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© WDR

Comedy: Politik! Kultur!

Harald Schmidt gönnt sich mit seiner neuen Solo-Show die Rückkehr zum klassischen Late-Night-Format. Für Oliver Pocher hat "Dirty Harry" kein gutes Wort mehr übrig.

Bei „Harald Schmidt“, sagt Harald Schmidt, kommt Boulevard in Zukunft nur noch am Rande vor. Serien-Sternchen und zweitklassige Schauspieler als Gäste? „Das ödet mich zutiefst an.“ Und wer an seiner neuen ARD-Show Spaß haben will, der müsse Leitartikel gelesen haben oder wenigstens wissen, was die Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer einst groß gemacht hat. „Ich habe mir als neuen subversiven Akt vorgenommen, mal den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ernst zu nehmen“, sagte Harald Schmidt am Mittwoch bei der Vorstellung seines Late-Night-Neustarts in Köln. Es geht also ab 17. September um: Politik! Kultur! Ohne Oliver Pocher gibt Schmidt den Trendsetter zur neuen Ernsthaftigkeit. Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Schon komisch.

Die ARD verkauft die 45 Minuten, in denen Harald Schmidt an jedem Donnerstagabend um 22 Uhr 45 die Themen der Woche seziert, als „Crossover von ,Tagesthemen’ und ,Switch reloaded’ – von einem, der das Fach Kabarett und Satire wirklich beherrscht“ (WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff). Dass das Experiment mit Pocher als Verjüngungsmittelchen wenig hilfreich war, dazu kein Wort. Schmidt, angesprochen auf seinen Ex-Partner, spielte ein bisschen „Dirty Harry“: „Wir leben ja im Darwin-Jahr. Sie müssen sich mit Viren infizieren, die vielleicht tödlich sein können, dann entsteht eine neue Art.“ Vom Pocher-Virus befreit, gibt er nun den elitär angehauchten Gesellschaftskritiker, für den Premieren des Burgtheaters genauso wichtig seien wie der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan.

Das Chamäleon Schmidt wechselt mal wieder die Farbe, aber bleibt sich in seinem doppelbödigen Humor treu. Keiner lobt so vernichtend wie er. Bei der Dienstwagen-Affäre sei er sofort auf der Seite von Ulla Schmidt gewesen, sagte er und wetterte über den „Druck des Mobs und Pöbels“. Er bewundere es, dass es überhaupt noch Menschen gebe, die in die Politik gingen. Der Bundestagswahlkampf sei nicht langweilig, sondern wohltuend sachlich. Im Übrigen sei es für ihn eine zentrale Aufgabe, den Kapitalismus zu verteidigen. Erster Gast ist Trigema-Chef Wolfgang Grupp, in der zweiten Sendung folgt Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles. Und das ist die gute Nachricht: Ohne Pocher rückt der grau gewordene Maestro wieder stärker ins Zentrum seiner Late-Night-Show. Schmidt besinnt sich auf das klassische Format mit Stand-Up-Einlage, einem Gast, etwas Musik und mit dem Moderator am Schreibtisch in einem leicht veränderten Bühnenbild. „Bei uns gehen die Themen durch mich durch“, erklärte Schmidt, was die Themenlieferanten durchaus als Drohung verstehen dürfen. Dass er irgendwie müde geworden sein könnte, stritt er ab: „Bei mir ist der Wunsch, Blut zu trinken, wieder da.“

Als Helfer haben sich Schmidt und sein Produktions-Kompagnon Fred Kogel einige alte Bekannte und Nachwuchsköpfe an die Seite geholt. Aus alten Sat-1-Tagen werden Politprofi Doktor Udo Brömme, gespielt von „Harald Schmidt“-Redaktionsleiter Ralf Kabelka, und Bandleader Helmut Zerlett zu sehen sein. Für Einspieler und Live-Schalten sorgt ein vielversprechendes Team aus Katrin Bauerfeind, Jan Böhmermann, Caroline Korneli, Pierre M. Krause und Peter Richter. Bauerfeind hat es von einer Internet-Stilikone („Ehrensenf“) zu einer gewitzten Moderatorin auf diversen Plattformen gebracht. Kulturkritiker Richter beherrscht als Autor der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) auch das Medium Videoblog. WDR-Komiker Böhmermann störte das Sommermärchen 2006 mit einer Lukas-Podolski-Parodie. Korneli erfreut durch erfrischende Kurz-Reportagen bei MTV. Krause ist beim Südwestrundfunk ein fleißiger und frecher Programmkopf. Und gemeinsam hat das Trio Böhmermann/Korneli/Krause bei RTL im Comedy-Format „TV Helden“ Furore gemacht, als sie den ersten türkischen Karnevalsverein gründeten. Als Produzent der „TV Helden“ kehrt übrigens Friedrich Küppersbusch, einst selbst Hoffnungsträger („Zak“) der immer um jugendliche Frische ringenden ARD, durch eine Nebentür zurück ins Late-Night-Geschäft. Die größte Last der Hoffnung trägt nun wieder Harald Schmidt allein, „ein sehr demütiger Mitarbeiter der ARD“. So nannte ihn in Köln ARD-Programmchef Volker Herres, was nur ein doppelbödiges Lob gewesen sein kann. Der Sender dankt es Schmidt mit einem gewiss demütig ausgestatteten Zwei-Jahres-Vertrag.

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