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Richard Gutjahr

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Bloggerkolumne: Schluss mit der Wegelagerei!

Den Mobilfunkunternehmen fällt immer etwas Neues ein, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen - jetzt lassen sie Urlauber reihenweise in die Daten-Roaming-Falle tappen. Ein Grundrecht auf Zugang zum Wissen lässt sich so nicht verwirklichen. Höchste Zeit, über ein kostenfreies Internet nachzudenken.

Sie finden immer etwas Neues. Wenn es darum geht, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, erweist sich die Kreativität der Mobilfunkunternehmen als unerschöpflich. Hatten uns Telekom & Co. vor Jahren noch 50 Cent pro SMS abgeknöpft, obwohl sie die Bereitstellung des Dienstes viel weniger kostet, lassen sich die mobilen Wegelagerer heute mit dem drahtlosen Zugang zum Internet ihre Funkantennen vergolden. Jeder dritte Deutsche besitzt ein internetfähiges Handy. Wer nicht aufpasst, zahlt sich gerade im Urlaub damit dumm und dämlich. Wenn nicht immer ganz so smarte Deutsche im Ausland zu ihrem Smartphone greifen und dabei vergessen, das Daten-Roaming – im Gegensatz zu SMS- und Telefontarifen an keinerlei Preisobergrenzen gebunden – abzustellen, kennt die Freude der Netzanbieter sprichwörtlich keine Grenzen; 1000 Euro für ein paar Onlinestunden sind keine Seltenheit. Und das, obwohl auch das Abrufen von E-Mails oder Stadtplänen die Unternehmen so gut wie nichts kostet.

Diese Ungerechtigkeit muss freilich nicht für immer bestehen bleiben – als eines der ersten EU-Länder hat nun Italien der Mobilfunk-Mafia den Kampf angesagt: Man will einen Internetzugang im ganzen Land einrichten – und zwar kostenlos! Arrivederci, Roaming in Rom – vom Friseursalon bis zum Blumenhändler will die Stadt überall Gratis-Hotspots errichten. Italien ist damit nicht allein: In London sind pünktlich zu den Olympischen Spielen die ersten Bezirke online gegangen. Als Nächstes sollen Bus- und U-BahnLinien mit Hotspots vernetzt werden.

Dass der Zugang zum Wissen der Welt eigentlich ein Grundrecht sein sollte, dem tragen so immer mehr Länder Rechnung. In Deutschland kennt die Netzfreiheit noch ihre Grenzen. Wer einen öffentlichen Zugang zum Internet anbietet, gilt nach deutschem Recht als „Störer“. Schuld daran ist die sogenannte „Störerhaftung“, ein Gesetz, das Anbieter öffentlicher Hotspots dafür verantwortlich macht, wenn ein Dritter über dieses Netzwerk Straftaten begeht, zum Beispiel illegal Musik herunterlädt. Kommerzielle Netzriesen wie O2 oder die Telekom sind von einer solchen Haftung ausgenommen, nicht aber Café- und Kneipenbesitzer. Der Verein Digitale Gesellschaft hat jüngst einen Gesetzentwurf formuliert, der normale Bürger und Gewerbetreibende mit den Telekommunikationsunternehmen gleichstellen soll.

Nun stellen natürlich viele wieder die Frage, wie da noch Geld verdient werden kann. Nun, die Betreiber der Hotspots können sich das Geld durch Werbeanzeigen auf der Startseite oder erhöhte Preise zurückholen, die Hotelbetreiber, die derzeit gemeinsam mit den Telekommunikationsunternehmen horrend teure Bezahlhotspots betreiben, finden sicher bald einen neuen Weg, ihre Gäste zu schröpfen. Wie wäre es zum Beispiel mit der Einführung einer Sondergebühr für die Nutzung von Strom, Klimaanlage oder WC? Mit der Buchung eines „Comfort-Packages“ wäre das Duschwasser dann sogar auch warm.

Der Autor ist Fernsehjournalist und Blogger. Für den BR machte er die interaktive Politainment-Sendung „Rundshow“.

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