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Wollen Sie diesen Mann in Ihrer Küche haben? Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg, li.) kriegt Besuch von Serienkiller Kai Korthals (Lars Eidinger).

© NDR/Philip Peschlow

Comeback von Lars Eidinger im "Tatort": Das Böse will doch auch nur geliebt werden

Im Kieler „Tatort“ kehrt Bühnenstar Lars Eidinger als großartiger Psychopath zurück - manchmal ist es aber gut, nicht alle Erwartungen zu erfüllen.

Noch mal Lars Eidinger im „Tatort“. Noch mal ein Krimi als Ausnahmezustand. Noch mal dieser fiese Typ Kai Korthals, der Psychopath, der bei seinem ersten „Tatort“-Auftritt 2012 als leicht stotternder Postbote in das Leben fremder Frauen eindrang, ihre Zahnbürsten benutzte, bestialisch tötete und am Ende sogar floh.

Wohin, weiß keiner. Jetzt ist er einfach wieder da in Kiel und macht finsterste, unmenschliche Dinge. „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ ist der erste Sequel in der Geschichte des ARD-Krimis. Noch nie kehrte im „Tatort“ ein Mörder zurück und bekam einen zweiten Aufschlag. Noch mal also ein Erfolg? Ein guter „Tatort“, ein Ausnahme-„Tatort“?

Jein. Denn dieser Krimi will zu viel. Das gilt zunächst mal für Kommissar Borowski (Axel Milberg). Der schwebt gleich zu Beginn auf Wolke sieben. Seine große Liebe und ehemalige Kollegin Frieda Jung (Maren Eggert) ist nach jahrelanger Abwesenheit genauso abrupt und unerklärlich wieder zurück in Kiel wie dieser Kai Korthals.

Borowski und Jung planen dann auch gleich mal eine gemeinsame Zukunft. Als ob sie seit 2012 nichts anderes getan hätten, als heimlich noch mehr Gefallen aneinander zu finden, wovon der „Tatort“-Zuschauer rein gar nichts mitbekommen hat.

Oberlippenbärte gehen gar nicht

„Du bist da, wirklich und real“, säuselt Borowski seiner Liebsten beim Aufwachen ins Ohr. Immerhin, die Zuschauer lernen den knorrigen Kommissar mal von einer anderen Seite kennen. Was nicht nur am scheußlichen Oberlippenbart liegt, den Borowski in dieser Folge stolz zur Schau trägt. (Achtung, „Tatort“-Autoren: Oberlippenbärte gehen gar nicht, außer bei Ulrich Tukur vielleicht, auch nicht, wenn sie zart signalisieren sollen, der Oberlippenbartträger habe sich auch charakterlich verändert).

Zurück zu Kai Korthals, dem Psycho, der Krimi-Geschichte. Die Sache ist heftig genug, die uns der mit dem Grimme-Preis gekrönte Autor Sascha Arango aufgetischt hat. Borowski und Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) bekommen es zunächst mit einer verwirrten jungen, innerlich stark verletzten Frau zu tun, die am Ostseestrand in einer umfunktionierten Gefriertruhe gefunden wird. Irgendjemand hat etwas Schlimmes, etwas Unvergleichliches mit ihr gemacht.

Ihre konfusen Schilderungen lassen bei Sarah Brandt einen schlimmen Verdacht keimen: Kai Korthals hat wieder zugeschlagen. Davon will der hormonell geschüttelte Klaus Borowski erst mal nichts wissen. Bis seine neue, alte Freundin Frieda Jung in die Hände des Finsterlings gerät. Borowski sieht rot, ermittelt auf eigene Faust, schmeißt seinem Chef (Thomas Kügel) den Dienstausweis für die Füße.

Von wegen bräsig. Borowski lässt es emotional krachen, bis hin zum Showdown samt SEK in Korthals’ gruseliger Wohnung. Wie sehr der Kommissar durch den Wind ist, zeigt auch der Umstand, dass sich Borowski am Telefon mit „Ja?“ meldet, nicht wie sonst mit „Ich höre?“

Kampf Mann-gegen-Mann

Bei allen Schockeffekten, vom Hocker reißt das nicht. Klar, ein Fortsetzungsfilm birgt Gefahren: Kann ein Sequel an Nummer eins heranreichen? Anderseits, wer den Theaterstar („Hamlet“, „Richard III“), den Ausnahmeschauspieler Lars Eidinger nochmals als Serienkiller bekommt, greift zu.

Es ist verständlich, dass sich der NDR – nach dem Furor von „Borowski und der stille Gast“ aus 2012 – die Antwort auf die Frage „Wann und wie kehrt der gruseligste Mörder der ,Tatort‘-Geschichte zurück?“ nicht entgehen lassen möchte. Mit Claudia Garde hat man eine Regisseurin gewonnen, die der absehbaren, auf einem Kampf Mann-gegen-Mann zulaufenden Geschichte mit Faible für schwarzen Humor, Spiel von Licht und Schatten sowie skurrilen Inneneinrichtungen diverse Reize abgewinnt.

Gerade weil hier aber hinsichtlich Lars Eidingers dämonischem Spiel alle Erwartungen erfüllt werden, jeder Raum, sogar der Fahrstuhlschacht, zur diabolischen Entfaltung genutzt wird, lässt einen dieser „Tatort“ schnell wieder los. Dabei will er so viel sein, so dräuend, so unheimlich.

Korthals/Eidinger guckt fies, Korthals/Eidinger spricht direkt mit dem Zuschauer, Korthals/Eidinger setzt sich eine dunkle Brille auf. Das ist irgendwie overdone. So abgrundtief böse das Böse auch ist, es will doch nur geliebt werden. „Tut’s weh?“ fragt Borowski den nach einem Baucheinstich stark blutenden, sich am Boden krümmenden Psychopathen. Ja, das tut es.

„Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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