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Medien: Daumen rauf, Daumen runter

Fischer-TV: Visa-Astrologen und Live-Votings

„Sparkassen-TV“: Polit-Professor KarlRudolf Korte, vom Fernsehsender Phoenix gecasteter Experte, motzt über das starre Fernsehformat. Zwei Bilder: einmal die starre Kamera auf Joschka Fischer, zum anderen ruhige Schwenks über das Halbrund der Ausschuss-Mitglieder, später das Wechselspiel Fischer – Ausschussmitglied. So aber muss das „Parlaments-Fernsehen“ sein: kein ZoomFernsehen, kein Nasenbohrer-TV, kein ästhetischer Thrill – das gesprochene Wort gilt so viel wie das gezeigte Bild. Das Protokoll-Fernsehen triumphiert. Das macht die Fernsehmacher unruhig: Sie sehen sich ihrer dramatischen und inszenatorischen Möglichkeiten beraubt, gewohnt wie sie es sind, dass sich die Welt um ihr Medium dreht.

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Die Experten zum Visa-Ausschuss geben in den Sitzungspausen den Obleuten im Visa-Ausschuss auf, was sie Fischer endlich fragen sollen. Ob Obleute zwischendurch Visa-TV gucken?

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Die Angst um den ahnungslosen, beeinflussbaren Zuschauer ist riesig, bei den Politikern wie bei den Fernsehjournalisten. Also laufen vorneweg Joschka-Fischer-Dokumentationen, vor den Übertragungen, in den Pausen und nach den Vernehmungen wird eingeordnet, ausgedeutet. Was immer wieder ulkig wird: Das Gerenne der Ausschussmitglieder, und zwar aller Parteien, ans Mikrofon vor dem Sitzungszimmer, um ja die Ausdeutungshoheit zu erringen. Kein Zuschauer soll allein gelassen werden. Die Nebengeräusche, die das Fernsehen erzeugt und vom Fernsehen vermittelt werden, sind lauter als das Grundgeräusch. Auch das spricht für das „Sparkassen-TV“.

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Volmer-TV, Fischer-TV, beides spricht für ein allgemein empfangbares Parlaments-TV, für die Übertragung von Debatten und Ausschüssen live und in voller Länge. Spitzen-Auftritte können nicht für das ganze Bild stehen. Auch der XXL-Ausschnitt bleibt ein Ausschnitt.

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Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, sagt am Montag bei den „Mainzer Tagen der Fernsehkritik“: „Ich habe im Moment den Eindruck, dass sich das deutsche Medienpublikum in recht problematischer Weise in Info-Eliten und unkritische Couchpotatoes spaltet.“ Da ist sie wieder, die Sorge um die Ahnungslosen im Fernsehvolk, die der Einflüsterung (tja, von wem eigentlich?) schutzlos ausgeliefert sind. Aber sind sich die Info-Eliten nicht völlig uneinig darüber, was sie da sehen?

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Balkendiagramme bei N24: Der Berliner Nachrichtensender fordert seine Zuschauer zum Live-Voting auf: Wirkt Fischer im Ausschuss sympathisch? Wird er politisch überleben? Seine Frontalangriffe und seine Stellungnahme zeigen Wirkung. Doch die Zustimmung für seine Glaubwürdigkeit nimmt im Verlauf der Fragerunden stetig ab. 75 Prozent der N-24-Zuschauer glaubten nach der ersten „Berliner Stunde“ nicht, dass Kanzler Schröder mit seinem Außenminister zufrieden sein konnte.

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Auch beim Kölner Nachrichtensender n-tv hat der Zuschauer das Wort: Sind Fischers Aussagen glaubwürdig? fragt n-tv sowohl im Internet-Chat als auch beim Telefonvoting und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ja, er ist glaubwürdig, aber inhaltsleer, meint ein Chatter, der als Zuschauerreaktion eingeblendet wird. Anders das Voting: Nur 34 Prozent der Anrufer bei n-tv halten Fischer für glaubwürdig.

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Fischer-TV, das erinnert bei den privaten Stationen, die anders als beim Volmer-TV bis in die Abendstunden dran bleiben, phasenweise an eine Formel-1-Übertragung: Viel Split-Screen. Fischer rückt ins kleine Fenster, seine Aussagen dominieren teilweise als Schlagzeilen das Bild bei n-tv. Auch bei N 24 wird dem Minister kräftig zu Leibe gerückt – mit Schlagzeilen, Wetter und Börsenkursen, die zwischenzeitlich die untere Bildmitte einnehmen – allerdings ohne Werbung, die heben sich die privaten Newssender für die Befragungspausen auf.

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Trotz Generalprobe (Volmer) zeigt das Fernsehen zur Premiere (Fischer) Nerven. Da wird die Befragung zur „Untersuchungsausschuss-Affäre“. Oder wie es Hans-Peter Hagemes von N 24 in der Aufregung formuliert: „Wir haben ein einhelliges Meinungsbild, und das ist zweigeteilt.“

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