zum Hauptinhalt

Medien: „Da muss man doch Verdacht schöpfen“

RBB-Verwaltungsratschef Hartmann Kleiner über die ARD, Schleichwerbung und anonyme Anzeigen

Herr Kleiner, vom Schleichwerbungsskandal in der ARD zeigt sich der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks furchtbar entsetzt. Wie reagieren Sie als Vorsitzender des RBBVerwaltungsrates?

Wir werden die Situation in der nächsten Sitzung des Verwaltungsrats am 15.August mit der Geschäftsleitung erörtern. Der RBB ist von den Vorgängen, die gegenwärtig diskutiert werden, nicht unmittelbar betroffen. Der RBB ist nicht Gesellschafter der Bavaria. Im Übrigen gilt für den RBB der Grundsatz, dass Programm und Werbung strikt voneinander zu trennen sind. Und an diesem Grundsatz muss sich natürlich alles messen lassen.

Sie sind seit Jahren Chef des Verwaltungsrates. Haben Sie die bekannt gewordenen Praktiken von Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk überrascht?

Ja. Ich bin davon ausgegangen, dass in den Anstalten hinreichende Vorkehrungen getroffen worden sind, um solche Situationen zu verhindern. Ich kann im Augenblick nur über die Vorkehrungen beim RBB sprechen. Beim RBB ist die Verpflichtung des Produzenten, keine Schleichwerbung durchzuführen, Bestandteil des Vertrages. Eine erste Prüfung der Geschäftsleitung hat ergeben, dass bei den fiktionalen Programmen solche Vorgänge offenbar unterblieben sind. Diese Überprüfungen dauern an. Unabhängig davon muss sicherlich jede Anstalt sich überlegen, ob die Vorkehrungen zur Vermeidung solcher Vorgänge künftig zuverlässiger erfolgen können.

Was kann ein Vorsitzender des Verwaltungsrates wirklich kontrollieren?

Im Grunde genommen ist er wie jeder Aufsichtsrat erst mal angewiesen auf die Berichte der Geschäftsleitung. Dann hat er zwei Möglichkeiten. Die eine ist, die Plausibilität der Darlegungen nachzuprüfen. Das andere Instrument ist die Nachfrage. Die Verwaltungsräte erhalten ja sämtliche Berichte der Innenrevision. Und die Verwaltungsräte können das Tätigwerden der Innenrevision anregen.

Reicht das aus?

Nehmen Sie eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die regelmäßig die Jahresabschlüsse eines Unternehmens prüft. Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist darauf angewiesen, welche Unterlagen ihr zur Verfügung gestellt werden. Sie kann nur die Plausibilität prüfen und feststellen, ob die Dinge nach menschlichem Ermessen richtig laufen. Das ist das Problem aller Kontrollgremien. Im Augenblick wird die Überlegung diskutiert, ob man nach dem Vorbild in der Privatwirtschaft auch im RBB die Möglichkeit einer anonymen Anzeige gegenüber der Innenrevision einführt. Eines kann ich mir nicht vorstellen, dass solche Verfahren, wie sie ja etwa beim Mitteldeutschen Rundfunk gegenwärtig sich zu einem Skandal ausgeweitet haben, dass die nun über Jahre passieren, ohne dass nicht doch der eine oder andere Mitarbeiter Verdacht schöpft.

Was meinen Sie genau mit „anonymer Anzeige“?

Wenn man eine Möglichkeit schaffen würde, dass ein Mitarbeiter, der Verdacht schöpft, den Verdacht äußern kann, ohne dass er dafür belangt wird.

Brauchen die öffentlich-rechtlichen Sender nicht dringend das Geld aus dem Product Placement zur Finanzierung einzelner Programme?

So wie ich das im Augenblick sehe, haben ja die Einnahmen aus dieser Schleichwerbung jeweils die Produzenten, die von dem öffentlich-rechtlichen System beauftragt worden sind, in ihre Taschen fließen lassen. Ich habe nicht das Gefühl, dass dadurch die Preise, die die ARD für diese Sendung hat bezahlen müssen, geringer geworden sind. Hier haben sich offensichtlich die Produzenten zusätzliche Einnahmen verschafft.

Sie halten es für ausgeschlossen, dass eine Ratgebersendung, die 10000 Euro in der Produktion kostet, plötzlich nur 8000 Euro kosten darf? Und der Redakteur sagt zum Produzenten, das muss aber nach 10000 Euro aussehen, worauf sich der Produzent via Placement die fehlenden Mittel holt.

Das hieße ja, dass das öffentlich-rechtliche System auf solche Schleichwerbungseinnahmen angewiesen sei. Klar ist, dass bei der künftigen Vertragsgestaltung zwischen Sender und Produzent solche Fälle unbedingt ausgeschlossen gehören.

Es muss nicht immer Placement sein. Das Instrument der Produktions-Beistellung, also Autohersteller stellt Autos zur Verfügung, existiert ja. Ein Problem?

Nein. Wir leben in dieser Welt und wir können ja nun nicht anfangen immer auszuradieren, ob ein Füllfederhalter von Mont Blanc ist oder von Geha, sondern der Füllfederhalter wird halt benutzt. Was hier nicht akzeptabel ist, dass für die Darstellung der Lebenswirklichkeit Geldleistungen oder andere geldwerte Leistungen erfolgen. Das würde Programm und Werbung vermischen.

Die ARD hat sich ein Schattenreich von Töchter- und Enkelfirmen erschaffen. Nehmen wir mal die Degeto, die den Vertrag mit Harald Schmidt abgeschlossen hat. Haben Sie da Einblick?

Nein. Da sind wir innerhalb der ARD-Gremien in einer sehr tiefgehenden Diskussion, welche Vorschläge wir künftig für die Kontrolle der ARD-Tochterfirmen machen werden.

Das heißt, der Degeto-Vertrag war eine sehr geschickte Konstruktion der ARD, um den finanziellen Umfang zu verschleiern.

Wichtig wird sein, die Binnenkontrolle so zu organisieren, dass jeder Gebührenzahler sicher sein kann, dass dieser Programmauftrag so verwirklicht wird, dass es keine Verletzungen des Rechts und des Anstandes gibt. Ich schließe nicht aus, dass diese Binnenkontrolle Teil des neuen Rundfunkstaatsvertrages wird.

Das Interview führte Joachim Huber.

Dr. Hartmann Kleiner ,

62, seit 2003 Vorsitzender im Verwaltungsrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Kleiner war seit Januar 1983 Mitglied des SFB-Rundfunkrates.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false