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© dpa

Bruce Darnell: „Der Clock ist tickig“

Neue Vorabendhoffnung für das öffentlich-rechtliche Programm: Bruce Darnell macht für die ARD emotionales Qualitätsfernsehen - in lustigem Deutsch.

„Kein Mensch ist hässlich“, sagt Bruce Darnell. „Hässlich ist, was ein Mensch zueinander tut.“ Im Gegensatz zu dem lustigen Deutsch des 49 Jahre alten Amerikaners sitzen der seriöse graue Anzug und das weiße Hemd perfekt. Schick ist sie ja, die neue Vorabendhoffnung der ARD: Bruce Darnell gab sich gestern in Köln während der Dreharbeiten zur Stylingshow „Bruce“ – vom 12. Februar an im Ersten – die Ehre. Eine Stunde posierte er für die Fotografen, aber auch danach war der ehemalige „Runway Trainer“ von Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“ kaum zu bremsen. Sein Lieblingswort: „waahnsinnig“. Seine zentrale Botschaft: Er sei „waahnsinnig offen“ und „waahnsinnig glucklich“. Vor zwei Jahren sei er wirklich niemand gewesen, „jetzt bin ich ganz oben – ich verstehe die Welt nicht mehr“.

Ob es „ganz oben“ ist, wenn man im Werberahmenprogramm eine eigene Show präsentieren darf, darüber lässt sich streiten. Aber die Karriere des in New York City geborenen Bruce Darnell ist zweifellos bemerkenswert. Nach zweieinhalb Jahren Soziologiestudium folgten sechs Jahre bei der US-Armee als Fallschirmspringer, danach eine Laufbahn als Model, dann als Model-Trainer. Seine emotionale, feminine Art, sein amerikanisch-deutsches Kauderwelsch ließen ihn bei Pro Sieben zum einzig wahren Topmodel und Publikumsliebling werden. Sätze wie „Die Handetasche muss lebendig sein“ gerieten zu Klassikern und wurden von Darnell gemeinsam mit einer Textilwarenkette auch vermarktet. Sein gebrochenes Deutsch gehört zum Markenzeichen, und deswegen haben die ARD-Verantwortlichen und die Produktionsfirma First Entertainment ihm nun auch keinen Sprachkurs verordnet. Stattdessen beeilte sich Siegmund Grewenig, der Koordinator des ARD-Familienprogramms, von einem neuen Darnell-Spruch zu berichten: „Der Clock ist tickig“, habe er während der Dreharbeiten gesagt. Was wohl heißen soll, dass die Zeit davonläuft. Bruce Darnell selbst wies darauf hin, dass ja auch nicht alle Deutschen perfekt Deutsch sprechen würden – „davor haben wir etwas gemeinsam“.

Ein gewisses Maß an Unterhaltung ist also garantiert. Bei „Schmidt & Pocher“ wurde der ARD-Trailer zu „Bruce“ am Donnerstagabend mit Untertiteln versehen, in denen Darnells Kommentare in Schriftsprache wiedergegeben wurden. Aus Styling-Show wurde „Stalin-Show“, was die Sache lautmalerisch erstaunlich gut traf. Konzeptionell sind aber nicht Kommunisten, sondern 14- bis 49-Jährige und dabei besonders Frauen die Zielgruppe. In jeder der 20 Folgen, die dienstags bis freitags ab 18 Uhr 55 ausgestrahlt werden, wird eine Person von Darnell beraten, schließlich auch neu eingekleidet und mit neuer Frisur versehen. Das Verhältnis der beteiligten Frauen zu den Männern beträgt vier zu eins. Ein Wettbewerb zwischen einzelnen Kandidaten oder eine Publikumsbeteiligung sind nicht vorgesehen. Von privaten Sendungen will man sich abheben, indem man mit den Protagonisten behutsam umgeht. Es soll niemand vorgeführt werden, Bruce Darnell hat weitgehend freie Hand. Einmal ist er mit einer Kandidatin spontan für einen Tag nach Paris gefahren.

„Im besten Sinne Lebenshilfe“ und „emotionales Qualitätsfernsehen“ verspricht Grewenig. Es werde geweint, gelacht, und immer sei es „brucig“. Soll heißen: Darnell gibt nicht nur den Neuausstatter, sondern den Berater, der die Teilnehmer öffnen, mit ihnen auch über nicht verarbeitete Vergangenheit reden und einen Schritt im Leben weiterbringen will. Das klingt arg therapeutisch, aber ein Therapeut will Darnell nicht sein. Es gehe um Veränderung im Leben. Er selbst, ein uneheliches Kind, sei mit 19 Jahren von zu Hause weggegangen und sehr unsicher gewesen, teilte Darnell ungefragt mit. Nun habe sein Leben einen „waahnsinnig dramatic turn“ genommen. Und nach dieser dramatischen Wende, zu der ihm das Fernsehen verholfen hat, will er am ARD-Vorabend sich und seinen Showgästen die ganz großen Fragen stellen: „Wer bin ich auf dieser Erde? Wo will ich hin?“

Vorerst ist er im Laden von Günter Struve gelandet. Der ARD-Programmdirektor machte Bruce Darnell in Köln ebenfalls seine Aufwartung. Seit zehn Jahren habe er in seinem Berufsumfeld niemanden getroffen, der so „echt“ sei wie Darnell, sagte Struve. Dieses Lob gibt einem doch zu denken.

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