zum Hauptinhalt

Medien: Das andere Leben

Christina Tilmann über die neue Stasi-Debatte

Seltsame Koinzidenz. Da kommt in dieser Woche mit „Das Leben der anderen“ ein Spielfilm ins Kino, der von Stasi-Überwachung erzählt. Die Verhöre im Untersuchungsgefängnis, der Lauscher auf dem Dachboden, der Druck auf IMs, das ganze System aus Terror, Verfolgung und Angst – alles beklemmend realistisch nachempfunden. Der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck: ein Absolvent der Münchner Filmhochschule, der das Stasi-System nur aus Recherchen und Erzählungen kennt. Und dem daher schon im Vorfeld Recherchefehler vorgeworfen werden. Der Dachboden, in dem sich Ulrich Mühe als Überwacher einnistet: viel zu ordentlich, viel zu aufgeräumt. In der DDR hätten hier Wäscheständer und Sperrmüll gestanden. Und die Dramatiker- und Schauspielerbohème, die er bespitzelt: viel zu ängstlich, zu konspirativ. Ihre verbotenen Manuskripte hätten sie in der „Ständigen Vertretung“ leichter loswerden können.

Und dann gab es letzte Woche eine Diskussion über die Gestaltung des Umfelds der Gedenkstätte im ehemaligen StasiGefängnis Hohenschönhausen (siehe Seite 10). 300 Gäste sind anwesend, viele ehemalige Stasi-Mitarbeiter, Tenor der Diskussion: So schlimm war das Stasi-Gefängnis doch gar nicht. Häftlinge hätten sich ganz gern hierher versetzen lassen. Und Berlins PDS-Kultursenator Thomas Flierl, aufgewachsen in der DDR-Kulturszene, der eine Stasi-Akte hat und von sich sagt, selbst „Gegenstand operativer Personenkontrollen“ gewesen zu sein, steht dabei und interveniert nicht, entschuldigt sich später, er habe die Diskussion „nicht genügend offensiv“ geführt.

Die Westdeutschen, auch Dominik Graf mit seinem Mauerbau-Liebesfilm „Der Rote Kakadu“, malen sich ihre DDR im Spielfilm aus, die Ostdeutschen stecken noch mitten in der Geschichte fest? So einfach ist es nicht, mit dem Blick von außen und innen. Es gab zum Thema Stasi Dokumentarfilme wie Marc Bauders und Dörte Frankes „Jeder schweigt von etwas anderem“, der gerade im Panorama der Berlinale lief. Es gab auch Eyal Sivans beklemmende Stasi-Innenansicht „Aus Liebe zum Volk“. Und es gibt jene Gedenkstätte Hohenschönhausen, in der ehemalige Häftlinge bei der Führung erzählen, was sie dort erlebt und erlitten haben. Alles nicht so schlimm gewesen? Thomas Flierl braucht nicht einmal ins Kino zu gehen. Er weiß doch, wie es war.

-

Zur Startseite