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Medien: Das neue Gesetz der Serie

Der Erfolg von US-Mehrteilern bringt Bewegung in den deutschen Fernsehmarkt

Die Sat-1-Fiction-Chefin Alicia Remirez gibt sich selbstkritisch: „Wir waren bei Serien zuletzt nicht innovativ und mutig genug“, sagt sie. Wenn ein Seriensendeplatz zu füllen war, haben die deutschen Sender häufig eine in den USA und England erfolgreiche Serie ins Deutsche übertragen. So wurde aus der grandiosen US-Schönheitschirurgenserie „Nip/Tuck“ die trashige deutsche Variante „Beauty Queen“ und aus der originellen englischen Comedy „Footballers’ Wives“ die dröge Serie „Das Geheime Leben der Spielerfrauen“. Beide Formate, die auf RTL liefen, wurden schnell abgesetzt. Gerade der Kölner Sender bezahlt die eigene Ideenarmut mit einigen Flops.

Alicia Remirez von Sat 1 kündigt jetzt an, dass sich Serienautoren, -redakteure und -produzenten nun endlich wieder etwas trauen dürften. Als Beweis nennt sie die neue Sat-1-Serie „Bis in die Spitzen“ mit Jeanette Hain, Tobias Oertel, Ralph Herforth und Muriel Baumeister, die im Oktober ins Programm kommt. Die Serie habe „Signalfunktion“. Was allerdings ein wenig überrascht: Auch „Bis in die Spitzen“ hat ein ausländisches Vorbild, die BBC-Serie „Cutting It“. Immerhin dürfte es – von den beim Medienforum gezeigten Ausschnitten her zu urteilen – keine peinliche Billigkopie werden.

Dem Publikum ist es egal, woher die guten Ideen kommen. Doch, wenn möglich, schaut es nun schon seit einiger Zeit lieber die Originale. Die Pro-7-Serie „Desperate Housewives“ zum Beispiel verbreiten wirklich Verzweiflung – bei den Konkurrenzsendern. „Wir lagen zuletzt ein bisschen falsch in der Analyse“, bekennt Alicia Remirez. Nicht wie erwartet Reality-Formate und Shows räumten in der Publikumsgunst ab, sondern aufwändig produzierte US-Serien. Immerhin bleibt der Erfolg der „Desperate Housewives“ in der Konzernfamilie, die Top-Quoten von „CSI“ (RTL) schmerzen da schon mehr. Nun will der Berliner Privatsender umschwenken und nicht nur in die preiswerten Telenovelas, sondern auch wieder in Serien für die Hauptsendezeit investieren. Und sogar in eigene Ideen. „Wir entwickeln ein achtteiliges Crime-Format“, kündigt Remirez an.

Wird also die eigenproduzierte Primetime-Serie mit Anspruch wiederbelebt? Verdient hätte sie es ja. „Es ist teilweise erbärmlich, wie wenig wir die Kunstform des seriellen Erzählens nutzen“, stellt NDR-Serienchef Bernhard Gleim fest. Die originelle Vorabend-Erfolgsserie „Berlin, Berlin“ war auch in der ARD die Ausnahme. In der deutschen Ideal-Serie, findet Gleim, stehe ein Helfertyp im Mittelpunkt, der überschaubare Probleme in einem überschaubaren Umfeld löse. Und kommt ein prominentes Gesicht wie Dieter Pfaff dazu, bringen es Werke wie „Der Dicke“ zu Marktanteilen um 20 Prozent.

„Ich weiß gar nicht genau, welche Krise Sie meinen“, sagt Jan-Pelgrom de Haas, Geschäftsführer der Potsdamer Produktionsfirma Grundy Ufa, deren Auftragsbücher nun mit diversen Telenovelas gefüllt werden. „Wie in anderen Industriebereichen auch gibt es eine Polarisierung in preiswerte und teure Produkte. Alles was in der Mitte ist, dem geht es schlecht.“ Das Problem ist nur, dass es von dem in der Mitte so überreichlich gibt. So teuer wie in den USA, wo die Serie als Fernsehkönigsdisziplin gilt und wo sich Spitzenautoren dafür nicht zu schade sind, darf es hier auch in Zukunft nicht werden. Jede Episode in der letzten Staffel von „Emergency Room“ habe 13 Millionen Dollar gekostet, berichtet Carsten Fink von der Walt-Disney-Tochter Buena Vista. Das war freilich selbst NBC zu viel. Was Fink an aktuellen Beispielen vom US-Markt mitgebracht hat, lässt allerdings kein neues Spitzenformat erwarten. Immerhin bietet das Politdrama „Commander in Chief“ (ABC, ab September) einen interessanten Zugang: Geena Davis spielt darin die erste Frau an der Spitze der USA.

Noch deutlich weiter gehen manche britische Produktionen, in denen die soziale Realität hart, direkt, authentisch und manchmal auch mit bizarrem Humor dargestellt wird: Primetime-Serien, in denen die Auswirkungen der Gesundheitsreform, der Handel mit Frauen aus dem ehemaligen Ostblock oder der islamische Terrorismus in den Mittelpunkt rücken, sind in Deutschland kaum vorstellbar. Anspruchsvolle Qualität werde hierzulande eher vom Fernsehfilm erwartet, sagt Bernhard Gleim. Es sei aber wichtig, dass sich auch für Serien eine eigene Programmtradition herausbilde – wie in Dänemark. Dort legt das Fernsehen seit einigen Jahren auf eine gründliche Entwicklung der Serienstoffe, auf eine stärkere Einbindung der Autoren und eine spezielle Ausbildung für Filmhochschul-Absolventen Wert.

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