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Medien: Da ballt sich was zusammen

"Sie erleben die Geburt eines neuen Werbeträgers." Jochen Weiler hat sich warm geredet.

"Sie erleben die Geburt eines neuen Werbeträgers." Jochen Weiler hat sich warm geredet. Wie es sich für einen guten Verkäufer gehört, demonstriert er Begeisterung. Der 36-Jährige residiert mit einem kleinen Team in einem properen, aber unscheinbaren Hinterhaus am Rande des Düsseldorfer Hofgartens. Von hier aus vermittelt der Verkaufsleiter aus dem Kirch-Unternehmen Seven One Media die Werbezeiten von zehn Ballungsraumsendern.

Nach dem Start von tv.nrw im letzten Oktober haben bis auf Hessen, wo noch keine Lizenzen vergeben sind, alle bisher geplanten Sender das Licht der Welt erblickt. Es war eine schwere Geburt. Nicht zuletzt, weil bisher keiner der Sender die Farbe Rot aus den Büchern tilgen konnte. "Es ist sicher noch kein profitables Geschäft", bestätigt Christian Böhmer, der als Geschäftsführer der Kirch-Sender TV.Berlin, tv.münchen und Hamburg 1 ab 2004 schwarze Zahlen schreiben will. Dank tv.nrw aus dem einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen erreicht die Arbeitsgemeinschaft Ballungsraumfernsehen nach eigenen Angaben 33 Millionen potenzielle Zuschauer über 14 Jahre. "Sehr positiv" findet Böhmer die Entwicklung.

Neben tv.nrw und Kirchs Sendern hatten sich dem Vermarkter weitere Veranstalter in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und dem Saarland angeschlossen. Bisher bringt das den Sendern zumindest eine gewisse Erlösgarantie. Allerdings muss jeder Sender selbst für den Verkauf von Spots sorgen, wenn diese ausschließlich im eigenen Programm laufen sollen. Laut Böhmer macht diese regionale Vermarktung bei den drei Sendern noch einen Anteil von 70 bis 80 Prozent aus. In einigen Jahren soll dieser Anteil deutlich geschrumpft sein. Bis dahin muss die bundesweite Vermarktung durch Seven One Media - bisher werden Werbeumsätze in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet - auf Touren gekommen sein.

Verkaufsleiter Weiler, so scheint es, macht sich fröhlich an diese Aufgabe. Der stattliche Ex-Footballer, der während seiner Studienzeit in den USA als Defensivspezialist in der College-League unter den Gegnern aufräumte, hat es nicht all zu schwer; Kirch verwaltet ja de facto ein Monopol. Der Vorteil: Seven One Media kann der Werbewirtschaft durch den Zusammenschluss der Sender verschiedene Kombinationen anbieten. Am beliebtesten ist das Deutschland-Network. Wer das bucht, dessen Werbespot wird in allen Ballungsraumsendern ausgestrahlt. Dahinter folgen mit einigem Abstand das Metropolen-Network, bestehend aus den drei genannten Kirch-Sendern, und das Ost-Network. Hier werden TV.Berlin und Sachsen Fernsehen zusammengeschaltet, was die Möglichkeit eröffnet, Markenartikel speziell im Osten zu bewerben.

Um von der bundesweiten Vermarktung zu profitieren, mussten die Sender freilich ihre Programmstruktur aufeinander abstimmen: Sport, auch wenn es regional unterschiedliche Sendungen gibt, läuft überall zur selben Zeit. Und für das abendliche Unterhaltungsprogramm auf allen Kanälen sorgt seit einem halben Jahr die Entertainment Factory aus Pullach, die dem früheren Pro-7-Unterhaltungschef Oliver Mielke gehört. Formate wie die "WiB-Schaukel" (Prominenten-Interviews mit Wigald Boning), "EigenARTig" (Kultursendung mit Sabrina Staubitz) oder "Blondes Gift" (mit Barbara Schöneberger) sollen junges, urbanes Publikum an die Sender binden. Sichere Zahlen über den Erfolg oder Misserfolg der Programmreform gibt es allerdings nicht, da sich die Sender nicht von der GfK messen lassen. Dass jedoch gerade die dritten Programme der ARD in den letzten Jahren zu den Gewinnern im Kampf um Marktanteile gehören, lässt nichts Gutes vermuten. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen: Dort holen die WDR-Regionalprogramme Marktanteile von bis zu 20 Prozent. Seit knapp einem Jahr bietet der WDR zudem zwei Metropolenfenster in Köln und Dortmund an. Konkurrent tv.nrw darf bisher zum Ärger seiner Gesellschafter nur ein landesweites Programm über Kabel ausstrahlen. Metropolenfernsehen wird privaten Sendern erst nach einer Gesetzesänderung erlaubt sein, die in diesem Jahr den Landtag passieren soll. "Wir sind hier deutlich im Nachteil", sagt tv. nrw-Chef Jörg Schütte, "aber der WDR hat uns durch den Erfolg seiner Regionalprogramme auch Mut gemacht."

Die eigenen regionalen Informationen konzentrieren sich vor allem auf eine halbe Stunde Nachrichten in "NRW aktuell", die zwischen 17 Uhr30 und 19 Uhr30 gleich vier Mal gezeigt werden und auch zu einem nicht unerheblichen Teil nationale News umfassen. "Nicht konkurrenzfähig", freut sich Harald Brand, Chef der WDR-Regionalprogramme. Dennoch hat tv.nrw seinen Zweck bereits erfüllt. Die örtlichen Verlage wollten sich lästige Konkurrenten auf dem regionalen Werbemarkt, den sie mit Tageszeitungen und als Betreiber der Privatradios weitgehend beherrschen, vom Hals halten. Dann schon lieber selbst investieren - die Landesanstalt für Rundfunk tat ihnen den Gefallen, sie erteilte Lizenz und Kabelplatz. So befindet sich der neue Werbeträger in altbekannter Hand: Jeweils 30 Prozent gehören dem WAZ-Konzern, der "Rheinischen Post" und der apm Medien Agentur von DuMont Schauberg ("Kölner Stadt-Anzeiger"). Die übrigen zehn Prozent sind wieder zu haben, weil der Berliner Unternehmer Theo Baltz einen Tag vor Sendestart absprang. Über die Dortmunder Tochterfirma MediaConsult hatte Sabine Christiansens Noch-Gatte zeitweise 30 Prozent an tv.nrw gehalten. Im Gegenzug sollten die regionalen Eigenprogramme von tv.nrw in den Baltz-eigenen Studios produziert werden. Daraus wurde nichts; die eigenen Mitgesellschafter stachen das Medienkontor aus. Die Produktionsfirmen der Verlage waren womöglich darauf angewiesen, weil der WDR etwa an die apm keine Aufträge mehr vergab. "Wir bezahlen doch nicht unsere Konkurrenz", sagt Brand.

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