder Szenen mit blutüberströmten Menschen wird es in den dreißig Dreiminütern jedoch nicht geben, auf solche Kritik können wir gerne verzichten.“

Noch steht allerdings nicht einmal fest, wann genau „Kill your Darling“ auf Sendung geht. Und auch die Providerfrage muss noch geklärt werden. Da ist der Konkurrent Icon Impact schon weiter. Vor einem halben Jahr ging bei den Berlinern die Foto-Fortsetzungsgeschichte „Mittendrin – Berlin rockt“ an den Handystart. Nach dem Ende der ersten Staffel soll nun Ende Oktober die Fortsetzung „Ninas Welt“ als Fotostory und Videoserie anlaufen, wie Philipp Zwez, Geschäftsführer von Icon Impact sagte.

Noch sind Filme und Fernsehen für Handys ein Thema, das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Nicht, weil diese kein Interesse an dem neuen Medium hätte, sondern weil die technische Verbreitung noch nicht gewährleistet ist. Derzeit sind in Deutschland vier Millionen Handys mit der für die Übertragung von Filmen notwendigen schnellen Übertragungstechnik UMTS im Einsatz. Tendenz immerhin stark steigend. Nach Einschätzung des IT-Branchenverbandes Bitkom werden zum Jahresende acht Millionen Mobiltelefone mit UMTS funken und für das nächste Jahr rechnet der Verband mit einer Verdreifachung dieser Zahl. „Schon bald wird niemand mehr danach fragen, ob das Handy Filme oder TV-Nachrichten per UMTS, DVB-H oder DMB empfängt, da die Handys dann alle Techniken gleichermaßen beherrschen“, erwartet Phoenix-Film-Producer Lepetit.

Interessant ist aber auch die Frage, mit welchen Stoffen das überwiegend recht junge Publikum erreicht werden soll. Die Ufa-Serie nimmt ihren Anfang beispielsweise im gleichnamigen Berliner Szeneklub „Kill your Darling“. Gerade noch hat Nina mit Mike telefoniert, dann ist sie plötzlich verschwunden. Auf der Suche nach ihr geraten Mike und Jenny in die Katakomben des Potsdamer Platzes. Dort hatte zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein Serienmörder Angst und Schrecken verbreitet. Zwar finden die beiden Nina recht schnell wieder, doch den Weg zurück, den finden sie nicht. Über die Videos der Handykameras erleben die Abonnenten der Serie, wie die drei den Weg in die Freiheit suchen, fast so, als würden sie die Bilder direkt von den drei Eingeschlossenen erreichen.

Die Handyserie „Ninas Welt“, die wie der Vorläufer auf ein halbes Jahr angelegt ist, erinnert dagegen eher an eine Telenovela. Ein anfangs recht einfältig wirkendes Mädchen zeigt, was man aus sich machen kann, wenn man sein Leben aktiv in die eigenen Hände nimmt. Durch die Fokussierung auf Nina erhofft sich Zwez eine starke Identifikation mit der Hauptdarstellerin und damit zugleich steigende Abonnentenzahlen. Zu den 65 000 Abonnenten, die bereits „Mittendrin“ gebucht hatten, sollen bis Jahresende noch einmal die Hälfte hinzukommen. Das will man allerdings auch durch geänderte Preise erreichen. „Ninas Welt“ wird nicht nur wie „Mittendrin“ bei O2, sondern bei allen Providern kostenlos zu sehen sein, wobei für O2-Kunden auch der Download kostenlos ist.

Unkalkulierbare Kosten wären nach Ansicht von Marc Lepetit der gänzlich falsche Weg. Er wünscht sich für „Kill your Darling“ einen „fairen Preis“, in dem wirklich alles enthalten ist. Allerdings warnt er davor, beim Handy-TV die gleichen Fehler zu machen wie im Internet, das noch immer unter seinem Ruf als Umsonstmedium leidet. Andererseits müsse aber auch verhindert werden, dass Handy-Fernsehen von vornherein als überteuertes Programm abgestempelt wird.

Doch egal, zu welchem Preis die neue Serienware zum Mobilfunkkunden gelangt, die Kosten für die Produktionen werden nicht automatisch geringer, nur weil das Format kleiner wird. „Der Aufwand ist durchaus mit einem kleinen Fernsehspiel zu vergleichen, zumal wir bei diesem neuen Format durch die hohen Entwicklungskosten Lehrgeld zahlen mussten“, sagte Marc Lepetit. Insgesamt dauerte der Dreh in den Katakomben unterm Alexanderplatz neun Tage. Um die Kosten einzuspielen, wird international produziert. So können die Handy-Filme zusätzlich ins Ausland verkauft werden. Vor allem Österreich, Großbritannien, Spanien und Italien seien dafür interessante Märkte, so Lepetit.

Konkurrent Icon Impact will die „Mittendrin“-Videos hingegen auf klassische Weise finanzieren. „Wie ein privater TV-Sender denken auch wir an Werbung am Anfang und am Ende einer Folge. Was es jedoch nicht geben wird, ist eine Unterbrechung“, sagt Zwez. Das würde schließlich jede Liebesszene und jeden Horrorschocker zerstören.

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