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Medien: Das konsumistische Manifest

Die deutsche „Vanity Fair“ will das Wochenmagazin für die junge, gutverdienende, gebildete Elite sein

Til Schweiger, ausgerechnet. Dass der Schauspieler, dessen aktueller Film „One Way“ bei der Filmkritik gar nicht gut wegkam, als „Deutschlands größter Kinoheld“ das erste Titelgesicht der deutschen „Vanity Fair“ ist, leuchtet nicht sofort ein. Ein subtiles Plädoyer für das Scheitern? Nicht in diesem Heft! Vermutlich ist es einfach nur schlechtes Timing.

Was den Verkauf der Erstausgabe des neuen Wochenmagazins, das nun doch nicht wie der „Stern“ am Donnerstag, sondern am bislang magazinfreien Mittwoch erscheint, dennoch antreiben wird, ist der Preis: ein Euro. Ein PR-Gag, klar. Der „FAZ“ verriet der „Vanity Fair“-Herausgeber und Condé-Nast-Chef Bernd Runge, dass er schnell bei drei Euro landen will. Alles andere vertrüge sich auch nur schwer mit der angepeilten Leserschaft, die Runge und der Chefredakteur Ulf Poschardt abwechselnd mit „Elite“ oder „Leistungselite“ umschreiben.

Wer „Vanity Fair“ trotz des halbnackten Til Schweiger mit Ziegenbaby im Arm kauft, der wird auf den folgenden 328 Seiten nicht enttäuscht. Einen schicken Wälzer hat Poschardts 75-köpfige Redaktion da zusammengetragen, mit großen, eleganten Bildstrecken. Was manchen männlichen Leser stören wird, aber das kennt man von Condé-Nast-Titeln nicht anders, ist die viele Werbung. Rund ein Drittel des Heftes ist mit Anzeigen für überwiegend teure Dinge zugekleistert. „Upmarket-Produkte“, sagt Poschardt, der auf der Liste der Todfeinde der „Stiftung Deutsche Sprache“ vermutlich ganz oben steht.

Zwischen den Anzeigen sieht es besser aus. „Nummer 44“ lautet die prophetische Überschrift eines großen Porträts von Barack Obama, des Bewerbers um die amerikanische Präsidentschaft (George W. Bush ist der 43. Präsident). Die Aufnahmen des schwarzen Politikers sind die besten im Heft. Kein Wunder, sie stammen von der legendären Annie Leibovitz, die auch für das amerikanische Muttermagazin fotografiert. Ein wichtiger Vorteil, erklärt Poschardt, sei, dass „Vanity Fair“ durch die erfolgreiche US-Ausgabe als Marke weltweit bekannt ist: „Das öffnet viele Türen.“

Eine der Titelgeschichten kann als Scoop bezeichnet werden: „Michel Friedman bei der NPD – als Reporter an der braunen Front.“ Ein spannender, in Ich-Form geschriebener Clash zwischen dem umstrittenen jüdischen Publizisten und Anwalt und jenen Kreide fressenden Rechtsextremen, die gerade im Osten immer mehr an Akzeptanz gewinnen. Friedman widersteht der Versuchung, seine Gesprächspartner nicht ernst zu nehmen. Über Udo Voigt schreibt er, dieser sei „der intelligenteste der NPD-Funktionäre. Seine Argumentation ist in sich schlüssig und stringent.“ Überhaupt ist das politische Ressort mit Namen „Agenda“ – die anderen drei heißen „Leute“, „Kultur“ und „Stil“ – in der Themenauswahl gut gelungen. Texte wie der von Friedman oder das bissige Porträt des Bundesumweltministers Sigmar Gabriel („Tempo 200 – dem Wald zuliebe“) machen Lust auf mehr.

Verbesserungsfähig ist die Auswahl der kulturellen Kost. Ein Interview mit Hannah Herzsprung, weil sie die „aufregendste Jungschauspielerin, die wir haben“, ist? Nicht schon wieder, denkt man beim Lesen. Auch wird sich „Vanity Fair“ überlegen müssen, welche Prominente auf Boulevardniveau reduzierbar sind und welche nicht. Der Fußballexperte Günter Netzer, zum Beispiel, der für ein Interview angefragt war, weigerte sich, wie man hört, zusätzlich für eine schicke Fotostrecke zu posieren. Das Interview soll zwar noch kommen, aber ohne Netzer als Fotomodell.

Die Redaktion, von „Gala“ bis „taz“ zusammengekauft, ist sehr jung – „bestaussehend“, japste am Montag ein großes Magazin. Dass kurz vor dem Start drei der erfahreneren Redakteure absprangen, verbucht Poschardt unter „Reibungsverluste“. Trotzdem, die Frage bleibt, ob eine sehr fähige, aber auch sehr unerfahrene Mannschaft wöchentlich ein Heft produzieren kann, das auch außerhalb der hippen, mitunter arg selbstbezogenen Berliner Mitte Leserwünsche erfüllt. Offiziell ist die Zeitschriftenbranche „total gespannt“. Einige wünschen dem fleischgewordenen Sendungsbewusstsein Ulf Poschardt eine Bauchlandung, das aber hinter vorgehaltener Hand.

„Posch Ulfardt“, als der er einmal karikiert wurde, ehemals Chef des „SZ“-Magazins, dann Kreativchef bei der „Welt am Sonntag“, ist ein Mensch mit vielen Feinden. Dass er über DJs promoviert und Bücher über Sportwagen und Coolsein geschrieben hat, wirkt auf viele so, als wolle da einer auf Teufel komm raus am Puls der Zeit sein. Politisch gibt er sich als Vordenker der gern geschmähten „Neuen Bürgerlichkeit“.

Ulf Poschardt sagt, dass er in seiner Redaktion politisch in der Minderheit sei. Fragt sich, ob er mit der Mehrheit auch so nett umgeht wie mit den Journalisten, die ihn Anfang der Woche noch einmal en groupe befragen durften. Im feinen dunkelgrauen Tuch, darunter ein blau-weiß gestreiftes Hemd und als I-Tüpfelchen ein zarter Graustich an den Schläfen, lächelte und charmierte er in einer Weise, dass selbst die unbestechliche „taz“-Redakteurin grinsen musste. Dass er auch ganz anders kann, wissen Zuschauer des „ZDF-„Nachtstudios“. Dort schlägt Poschardt regelmäßig auf alles ein, was irgendwie links ist. Dann wippt er mit den Beinen, fährt die Augenlider herunter und entschuldigt sich für seine Unterbrechungen derart von oben herab, als würde er gerade eine Hausmagd zurechtweisen: „Ändscholdigong“.

„Vanity Fair“, erklärt Poschardt, setze auf die „revolutionäre Elite“. Dazu zählt er so unterschiedliche Menschen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel („irre witzig“) und den Maler Jonathan Meese. Wichtig sei der Erfolg oder zumindest der Wille zum Erfolg.

Ob das Magazin die „sportliche“ (Herausgeber Runge) Auflage von 120 000 Exemplaren erreicht, wird man erst in ein paar Monaten realistisch einschätzen können. Bis dahin tut die Blutauffrischung dem deutschen Magazinmarkt gut. „Gala“ und „Bunte“ kommen zuweilen arg tantenhaft daher, der „Stern“ versteht sich zusehends als Ratgeberheft und „Park Avenue“, na ja. Deren Gründungschefredakteur, nach wenigen Ausgaben geschasst, ist nun „Special Correspondent“ von „Vanity Fair“, wie Poschardt mit süffisantem Grinsen erzählt.

Zum Schluss ein Hinweis an die vielen Medienmenschen, die dieser Tage leicht panisch durch die Republik telefonieren, um zu erfahren, warum sie nicht zur großen „Vanity Fair“-Premierenparty eingeladen sind: Es gibt keine. „Der Text ist meine Party“, zitiert Poschardt eine deutsche Popgruppe. Ob seine Party ihre Gäste findet, wird sich zeigen.

Marc Felix Serrao

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