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Blendle-Chef Marten Blankesteijn

© Promo

Blendle: Online Zeitungsartikel kaufen

Blendle ist ein Zeitungskiosk online. Nutzer kaufen einzelne Artikel, bei Nichtgefallen gibt es Geld zurück. Am Montag startet er in Deutschland.

Wenn man Blendle-Chef Marten Blankesteijn fragt, ob er die deutschen Zeitungen aus der Finanzierungskrise strukturellen Krise retten wird, dann grinst er nur und hebt die Schultern an. Der 28-Jährige trägt einen grauen Kapuzenpulli und strahlt etwas zwischen Schüchternheit, aber schon auch Stolz aus. Leicht erinnert er an Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der Vergleich liegt allerdings nur deshalb nahe, weil Blankesteijn ebenfalls eine App entwickelt hat. Zusammen mit seinem Kollegen Alexander Klöpping gründete er den digitalen Zeitungskiosk Blendle.

Einzelne Artikel, statt die ganze Zeitung

Das Konzept ist einfach: Anstatt eine komplette Zeitung als E-Paper zu kaufen, kann man mit Blendle einzelne Artikel aussuchen – den Leitartikel aus dem Tagesspiegel, den Wirtschaftsaufmacher aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die Reportage aus dem „Spiegel“. Der Nutzer kann digital durch die Seiten der angebotenen Medien blättern, Überschrift und die ersten Sätze der Artikel lesen. Wenn ihn eine Geschichte anspricht, ist diese mit einem Klick gekauft. Das kostet zwischen 15 Cent und zwei Euro, je nach Länge und Qualität des Artikels. 30 Prozent der Einnahmen gehen an Blendle, der Rest an die Verlage.

Blankesteijn und Klöpping starteten Blendle vor einem Jahr. Beide arbeiteten zuvor selbst als Zeitungsjournalisten. Ihnen fiel auf, dass viele ihrer Freunde keine Zeitung mehr kauften. „Deshalb wollten wir es ermöglichen, Journalismus online auf einfache Art zu kaufen, sodass auch junge Leute wieder Qualitätsjournalismus entdecken“, erzählt Blankesteijn. Für ihre App holten er und Klöpping große Investoren an Bord: Von der „New York Times“ und dem Axel Springer Verlag bekamen sie drei Millionen Euro Startkapital.

Und es scheint sich zu lohnen: Mittlerweile nutzen 400.000 Niederländer Blendle – mehr als zwei Prozent der Landesbevölkerung. Der Altersdurchschnitt der Blendle-User liegt deutlich unter dem der anderen Zeitungsleser: Zwei Drittel der Nutzer sind unter 35. „Die meisten Menschen, die Blende nutzen, haben vorher keine Zeitung gekauft, sondern hauptsächlich das kostenlose Online-Angebot genutzt“, sagt Blankesteijn. Dass die Qualität der Printartikel oft besser sei, hätten viele Nutzer vorher nicht gewusst. „Junge Leute haben einen riesigen Wissensdurst. Es sind gerade die Analysen, Reportagen und Kolumnen, die sie kaufen. Dafür sind sie auch bereit, ein paar Cents auszugeben.“

Am Montag startet Blendle offiziell in Deutschland. Bisher durften ausgewählte Nutzer die Betaversion testen. Ein halbes Jahr ist Blankesteijn durch Deutschland gereist, allein in der vergangenen Woche war er in acht verschiedenen Städten, um die kooperierenden Verlage zu besuchen. Zu Hause ist er derzeit selten, seine Freundin hat sich bereits über die Tourneen beschwert. Zum Start von Blendle in Deutschland sind 47 Zeitungen und Zeitschriften im Angebot, darunter „Süddeutsche Zeitung“, Tagesspiegel und „Bild“, Zeitschriften von Gruner+Jahr wie „Brigitte“, „11 Freunde“ und „Neon“ sowie lokale Zeitungen.

Seit April hat Blende ein kleines Büro im Prenzlauer Berg an der Kastanienallee bezogen. Ein „shared space“ - nebenan ist ein Consultingunternehmen, unten eine Filmproduktionsfirma. Bald soll auch ein großes, oranges Blendle-Logo aufgehängt werden, noch war dafür keine Zeit. In dem Raum mit Backsteinwänden und Torbogenfenstern arbeiten acht Menschen für Blendle. Die meisten davon sind Journalisten. Sie kuratieren die Newsletter, die Blendle täglich oder wöchentlich an seine Kunden verschickt.

Qualitätsjournalismus ist beliebter als Boulevard

Die ersten Daten der deutschen Testnutzer zeigen, dass auch hier öfter zu langen Texten gegriffen wird. Insbesondere Interviews, Essays und Analysen wurden oft gelesen. Außerdem kaufen Blendle-Nutzer lieber Inhalte von Qualitätsmedien als von Boulevardzeitungen. Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ brachten mehr ein als die der „Bild“, der Tagesspiegel wird öfter geklickt als die „B.Z.“.

„Ich hoffe, dass die Verlage dadurch mehr Gewissheit kriegen, dass Menschen auch online gewillt sind, für guten Journalismus Geld auszugeben. Und dass sie selbstbewusster und konsequenter ihre Bezahlmodelle ausweiten“, sagt Blankesteijn. In Deutschland scheint die Bereitschaft zu zahlen besonders groß zu sein. „Viele deutsche Nutzer in unserer Betaphase haben ihr Blendle-Konto gleich nach Anmeldung mit 50 Euro aufgefüllt.“ In den Niederlanden sei das anders gewesen. Da hätten sie die 2,50 Euro Startguthaben aufgebraucht und dann um die fünf Euro auf ihr Konto getan.“

Um den Kunden die Scheu vor dem Kauf eines Artikels zu nehmen, gibt es eine Geld-zurück-Garantie, die Blendle selbst als „supernett“ bezeichnet. War ein Artikel nicht zufriedenstellend, kann man innerhalb von 24 Stunden den Kaufpreis zurückbekommen. Betätigt man diese Funktion zu oft, wird sie allerdings für eine Weile gesperrt. „Die Leser verlangen vor allem ihr Geld zurück, wenn sie das Gefühl haben, dass der Artikel nicht hält, was die Überschrift verspricht. Denn sie entscheidet, ob Nutzer den Artikel kaufen. Bei Online-Artikeln zählen die Klicks, deshalb sind gerade die Überschriften oft reißerisch. Bei Blendle müssen sie hauptsächlich ehrlich sein. Ich halte das für eine gute Entwicklung“, sagt Blankesteijn.

Blendle bietet Chance für Nischenthemen und kleine Magazine

Außerdem zeigen die Daten der holländischen Blendle-Nutzer, dass gerade Nischenthemen eine Chance haben. „Einer der meistgelesenen Artikel in den Niederlanden stammt von einem kleinen Fachmagazin für Jogger. In der Geschichte geht es um die Auswirkungen von Joggen auf den Körper. Am Kiosk hätten sich wahrscheinlich nicht so viele Menschen diese Zeitschrift gekauft, einfach weil sie nur ein kleines Publikum anspricht“, sagt Blankesteijn.

Die Testphase in Deutschland ist gut gelaufen. Zwar gibt es in Deutschland Apps wie Pocketstory und Readly, die bereits Printjournalismus für geringe Preise online anbieten – Blendle hat jedoch eine größere oder qualitativ bessere Auswahl. Dass die Printzeitungen durch Blendle wieder an ihre alten Verkaufszahlen anknüpfen können, ist eine sehr optimistische Annahme. Blankesteijn sagt, Blendle gebe ihnen ein bisschen Selbstbewusstsein zurück.

Alice Hasters

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