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Gelöst. Nach zehn Jahren als „Aktenzeichen XY... ungelöst“-Moderator fühlt sich Rudi Cerne mittlerweile wohl in der Show. Foto: ZDF

© Jens Hartmann

CHRONIK: „Ich pendle zwischen Mord und Sport“

45 Jahre „Aktenzeichen XY ...“: Moderator Rudi Cerne über Kopfkino und Eiskunstlauf.

Am 20. Oktober 1967 ging Eduard Zimmermann erstmals mit der Fahndungsserie „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im ZDF auf Sendung.

Durchschnittlich 5,2 Millionen Zuschauer schalten die Sendung aktuell ein. Das entspricht einer Quote von 17,2 Prozent – der beste Wert seit 1999.



Rudi Cerne
, ehemaliger Eiskunstläufer und Sportjournalist, moderiert die Sendung seit Anfang 2002. Tsp

Herr Cerne, Sie moderieren die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ seit Januar 2002. Wer hatte Sie seinerzeit dafür entdeckt, engagiert?

Ganz hat sich das nie geklärt, von wem die erste Initiative ausging. Ich glaube, die kam von Eduard Zimmermann. Dies wurde mir dann mitgeteilt. Da die Sendung damals im Hinblick auf die Einschaltquote schon ein wenig auf der Kippe stand, war Zimmermann auf die richtige Einhaltung der Wege bedacht. So war es Hans Janke (ehemaliger Stellvertretender Programmdirektor), der mich damals zu „Aktenzeichen“ geholt hat.

Sie hatten bis dato Sportsendungen moderiert, bis 1995 bei WDR, HR und ARD, ab Januar 1996 beim ZDF. Salopp formuliert: Erst Sport, dann Mord?

Das war damals schon ein Schritt. 2001 war ich im Juli mit der Tour de France unterwegs, als der Anruf kam. Erst war ich sehr überrascht, hatte zunächst gedacht, es könnte eher etwas aus dem Bereich „Verstehen Sie Spaß?“ kommen. Dann habe ich gemerkt, dass es ihnen sehr ernst war.

Eine Sendung, in der nach Tätern gesucht wird, liegt nicht gerade nahe bei einem Eiskunstlauf-Profisportler.

Ich sage immer: Mir ist bei 20 Jahren Eiskunstlaufen nicht das Hirn eingefroren. Da ist meine Neugierde. Und: Ich pendle zwischen Sport und Mord. Eine Kluft ist natürlich dazwischen – der Kontrast hätte nicht größer sein können. Deswegen hat es mich auch so gereizt. Das war für mich die große Herausforderung. Mein Erfolg davor, der mir am liebsten war, war natürlich die Silbermedaille bei den Europameisterschaften. Da war meine Seele befriedigt und beruhigt - daraufhin konnte ich sagen, ,So, jetzt gehe ich noch zu den Olympischen Spielen, und dann sage ich Auf Wiedersehen’. Dann kam „Holiday on Ice“, und dann kam eins zum anderen.

Am 20. Oktober 1967 ging „Aktenzeichen XY … ungelöst“ erstmals auf Sendung.

Ich war damals neun Jahre alt. Und es war zu dieser Zeit, zu Beginn, ein Riesenthema in der Schule. Kinder reden ja oft nach, was die Eltern am Vorabend gesagt haben. „Raumschiff Orion“ kam damals, Ende der 60er, auch raus. Ich selbst bin groß geworden mit „Bonanza“ und „Rauchende Colts“. Das war ziemlich brutal.

Eduard Zimmermanns „Aktenzeichen XY“ wurde der Vorwurf des Schürens von Ängsten gemacht. Berechtigt oder deplatziert?

„Aktenzeichen“ fand ich früher immer eher unspektakulär. Bevor es zu etwas kam – Schnitt, Kamera auf Eduard Zimmermann. Was ist daran grausig gewesen? Auch heute bleibt es bei der Andeutung. Der Rest ist Kopfkino. Man muss natürlich die Emotionen der Zuschauer treffen. Die Sehgewohnheiten der Zuschauer haben sich verändert, und die Ansprüche an die Filme steigen. Wobei die Realität wesentlich dramatischer ist: Wenn Sie etwa echte Fotos aus einer Ermittlungsakte nehmen …

„Aktenzeichen XY“ hat nun 45-jähriges Jubiläum. Ist es zeitlos?

Auch wenn viele versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen oder es nachzuahmen – es ist ein Original, und es ist auch nie von der eigentlichen Idee abgewichen. Da ist interaktives Fernsehen in Deutschland erfunden worden. „Vorsicht Falle – Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ mit Eduard Zimmermann – damit hat es angefangen. Es ist eines der wenigen deutschen Fernsehformate, das unter anderem auch in Amerika übernommen wurde. Und natürlich ist es diese Form der Realität, dieser Schauer, der da immer irgendwo mit hineinspielt.

Sie haben demnächst Natascha Kampusch zu Gast im Studio. Wie bereiten Sie sich auf einen solchen Gast vor?

Das ist natürlich herausfordernd. Aus diesem Grund war ich nun in Wien zum Vorgespräch mit ihr. Und ich bin auch froh, dass ich das Vorgespräch geführt habe. Denn bis so ein Eis einmal bricht, das dauert. Es ist enorm wichtig, dass man die Leute vorher kennenlernt, und dass die mich kennenlernen. Das Gespräch mit Natascha Kampusch war schon sehr spannend: Das ist eine intelligente junge Frau, 24, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht und sehr belesen und gut informiert ist. In Wien hat sie mir Jugendstilbauten gezeigt. Sie wiederum wollte viel von mir über Eiskunstlauf wissen.

Was bedeutet Ihnen persönlich diese Sendung – heute?

Mein Leben hat sich dadurch schon verändert. So wie durch „Holiday on Ice“ – ich bin nämlich von jetzt auf gleich ein gut bezahlter Profi gewesen. Bis dahin war ich ein schlecht bezahlter Amateur. Bei „Aktenzeichen“ ist die Veränderung nicht in diesem Sinne, dass ich sage, „Jetzt habe ich nur noch Angst“. Ich bin in der Sendung nüchterner geworden, sachlicher. Und: Ich fühle mich durch vieles, was da passiert und was wir zeigen, bestätigt. Dass mein Bestreben, vorsichtig durchs Leben zu gehen, berechtigt ist. Am Anfang hat der Anzug dieser Sendung ein bisschen gezwickt. Heute ist er auf Maß geschneidert. Er passt mir sehr gut – ich fühle mich wohl darin.

Das Gespräch führte Thilo Wydra.

„Aktenzeichen XY … ungelöst“, ZDF, Mittwoch, 20 Uhr 15; „Aktenzeichen XY … ungelöst - Wo ist mein Kind?“, ZDF, 28. November, 20 Uhr 15

Lesen Sie das ungekürzte Interview

mit „Aktenzeichen XY“-Moderator

Rudi Cerne unter:

www.tagesspiegel.de/medien

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