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In einem Flüchtlingslager im Nordirak traf CNN-Reporterin Atika Shubert (2. v. r.) Jesidinnen, die von Anhängern der Terrormiliz Islamischer Staat versklavt wurden.

© Tsp

CNN in Berlin: Mehr als Glück

Atika Shubert ist die neue CNN-Korrespondentin in Berlin. Nicht immer bleibt dabei Zeit für hintergründige Reportagen.

Was bringt man Frauen mit, die von Anhängern des so genannten Islamischen Staats (IS) gefangen gehalten und als Sklavinnen verkauft wurden? Die nahezu alles verloren haben und froh sind, überhaupt noch am Leben zu sein. Jedes Geschenk erscheint da irgendwie unpassend, aber mit leeren Händen will Atika Shubert auch nicht dastehen. Also packt sie Gummibärchen ein und ein deutsches Wörterbuch, als sie sich auf den Weg macht in die kurdische Stadt Dohuk, um drei Jesidinnen zu interviewen, die bald in Deutschland ein neues Zuhause finden sollen. Noor, Busra und Munira nennen sie sich, ihre richtigen Namen geben sie aus Sicherheitsgründen nicht preis. Shubert trifft sie in einem Flüchtlingslager im Nordirak, was sie erzählen, bringt selbst die langjährige CNN-Reporterin zum Weinen.

Sie sei zwangsverheiratet worden mit einem IS-Kämpfer, berichtet Noor. Er habe ihr nach der „Hochzeit“ einen Brief gezeigt. Jede gefangene Frau werde zur Muslimin, wenn sie von zehn Männern vergewaltigt wird, habe darin gestanden. Daraufhin habe er sie vergewaltigt, dann zehn seiner Freunde. Shubert, 42, ringt mit der Fassung, als Noor davon erzählt. Auch die Geschichten von Busra und Munira zeugen vom Schrecken des IS. Busra musste mitansehen, wie zwei Ärzte ihrer Freundin, im dritten Monat schwanger, das Kind abgetrieben haben. Munira wurde wie eine Ware ebenfalls auf einem Sklavenmarkt verkauft.

Lieber auf der Flucht sterben

Nur knapp vier Minuten lang ist das Interview, das Atika Shubert vor einigen Wochen geführt hat – und doch lässt es seine Zuschauer kaum wieder los. Auch Shubert nicht, die für den internationalen Nachrichtensender CNN seit Mitte Juni als Korrespondentin aus Berlin berichtet. Das Interview mit den Jesidinnen hat sie geführt im Rahmen des „CNN Freedom Project“, eine Initiative, mit der der Nachrichtensender über moderne Sklaverei weltweit aufklären und gesellschaftliches Engagement fördern möchte. Für das Projekt traf Shubert auch eine 16-jährige Jesidin, die als Sklavin des IS-Chefs, Abu Bakr al-Baghdadi, arbeiten musste und fliehen konnte. Lieber auf der Flucht sterben, als weiter für diesen Mann zu arbeiten, erzählt sie Shubert.

„Das Gespräch mit der jungen Frau war Reporterglück“, erzählt Shubert, „denn wir wussten zunächst gar nicht, dass das Mädchen im Haus von al-Baghdadi gefangen gehalten wurde.“ Eine solche Protagonistin zu finden, mag vielleicht auch Glück sein, doch eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich traumatisierte Menschen wie die Jesidinnen öffnen, bedarf eines besonderen journalistischen Gespürs, das Shubert in ihren Reportagen immer wieder beweist.

Vier Arbeitsplätze und ein kleiner Schnittraum

Dabei wollte sie eigentlich nicht Journalistin werden. „Was für ein stressiger Job“, habe sie immer gedacht, als sie ihre Mutter beobachtet habe, die Chefredakteurin eines großen Magazins in Indonesien ist. Sie habe lieber BWL studiert – um dann über einen Nebenjob als Producerin 2000 doch bei CNN zu landen. 2002 berichtete sie für den Sender über die Bombenanschläge auf Bali, 2004 über den Tsunami, der auch Aceh heftig getroffen hatte. Es folgten Stationen in Tokyo und Jerusalem, nach London ist nun Berlin an der Reihe, vorerst für drei Jahre will Shubert bleiben. „Eigentlich gilt Berlin eher als etwas verschlafener Posten, aber davon merke ich bisher nichts“, sagt sie, als sie neulich für ein paar Tage in der Stadt war, um ihr Büro im RTL-Hauptstadtstudio an der Behrenstraße weiter einzurichten. Vier Arbeitsplätze und ein kleiner Schnittraum, in der Ecke stehen zwei große, mit Mosaiksteinen verzierte Stühle aus Syrien, die sie von ihrem Vorgänger Frederik Pleitgen geerbt hat, der für CNN nun aus London berichtet.

Gerade erst feiert der Sender, der nach eigenen Angaben weltweit mehr als 395 Millionen Haushalte erreicht und zum US-Unternehmen Turner Broadcasting System gehört, sein 30-jähriges Bestehen. „24 Stunden mit Nachrichten zu füllen, ist ein hartes Geschäft“, sagt Shubert. Gerade bei großen Ereignissen wie den Anschlägen auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris, müssten die Reporter alle 15 Minuten live auf Sendung gehen. Zeit selbst zu recherchieren, bleibe da kaum. Deshalb würden ihr die Kollegen in London oder am Hauptsitz des Senders in Atlanta zuarbeiten. Umso mehr schätzt es Shubert, wenn sie, wie bei der Reportage über die Jesidinnen, mehr Zeit für eine Geschichte hat. Von Berlin aus, so hofft sie, wird beides möglich sein: Viel Live-Berichterstattung von Ereignissen in ganz Europa und dazu Gelegenheiten für ausführliche Reportagen. „Eines steht schon jetzt fest“, sagt Shubert, „langweilig wird es in Berlin für mich ganz sicher nicht.“

- "Die Jesiden: Kampf ums Überleben", Freitag, 11 Uhr 30, Samstag, 20 Uhr 30, Sonntag, 14 Uhr 30, jeweils CNN

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