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Stolz auf ihr Programm: Die scheidende WDR-Intendantin Monika Piel (M.) mit Moderatorin Bettina Böttinger und „Tatort“-Kommissar Klaus J. Behrendt. Foto: dpa

© dpa

Blühende Landschaften: Viel Eigenlob: WDR-Intendantin Monika Piel zieht Bilanz

Nur noch bis Ende des Monats ist die Medienfrau im Amt. Vor dem Rundfunkrat blickt sie deshalb auf ihre sechsjährige Amtszeit zurück. Kritische Themen spart sie aber lieber aus.

„Das ist ja ein Traumbuchs!“ Es war in gewisser Weise ein historischer Ausruf von Monika Piel am Freitagabend, denn es war ihr letzter als Intendantin vor dem WDR-Rundfunkrat. Noch ein Mal hatte sie vor dem Gremium in Köln berichtet und Bilanz gezogen, in überaus friedlicher Atmosphäre übrigens, bevor sie am 30. April ihr Amt vorzeitig abgibt. Am Ende der öffentlichen Sitzung stiefelte Rüdiger Ramme herein. Der Mann ist Gärtner und dem Publikum an Rhein und Ruhr durch seine Tipps in der „Lokalzeit“ bekannt. Ramme schob eine Schubkarre vor sich her, darin ein respektabler, kugelrund geschnittener Buchsbaum, das Abschiedsgeschenk des Rundfunkrats, denn Monika Piel liebt ihren Garten in der Eifel, heißt es, und bald hat sie dafür mehr Zeit.

Ruth Hieronymi (CDU), die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums, hatte der scheidenden Intendantin zuvor „ganz herzlich“ gedankt, „für die Aufbauarbeit in einer Zeit des technologischen Übergangs“ und auch dafür, dass in Piels sechsjähriger Amtszeit die Kooperation mit dem Rundfunkrat verbessert worden sei. Zum Abschluss wurde Sekt gereicht, es wirkte beinahe wie eine Betriebsfeier, bei der freilich die meisten ziemlich schnell das Weite suchten. Einige zaghaft kritische Nachfragen hatte es zu Piels Bericht dann doch gegeben, und als sich einer der Räte etwas ausufernd über die immer gleichen Talk-Gäste im Ersten echauffierte, rutschte die Intendantin mit wachsender Unruhe auf ihrem Stuhl hin und her. Piel hatte gesundheitliche Gründe für ihren vorzeitigen Rückzug angedeutet, aber davon war wenig zu spüren. Die letzte Attacke parierte sie kühl, aber nicht unhöflich: Die ARD habe die Kritik aufgenommen, sie könne gerne die Liste der Talkgäste vorlegen. „Es hat sich geändert, auch wenn Sie nach Ihrem Gefühl noch einen anderen Eindruck haben.“

Nein, Monika Piel muss hier nichts mehr vorlegen. Sie hinterlässt, um mal im Bild zu bleiben, einen unfassbar blühenden, üppigen WDR-Garten, immergrün wie ihr neuer Buchsbaum – jedenfalls wenn man ihrer von jeglicher Selbstkritik befreiten Bilanz glaubt, die sie vor dem Rundfunkrat zog. Hier eine Auswahl der größten Erfolge der Piel-Amtszeit in Kurzform: Es gab insgesamt 650 Preise und Auszeichnungen. Der Sender steht für Innovation im Ersten. Das WDR-Fernsehen hat 2012 die höchsten Marktanteile (7,4 Prozent in NRW) seit mehr als 20 Jahren eingefahren, das Programm kann zudem mit 74 Prozent den höchsten Info-Anteil aller Vollprogramme in Deutschland vorweisen. WDR.de ist mit 18 Millionen monatlichen Nutzern das beliebteste Internet-Angebot der ARD, Eins Live „die erfolgreichste junge Welle in Europa“. Und nachdem in Berlin Radio Multikulti abgeschaltet wurde, ist dort nun das Funkhaus Europa vom WDR zu hören. „Und bei fast jedem Taxifahrer läuft das auch“, weiß Monika Piel.

Warum sollte sie auch selbst noch einmal an die weniger glänzenden Facetten ihrer Amtszeit erinnern? An den schlecht moderierten Streit um die Kulturwelle WDR3, die gescheiterten Verhandlungen mit den Zeitungsverlegern über die „Tagesschau“-App, die Klagen im eigenen Haus über zu wenig Initiative und zu viel Abwesenheit der Intendantin. Und wer war noch mal Thomas Gottschalk? Der Rundfunkrat hatte Monika Piel in der Vergangenheit durchaus bisweilen genervt, etwa mit konstanter Kritik an den ARD-Talks oder Nachfragen zu Verträgen mit Sportverbänden und Star-Moderatoren. Doch nun, in dieser feierlichen Stunde, blieben die schärfsten Kritikerinnen und Kritiker stumm.

Es gab sogar Lob für die solide Haushaltsführung des WDR. Piel wies darauf hin, dass der Sender die laufende Gebührenperiode 2016 mit einer schwarzen Null abschließen werde. Im Herbst beginnen neue Verhandlungen über den Finanzausgleich innerhalb der ARD, da blüht den Nehmer-Sendern Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk was, denn der WDR will nicht mehr die jährliche Summe von rund 50 Millionen Euro zahlen, laut Piel die doppelte Summe der eigentlich vereinbarten Quote. Piel forderte „bei aller Solidarität“ den Einstieg in ein Szenario, bei dem der WDR seine Zahlungen deutlich reduzieren könne. Und hatte dafür offenkundig die Rückendeckung des Aufsichtsgremiums.

Aber das wird dann im Herbst nicht mehr Piels Problem sein. Wer die Nachfolge der 62-Jährigen antritt, wird wohl erst in der letzten Sitzung des Rundfunkrats vor der Sommerpause entschieden. „Wir sind im Plan“, sagte Hieronymi. Die Findungskommission sei noch dabei, den engsten Kreis der Kandidatinnen und Kandidaten zusammenzustellen. Auf die öffentliche Ausschreibung der Stelle hatten sich 37 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet. Doch Hieronymi ließ keinen Zweifel daran, dass der Rundfunkrat selbst auf weitere Kandidaten zugehen wolle.

Ab 1. Mai wird Piels Stellvertreterin, die WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel, den Sender kommissarisch leiten. Sie wird ebenso wie Fernseh-Chefredakteur Jörg Schönenborn, Radio-Bremen-Intendant Jan Metzger und Bettina Reitz, die Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks, zu den aussichtsreichen Kandidaten gerechnet. Laut Hieronymi sei das Rennen noch völlig offen, es müsse auch nicht zwingend eine Person aus der Medienbranche die Nachfolge Piels antreten. Wahrscheinlich ist ein Quereisteiger aber eher nicht, sucht der Rundfunkrat doch eine starke Führungskraft, die den öffentlich-rechtlichen Auftrag des Senders, also auch Unpopuläres wie deren Gebührenfinanzierung, mit einiger Überzeugungskraft vertreten kann.

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