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Der Internet-Riese benutzt eine Technologie, die in der Lage ist, private Kommunikation zu überwachen und nach bestimmten Schlüsselbegriffen zu durchsuchen. Facebook greift dabei auf ein Archiv an Chatprotokollen zurück, die sexuellen Übergriffen vorausgingen. Foto: dpa

© dapd

Datenschutz: Sinnvoll skandalös

Facebook lässt eine Spezialsoftware die Chats seiner Nutzer überwachen, um Sexualstraftäter aufzuspüren. Kritiker warnen, das Soziale Netzwerk kollidiere mit dem Grundgesetz.

Wird Facebook der globale Geheimdienst? Das soziale Netzwerk, das weltweit über mehr als 900 Millionen Nutzer verfügt, durchsucht gezielt die Daten der Mitglieder, um Straftaten zu verhindern. Wie Facebooks oberster Sicherheitschef Joe Sullivan in einem Reuters-Bericht jetezt verriet, benutzt der Internet-Riese eine Technologie, die in der Lage ist, automatisiert private Kommunikation zu überwachen und nach bestimmten Schlüsselbegriffen zu durchsuchen. Das Unternehmen greife dabei auf ein Archiv an Chatprotokollen zurück, die sexuellen Übergriffen vorausgegangen seien. Mögliche Anbahnungen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger sollen schon im Vorfeld erkannt und gegebenenfalls die Behörden eingeschaltet werden.

Dieses Programm schlägt Alarm, sollte sich ein ähnliches Gespräch in eine solche Richtung entwickeln. Facebook-Mitarbeiter überprüfen dann das Gespräch und entscheiden von Fall zu Fall, ob die zuständigen Strafermittlungsbehörden alarmiert werden. Dies soll in Florida bereits im März passiert sein. Dort hat ein 33 Jahre alter Mann versucht, sich mit einer 13-Jährigen zu treffen. Zuvor hatte der Mann mit dem Mädchen über Sex geschrieben.

Der Mann wurde verhaftet, sein Computer beschlagnahmt. Ein Vertreter der Strafverfolgungsbehörden lobte Facebook anschließend: „Die Art und Weise und die Geschwindigkeit, mit der sie uns kontaktierten, versetzte uns in die Lage, so schnell wie möglich zu reagieren.“ Doch nicht alle Unterhaltungen bei Facebook werden gleich stark durchleuchtet. So schätzt das soziale Netzwerk die Beziehung zwischen den beteiligten Nutzern ein. Geht Facebook davon aus, dass sich zwei Benutzer in der Realität nicht kennen, wird die Unterhaltung intensiver kontrolliert.

Am Ende sei man nur in der Lage, einen Bruchteil der kriminellen Absichten im Voraus zu entdecken, so der Reuters-Artikel weiter. Facebook wolle demnach vermeiden, unschuldige Nutzer zu beschuldigen. Daher dürften die Kriterien, mit denen die Gespräche kontrolliert und als gefährlich eingestuft werden, nicht zu streng sein. Facebook teilte mit, dass das Unternehmen auch in Deutschland „proaktiv“ auf die Ermittlungsbehörden zugehe, falls es von einer vermeintlichen oder tatsächlichen Straftat erfahre.

Ist das nun doch sinnvoll oder eher beunruhigend, der Einstieg in den Überwachungsstaat? Blogger Sascha Lobo sagt auf Spiegel Online, Facebook kollidiere mit dem Grundgesetz. Im Grundgesetz sei nicht umsonst das Briefgeheimnis festgeschrieben. Für die digitale Gegenwart bräuchten wir ein Telemediengeheimnis. Es ist in Wahrheit katastrophal, was der Sicherheit Minderjähriger dienen soll. Internet-Experte Burkhard Schröder erstaunt die Geschichte nicht weiter. Es ist ein – Geschäftsmodell. „Wer Facebook nutzt, weiß, das er oder sie ausgespäht wird. Der Verkauf von Daten und des Nutzerverhaltens ist bekanntlich das Geschäftsmodell von Facebook“, sagt Schröder. Google sei da auch nicht besser. „Wer eine Mail-Adresse bei Google benutzt, muss zustimmen, dass der Inhalt gelesen und die dazu passende Werbung eingeblendet wird.“ Man könnte es auch so ausdrücken, sagt Schröder: „Es ist ja mal schön, dass Facebook uns mitteilt, wenn sie uns ausspionieren.“ Er glaube nicht, dass sich eine relevante Zahl von Nutzern an der Aufzeichnung der Chat-Protokolle stören wird oder dass jetzt wieder verstärkt „Big Brother“ beschworen werden kann.

Facebook betont, dass das Chat-Mitlesen zunächst nicht von Menschen, sondern von Maschinen erledigt wird: „Wir wollten nie eine Umgebung schaffen, in der Angestellte private Kommunikation beobachten, deshalb ist es uns sehr wichtig, Technologie zu benutzen, die selten falschen Alarm auslöst“, sagt Sicherheitschef Joe Sullivan.

Die Tatsache, dass Facebook die Kommunikation auf der Plattform permanent überwacht, ist Insidern länger bekannt. Trotzdem, Kritiker sprechen von neuen, fiesen Machenschaften des Mega-Netzwerks. Empörung in Internet-Foren. Tenor: „Welche Software kommt als nächstes? Neigt jemand, der sich Krimis kauft, zu Gewalttaten?“ Oder, Stichwort Vorverurteilung: „Was ist, wenn jemand tatsächlich jugendliche Kontakte hat, und sich mit denen Verabredet, ohne dass das Thema Sex erwähnt wird. Wird da gleich die Polizei informiert? Manche Kontakte und Verabredungen mit Jungendlichen sind ganz normal.“

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