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„Wie begrüßen sich Kommunisten?“ Gregor Gysi (rechts) ist einer der ersten Gäste im neuen Fernseh-Talk mit Christian Ulmen alias Uwe Wöllner. Foto: RBB

© rbb/David Gruschka

Comedy: CSI Karl-Marx-Allee

Christian Ulmen ist wieder Uwe Wöllner. Gregor Gysi ist der einzige Politiker, der sich in die Talk-Hölle dieses sexbesessenen Nerds gewagt hat.

Dass sich Talkshows bei aller Häufigkeit über ihre Gästeliste kaum Gedanken machen müssen, gehört zu den Gesetzmäßigkeiten dieses Fernsehformats. Talkshows sind bei Zuschauern, Prominenten und Politikern gleichermaßen beliebt. Wer Gelegenheit hat, bei Maybrit Illner oder Anne Will einen Teil seiner Parteilinie herunterzubeten, nimmt die Einladung gerne an und lässt sich eine Woche später auch noch ungebetene Fragen von Frank Plasberg zum selben Thema gefallen. Bei den boomenden Talk-Formaten mit Comedians und Kunstfiguren wird das mit den Gästen, der Eitelkeit und der Motivation schon ein bisschen komplizierter. Was beispielsweise treibt einen Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken im Bundestag, in die total sinnentleerte Show „Uwe Wöllner wills wissen“, die der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ab Freitag um Mitternacht ausstrahlt?

Nicht nur Fans im Internet dürften es wissen: Hinter Uwe Wöllner steckt der Schauspieler, Moderator und Entertainer Christian Ulmen. Dessen Kunstfigur Wöllner ist 34 Jahre alt, ehemaliger Bestatter, Bestsellerautor („Für Uwe“), nach eigener Aussage „derzeit verwitwet“. Dieser erfundene, nervige Typ wohnt in Berlin in der Karl-Marx-Allee, ein verklemmter Brillenträger in einem mit Nacktpostern und fettfleckigen Sesseln vollgestopften Kinderzimmer, der, so Ulmen, „aufklären will über das, was die Welt jetzt mal wissen will, wie entsteht Krieg, wie backt man Brot und was war eigentlich der Unterschied zwischen der Stasi und CSI Miami?“

Fernsehen hat einen komplett fiktiven Charakter bekommen, hat Roger Willemsen mal gesagt, das seltsam-subversive Talkwesen Ulmen/Wöllner ist der beste Beweis dafür. Vielleicht zeugt es für die Strahlkraft eines offenbar mit ernsten Absichten gekommenen Gregor Gysi, sich auf Fragen eines pummeligen PC-Freaks einzulassen à la „Wie begrüßen sich Kommunisten?“ oder „Kann man den Taliban nicht einen Kompromissvorschlag machen: keine Musik nach 22 Uhr?“ Vielleicht aber auch für die schlechte Koordination seines Referenten, der seinen Chef statt des Talks bei einer blödelnden Kunstfigur doch lieber bei „Hart aber fair“ oder zumindest mal bei Harald Schmidt untergebracht hätte. Allein das Gesicht Gregor Gysis’ lohnt das Aufbleiben heute Nacht bei Wöllner. Das alles, wohlgemerkt, in einem Zimmer voller Nacktposter und Fettflecken.

Sechs Folgen à 30 Minuten will der RBB in dieser Art ausstrahlen, begleitend dazu laufen die Gespräche von Uwe Wöllner auch beim Berliner Radiosender Fritz. Ein schönes Betätigungsfeld für den Schauspieler Christian Ulmen, dessen – nicht nur subversive – Künste nach diversen Kinofilmen und Fernsehpreisen für „Mein neuer Freund“ oder „Dr. Psycho“ nicht weiter gerühmt werden müssen. Am 11. November startet Ulmen auf ZDFneo mit „Die Snobs“, eine Adaption der Webserie, die Ulmen für das Telekom-Video-Portal „3min“ herstellt.

Die Rolle des Uwe Wöllner stammt aus der ehemaligen MTV-Reality-Sendung „Mein neuer Freund“. Sicher, „Uwe Wöllner wills wissen“ hat durchaus Längen. Vom RTL-Strahlemann Marco Schreyl muss man nicht unbedingt wissen, wo er sich sonst noch rasiert. Unterhaltsamer da schon die gespielte Verzweiflung von Regisseur Leander Haußmann („Warum sitze ich hier?“) oder die Schlagfertigkeit von Schauspieler Lars Eidinger, der auf Wöllners Frage, was er denn cool am Nacktsein im Theater finde, antwortet: „Warst du überhaupt schon mal im Theater?“ Schön auch das Kulturgeplänkel mit Kulturmoderator Dieter Moor, der sich bei Wöllner auf eine Debatte über Sigmund Freud und Moors ARD-Sendung „Titel, Thesen und Temperamente“ einlässt, die sich aus Wöllners Sicht natürlich ganz anders anhört, titelmäßig.

Gregor Gysi ist der einzige Politiker, der sich in die Talk-Hölle dieses sexbesessenen Nerds gewagt hat und wahrscheinlich tat ein bisschen Abwechslung nach dem Stress mit der Linken-Parteispitze auch mal gut. Eine Vorschlagsliste für die unbedingt notwendige Fortsetzung von „Uwe Wöllner wills wissen“: Sigmar Gabriel, Thilo Sarrazin und Roland Koch.

„Uwe Wöllner wills wissen“, Freitag,

RBB, 0 Uhr

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