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Medien: Bush! Kerry! Oder doch …

Wie US-Sender diesmal ein Debakel wie bei der Wahl 2000 verhindern wollen

Die Blamage steckt ihnen noch tief in den Knochen. Gleich danach haben sie ein Gelübde abgelegt. Es heißt: „Nie wieder!“ Das größte Fiasko in der Geschichte des US-Nachrichtenfernsehens darf sich auf keinen Fall wiederholen. Diesmal, das versprechen die Verantwortlichen, wollen sie jede Menge Um- und Vorsicht walten lassen.Keiner soll vorpreschen, um ungenaue Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu verkünden.

Vor vier Jahren produzierten die amerikanischen TV-Anstalten ein Debakel. Eine Ente jagte die nächste. Die Kollegen von NBC tröteten als Erste ins Horn. Am Wahlabend, um 19 Uhr 49 und 40 Sekunden, verkündeten sie, Al Gore habe in Florida gewonnen. Wenige Sekunden später folgten CBS, Fox, CNN und ABC. Rund zwei Stunden später ruderten alle zurück. Das Ergebnis sei „too close to call“ – zu knapp, um eindeutig zu sein. Am Morgen, gegen 2 Uhr 15, stand dann ein neuer Sieger fest. George W. Bush sei der 43. US-Präsident, hieß es unisono. Um vier Uhr morgens ruderten dann wieder alle zurück. Erst fünf Wochen später, durch ein Urteil des Obersten Gerichts in Washington, war wirklich geklärt, wer ins Weiße Haus einziehen darf.

Das Versagen hatte ein Nachspiel. Am 14. Februar 2001 mussten die Nachrichtenchefs der großen TV-Anstalten dem Kongress öffentlich Rede und Antwort stehen. Betreten drucksten sie herum und gelobten Besserung. Doch knapp zwei Jahre später, bei den Kongresswahlen, ging erneut vieles schief. Schuld daran war dieselbe Datenzulieferfirma, der „Voter News Service“ (VNS). Deren Computersystem brach am Wahlabend zusammen. Verlässliche Hochrechnungen kamen nicht zustande.

Die sechs wichtigsten Nachrichtenorganisationen – ABC, CBS, NBC, CNN, Fox News und AP – bilden seit langer Zeit den so genannten „National Election Pool“. Um Kosten zu sparen, finanzierten sie die VNS, die alle Kunden mit denselben Umfragedaten belieferte. Doch deren Methoden stellten sich als veraltet heraus. Nach der Trennung von der VNS wurden zwei andere Firmen angeheuert - die „Edison Media Research“ und „Mitofsky International“. Die übernehmen nun die Blitzumfragen am Wahltag. Die Stimmenzählerei wiederum liegt ausschließlich in der Hand von Associated Press.

Etwa 5500 Personen hat die AP für die Wahlnacht engagiert. In jedem der insgesamt 4600 Wahlbezirke gibt es einen Stringer, der die Ergebnisse in die Zentrale übermittelt. Die Geschwindigkeit hängt von zwei Faktoren ab – erstens dem Wahlmodus, zweitens der Schließung der Wahllokale. Die Wahlmodalitäten sind regional sehr unterschiedlich. Am schnellsten sind Resultate, wenn am Touchscreen gewählt wurde, am langsamsten ist die Auszählung per Hand. Auch die Schließung der Wahllokale ist nicht einheitlich geregelt, sondern den Bundesstaaten überlassen. Sie variiert zwischen 18 und 20 Uhr. In Ohio etwa haben sie bis 18 Uhr 30 geöffnet, in Pennsylvania und Florida bis 19 Uhr. Ohio und Pennsylvania wiederum hinken der Ostküste eine Stunde hinterher. Zählt man Hawaii und Alaska mit, gelten in den USA fünf Zeitzonen.

In Florida – und elf weiteren Bundesstaaten – gelten sogar zwei verschiedene Zeiten. Deshalb haben dort die Wahllokale an der Westküste eine Stunde länger geöffnet als an der Ostküste. Weil die Sender diesmal versprochen haben – zum ersten Mal überhaupt! –, keine Hochrechnung aus einem Bundesstaat bekannt zu geben, bevor dort nicht das letzte Wahllokal geschlossen wurde, wird also frühestens um zwei Uhr morgens MEZ vom „battleground state“ Florida mit ersten Zahlen zu rechnen sein.

Die Testläufe mit den neuen Umfrage-Unternehmen waren bislang erfolgreich. Bei den Vorwahlen der Demokraten etwa lief alles wie am Schnürchen. Rund zehn Millionen Dollar hat die Technik gekostet. Die Hochrechnungen beruhen auf Blitzumfragen am Wahltag unter rund 2000 repräsentativen Wählern eines Bundesstaates. Kompliziert wird es in diesem Jahr allerdings durch die extrem hohe Zahl von Brief- und Frühwählern. In Florida werden rund zwanzig Prozent der Wähler ihre Stimme vor dem 2. November abgegeben haben – in New Mexico und Colorado 50 Prozent, im Staat Washington gar 70 Prozent. Um so akkurat wie möglich zu sein, laufen bereits Telefonumfragen in 13 Schlüsselstaaten.

Die Daten der Umfrage-Institute und die aktuellen Ergebnisse via AP laufen am Wahlabend in den Nachrichtenzentralen der Anstalten ein. Dort fällt die Entscheidung, wann ein Sieger verkündet wird. Alle Sender wollen ihr Verfahren möglichst transparent gestalten. Schätzungen, Projektionen und Hochrechnungen sollen als solche deutlich gekennzeichnet werden. „Was vor vier Jahren geschah, ist uns immer noch frisch im Gedächtnis“, sagt Tom Hannon, der politische Direktor von CNN.

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