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Medien: „Das ist doch kein Krieg“

Adam Michnik, Gründer der liberalen „Gazeta Wyborcza“, über deutsch-polnische Medienhysterien

Angela Merkel oben ohne, Schröder mit Naziuniform und Polens Präsident als Kartoffel: Wieso bricht ausgerechnet zwischen diesen beiden Nachbarn immer wieder der Krieg der Satiren los?

Es gab am Anfang ja keinen Satire-Krieg zwischen Deutschland und Polen. Den Krieg hat erst unser Präsident begonnen – und das war für mich das wirklich Skurrile an der ganzen Sache, wie Lech Kaczynski darauf reagiert hat. Diese Tatsache war für mich viel skurriler als der Kartoffel-Vergleich.

Aber das Geschrei auf beiden Seiten war groß. Lech Kaczynski hat gar eine Deutschlandreise abgesagt.

Ich denke, wir sollten in diesen Sachen nicht zu sehr generalisieren. Man muss bei diesen „Satire-Kriegen“ das Augenmerk vor allem auf die handelnden Personen legen. Viele Polen sehen das Verhältnis zu Deutschland sehr abgeklärt. Auch das, was der Präsident und der ehemalige Premier Jaroslaw Kaczynski tun, wird von den Menschen mit großem Abstand bewertet. Die beiden gehen auch immer wieder meine Zeitung, die „Gazeta Wyborcza“, wegen kritischer Artikel an – aber das ist doch kein Krieg. Eines der grundsätzlichen Probleme ist, dass es in Polen noch immer Politiker gibt, die zum eigenen Nutzen die Angst der Menschen gegenüber Deutschland schüren.

Zählen da auch die Medien zu? Die Wochenzeitschrift „wprost“ zeigte eine Fotomontage mit Angela Merkels Busen und Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach in SS-Uniform.

Das war kein wirklich guter Stil. Ich mag Erika Steinbach nicht. Sie hat in der Öffentlichkeit sehr viele falsche Dinge gesagt und ist durch ihre Art überaus destruktiv. Aber die SS-Uniform war wirklich zu viel. Das war nicht sehr nett von den Kollegen und es war zu Recht ein Skandal.

Sie nehmen Erika Steinbach in Schutz?

Wissen Sie, Satire ist im Grunde eine sehr gute Sache. Auch Deutsche sagen manchmal böse Sachen über die Polen. Erinnern wir uns und an die berühmt gewordene Kartoffel-Satire. Aber ich glaube, dass die Polen zu viel über Steinbach reden, wir nehmen sie viel zu ernst.

Gehört dazu auch der polnische Regierungsbeauftragte für Deutschland, Mariusz Muszinski? In einer Studie über die Arbeit der deutschen Korrespondenten in Polen wirft er ihnen vor, der verlängerte Arm der bundesdeutschen Regierung zu sein.

Tja, Mariusz Muszinski. Ehrlich gesagt, ich halte das für einen Fall für den Psychiater. Diese Studie las sich wie aus einer anderen Epoche – als hätte sie der Generalsekretär der kommunistischen Partei in Auftrag gegeben, eine Art Propagandatext. Er strickt da an einer Art Konspirationsthese gegen Polen. Aber dieses Dokument kompromittiert den Autoren selbst. Ich kann Ihnen versichern, ich habe schon viele Studien gelesen, die zu einem ganz bestimmten Ergebnis kamen, weil sie gezielt von irgendwem bestellt worden sind. Die Kaczynski-Regierung wollte ganz einfach, dass die Polen denken, Deutschland sei von Natur aus aggressiv und ein sehr schlechter Nachbar.

Vor allem in den vergangenen zwei Jahren hatten auf beiden Seiten Verschwörungstheorien Konjunktur. Basiert das Wissen über den Nachbarn noch zu sehr auf Vorurteilen?

Wir wissen, dass Politiker sehr leicht eine ganz bestimmte Atmosphäre kreieren können. Das hat uns die Geschichte gelehrt und die besten Beispiele dafür gibt es in Deutschland. In unserer Zeitung versuchen wir immer, gegen solch dumme, aggressive und unreflektierte Propaganda anzuschreiben. Aber es gibt auch Leute in Polen, die versuchen, schlechte Stimmungen zu schüren – das macht mir in gewisser Weise Sorgen.

Sie glauben an die Wende im deutsch-polnischen Verhältnis nach der Niederlage von Jaroslaw Kaczynski? Die Deutschen hoffen ja auch, dass der nette Herr Tusk in ihnen nicht nur die hässlichen Seiten sieht.

Wissen Sie, wenn man Tango tanzen will, braucht man zwei Leute, die das wirklich tun wollen. Man muss sehr mutig sein, den Tanz zu beginnen und man muss sehr viel Verständnis für den anderen mitbringen. Das Problem zwischen Polen und Deutschen ist, dass viele Polen nicht verstehen, was die Vertreibung für die Deutschen bedeutet. Sie verstehen das nicht, weil es ein halbes Jahrhundert her ist und wir über viele Jahrzehnte nicht darüber sprechen konnten. Ich habe darüber im Grunde nur über Umwege erfahren, zum Beispiel durch die Lektüre der „Blechtrommel“ von Günter Grass. Auf der anderen Seite ist die Okkupation Polens für die Deutschen fast das Gleiche wie die Besetzung Frankreichs – aber es war nicht das Gleiche. Und nicht nur das. In Polen befürchten viele Menschen, dass nun, Jahrzehnte nach dem Krieg, auch die Erinnerung daran verblasst, wer diese Katastrophe über Europa gebracht hat. Jeder hat seinen Teil dazu getan, aber einer hat angefangen – und das darf nie vergessen werden.

Deutsche und Franzosen arbeiten seit Kriegsende an der Aussöhnung. Inzwischen ist das Verhältnis normal geworden. Wann werden wir zwischen Deutschland und Polen einen ähnlichen politischen und gesellschaftlichen Zustand erreichen?

Es gibt sehr viele deutsche und polnische Politiker, die die Aussöhnung vorantreiben. Aber ich sage immer: Die besten Ehen sind die Vernunftehen. Eine Liebe kann erlöschen, dann kommt die nächste, dann die nächste. Gefühle sind nicht konstant. Die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland werden gut sein, wenn wir viele gemeinsame Interessen haben. Deutschland und Frankreich wurden zum Motor Europas, weil beide die Gemeinschaft voranbringen wollten. Die EU war für Deutschland ein Weg aus der Isolation. Frankreich konnte seine Rolle stärken. An diesem Beispiel können sich Polen und Deutsche heute orientieren. Wir brauchen uns dabei ja nicht zu lieben, es genügt, wenn wir uns gut verstehen.

Das Interview führte Knut Krohn.

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