zum Hauptinhalt

Medien: "Das hat RTL toll gemacht"

Martin Hoffmann, 41, ist seit November 2000 als Geschäftsführer für das Programm von Sat 1 verantwortlich. Zuletzt hat er Jürgen von der Lippes "Blind Dinner" nach nur zwei Folgen aus dem Programm genommen.

Martin Hoffmann, 41, ist seit November 2000 als Geschäftsführer für das Programm von Sat 1 verantwortlich. Zuletzt hat er Jürgen von der Lippes "Blind Dinner" nach nur zwei Folgen aus dem Programm genommen. Der Berliner Sender, der zur ProSiebenSat 1-Media AG gehört, Hauptaktionär ist die Kirch-Gruppe, steht vor schweren Zeiten. Sollte sich die Entwicklung der ersten elf Monate fortsetzen, wird Sat 1 das Jahr 2001 mit roten Zahlen abschließen.

Herr Hoffmann, seit einem Jahr sind Sie als Geschäftsführer für das Programm von Sat 1 verantwortlich. Was würden Sie sagen: Fluch oder Segen?

Ein Segen, bei dem man manchmal auch fluchen muss.

Für Sat 1 wohl eher weniger. Wie es aussieht, werden Sie dieses Jahr mit tiefroten Zahlen abschließen.

Abgerechnet wird immer noch am Schluss, also am Jahresende. Soviel Geduld müssen sie schon haben.

Aber es sieht nicht besonders gut aus. Sat 1 ist zurzeit der große Verlierer unter den deutschen Fernsehsendern.

Das sehe ich nicht so. Wir haben im aufgelaufenen Jahr 0,3 Prozentpunkte weniger Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49jährigen erreicht als im Vorjahr und ein starker Dezember liegt noch vor uns. Es gibt Sender, die haben richtig verloren. Wir nicht. 2001 war für uns ein Jahr der Neuausrichtung und der Integration in eine Senderfamilie. Wer viel Neues wagt, kann dabei auch mal danebenliegen. Auch das habe ich in diesem Jahr erlebt. "Sag Ja!", "Was guckst Du?" und "Richter Alexander Hold" waren erfolgreiche Neustarts. Von "Girlscamp" oder "Blind Dinner" kann man das nicht behaupten. "Der Tunnel", "Antonia" und der "Tanz mit dem Teufel" waren unbestrittene Erfolge. "Wambo" zum Beispiel ist eine herausragende Produktion, die dann damit leben musste, von den Medien erst bejubelt und dann nach der Ausstrahlung als Misserfolg bezeichnet zu werden, weil die Quote eher bescheiden war.

Ein guter Film, aber leider ohne Markterfolg. Und nur das zählt am Ende.

Man muss probieren und wagen. Die Spitzen in der Programmqualität deutscher fiktionaler Produktion sind bei uns zu sehen. Auch das ist ein Wert, übrigens für die ganze Branche.

Sie können aber schön Schönreden.

Ich bin Realist. Wir probieren aus, manches läuft, manches nicht.

Erfolg kennt nur eine Richtschnur: die Quote.

So ist es. Aber es ist auch ein Erfolg, wenn über Produktionen wie "Wambo" positiv gesprochen wird. Zurzeit ist jede Programm-Innovation ein Risiko, weil die Menschen sich auf das rückbesinnen, was sie kennen. Das ZDF hat "Drei Freunde fürs Leben" wieder ins Programm genommen, groß aufgefallen ist es niemandem. Das Ergebnis: 18 Prozent Marktanteil. So geht das heute.

Sie haben in letzter Zeit einige Nackenschläge wegstecken müssen.

Ich nehme an, Sie meinen die Absetzung von Jürgen von der Lippes "Blind Dinner".

Auch. Und "Krankenhaus Lichtenberg". Abgesägt wie "Blind Dinner".

Jürgen von der Lippe hat ganz einfach nicht so eingeschlagen, wie wir uns das vorgestellt hatten. So etwas kommt vor.

Haben Sie mit der Absetzung nach nur zwei Folgen nicht etwas panisch reagiert?

Wir senden nicht gegen, sondern für Zuschauer, und die haben ein eindeutiges Veto abgegeben.

Wollen Sie die elf Folgen, die Sie vorproduziert haben, noch zeigen?

Ja, es hat sie ja noch niemand gesehen.

Können Sie von der Lippe bei Sat 1 denn überhaupt halten?

Ja. Warum nicht? Er ist schließlich einer der besten Entertainer, den wir in Deutschland haben.

Ist von der Lippe jetzt sauer auf Sie?

Nein, gar nicht. Wir sind zwar keine Freunde fürs Leben geworden, aber wir kommen gut miteinander aus. Im Dezember moderiert er für uns die Comedy-Gala. Sie sehen, es geht weiter.

Was werden Sie Weihnachten senden?

Wir werden am Nachmittag "Winnetou" und am Abend die alten "Sissi"-Filme zeigen, in neuem digitalem Glanz. Der Zuschauer will Klassiker und Marken. Und "Sissi" ist ein Klassiker.

Unruhige Zeiten erfordern ruhige Programme?

Der Zuschauer will ein Programm, das er kennt. Er will sich darin wohlfühlen. Das Programm selbst muss nicht ruhig sein.

Aber ein gutes und schönes Ende, das muss schon sein.

Bei großen fiktionalen Produktionen brauchen wir einen positiven Schluss. Oder zumindest einen Helden mit einer positiven Botschaft.

Sat 1 will ein "moderner Familiensender" sein. Was, bitte, ist das?

Wir haben ein klares Profil. Jedes einzelne Programm von Sat 1 soll emotional berühren, faszinieren, den Zuschauer packen. Vom Frühstücksfernsehen bis zu Harald Schmidt erreichen wir die ganze Familie. Sat 1 steht für polarisierendes Fernsehen, das ist die allumfassende Klammer. Wir sind der Sender mit den großen Eigenproduktionen, der Sender, der Klassiker hat wie "Der Bulle von Tölz". Wir haben bisher 235 Folgen "Für alle Fälle Stephanie" ausgestrahlt. Wir sind ein Sender, der innovativ ist, experimentierfreudig und leidenschaftlich: Das ist unser Kern.

Haben Sie nicht am 11. September eine Chance verpasst, als Sie RTL die große Information überließen?

RTL hat das toll gemacht, sicher. In der Information ist Kontinuität das Wichtigste. Die hatten wir in der Vergangenheit nicht immer. Das war sicher nicht sehr hilfreich. Aber für die Berichterstattung am 11. September müssen wir uns nicht verstecken. Wir haben live aus Washington vom Weißen Haus gesendet. Wir waren ganz nah dran, an dem was die Menschen bewegt hat.

Ihr Sender ist in der ProSiebenSat 1-Media AG einer unter vielen. Können Sie überhaupt irgend etwas bewegen?

Natürlich. Ich entscheide, was wir produzieren und was wir wann ausstrahlen.

Ist das auch die Wahrheit?

Natürlich, nichts als die ganze Wahrheit. Sie sind doch hier beim Fernsehen.

Zitat: "In den vergangenen fünf Jahren sind die Marktanteile von Sat 1 kontinuierlich gefallen. Der Sender wurde überverkauft. Die Werbekunden waren eigentlich immer enttäuscht." Hört sich an wie ein Todesurteil.

Das ist aber nicht von mir.

Nein, das ist von Ihrem Chef, Urs Rohner, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat 1-Media AG.

Werbezeit ist ein begrenztes Gut. Unsere Verkäufer haben dann den besten Job gemacht, wenn wir ausverkauft sind. Mehr geht nicht.

Wird Sat 1 ausverkauft?

Wir arbeiten dran - natürlich im Hinblick auf die Werbezeit. Die Struktur für die nächsten Jahre steht. Es wird keine weitere Verlagerungen geben. Und: Sat 1 bleibt definitiv in Berlin.

Herr Hoffmann[seit einem Jahr sind Sie als Gesch&]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false