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Medien: Das verbotene Wort

Neues Gesetz schränkt Presse in Russland weiter ein

Hisbollah und Hamas tauchen in der Liste der Terrororganisationen, die die „Rossijskaja Gaseta“, das Amtsblatt der russischen Regierung, Ende letzter Woche veröffentlichte, nur in der Spalte „im Ausland verboten“ auf. Im innerrussischen Ranking dagegen fehlen sie. Umso strenger wird der Begriff „Extremismus“ dafür ab sofort gegenüber oppositionellen Gruppierungen und Medien gehandhabt.

Durch Putins Unterschrift trat am Freitag ein vom Parlament in rekordverdächtigem Tempo durchgepeitschtes Gesetz in Kraft, das den Tatbestand Extremismus um elf Punkte erweitert.

Darunter fallen ab sofort auch die „öffentliche Verleumdung von Beamten und Abgeordneten bei Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten“, sowie „Handlungen, die die gesetzlich geregelte Tätigkeit von Staatsorganen behindern“. Verstöße können mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werde.

Menschenrechtler, vor allem aber Journalistenorganisationen, sind darüber regelrecht empört: Jede Kritik an Staatsdienern, monierten Edelfedern und Talkmaster bei Radio „Echo Moskwy“ Freitagabend, sei künftig strafbar. Zensoren und andere mediale Tugendwächter gaben bereits zu verstehen, dass sie die neuen Vollmachten bis zum letzten auszureizen gedenken.

Nur Stunden nach deren Inkrafttreten untersagte Rosochrankultura, eine eigentlich für den Schutz des kulturellen Erbes zuständige Behörde des Kulturministeriums, Verlegern, Intendanten und Chefredakteuren per Rundschreiben die namentliche öffentliche Erwähnung der „National-bolschewistischen Partei“ (NBP). Hinter dem gruseligen Namen verbirgt sich ein Häuflein harmloser, meist jugendlicher Spinner, die das Regime periodisch veralbern und dadurch bisher in den Medien ähnlich häufig vorkamen wie die Kreml-Partei „Einiges Russland“. Wer dieses Verbot übertrete, warnten die Kultusbeamten, werde wegen wissentlicher Verbreitung unwahrer Informationen – und damit wegen Verleumdung – vor den Kadi gezerrt.

Bei Stalins Massenverhaftungen von vermeintlichen Regimegegnern Ende der Dreißiger hieß es: Ist der Mensch weg, ist das Problem weg. Putin Paladine glauben offenbar, das Problem sei weg, wenn das Wort weg ist. Denn um den Rubel aufzuwerten – aus Sicht der Zentralbank und der Industrie eher schädlich, weil dadurch die Inflation angeheizt und russische Exporte verteuert werden – ist Staatsdienern seit Mai auch der Gebrauch der Worte „Dollar“ und „Euro“ untersagt.

Programmchefs von Radio- und Fernseh-Sendern sind offenbar gut beraten, für Nachrichten künftig die doppelte Länge einzuplanen. Quoten-King Matwej Ganapolskij übte Freitagabend vor laufendem Mikro schon mal, wie sich die Meldung „National-Bolschewikenführer Eduard Limonow hat die neuen Sprachregelungen als staatlichen Idiotismus bezeichnet“, politisch korrekt präsentieren lässt. Heraus kam dies: „Der Führer einer Gruppe, die sich für eine Partei hält, aber keine ist, hat Staatsbeamte als Idioten bezeichnet. Das bezieht sich jedoch nur auf jene, die jetzt, um 17:25 Moskauer Sommerzeit, noch ihre dienstlichen Pflichten ausüben. Beamte, die vorfristig Feierabend gemacht haben, sind damit nicht gemeint und können daher auch keine Regressansprüche für Verleumdung geltend machen.“ Weder in monetären Einheiten, die zu erwähnen untersagt ist, noch in Nicht-Rubeln. , Moskau

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