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Der Ball ist ECKIG: Neusprech zur WM

Die Sprache der Kommentatoren und Experten passt zum Niveau der Fußball-WM.

Mauern heißt jetzt „tief stehen“. Wer früher „Beton anrührte“, hat nun seine Mannschaft „extrem defensiv eingestellt“. Als Huub Stevens verkündete: „Die Null muss stehen“, galt das als schrullig, im gerade aktuellen Fußballsprech wird dasselbe zu einer „Philosophie“ hochgejazzt. Einst war es erfrischend, als Kenner erstmals vom „Systemfußball“ sprachen; jetzt wimmelt es nur so von „Schnittstellen“ und „Scharnieren“. Die „Viererketten“ klirren. Hauptsache, „die Ordnung wird gehalten“ und die Mannschaft bleibt „kompakt“. Angeblich ist das wichtigste im Fußball die „Doppelsechs“. Dann muss die Abwehr nur noch „gut verschieben“ und die „Räume eng machen“. Natürlich muss jeder einzelne Spieler auch „aggressiv in die Zweikämpfe gehen“ und eine „breite Brust“ haben. Das sind in etwa die Versatzstücke, die im Reporter- und Expertensprech gerade Konjunktur haben.

Nur sind Schönheit und Klasse des Fußballs damit nicht zu erfassen. Die neue Sprache verschönert eine andere Entwicklung: Längst ist jede athletisch ausgebildete und halbwegs taktisch geschulte Mannschaft einigermaßen in der Lage, das Spiel zu zerstören. Die häufigsten Ergebnisse lauten dann 0:0 und 1:0. Entsteht mehr als ein 1:1, mutet das schon an wie ein Torfestival. Früher galten Tore als „das Salz in der Suppe“, jetzt gilt: Wer ein Tor schießt, ist schon auf der Siegerstraße. Der Rest sind Riegel und Routine.

Das ist die Halbzeitbilanz einer fußballerisch faden WM-Vorrunde, in der fast alle Mannschaften zunächst einmal darauf bedacht waren, nur ja nicht zu verlieren. „4-2-3-1“ lautet die neue Weltformel. Sie macht aus Fußballmannschaften sturmfreie Buden. Natürlich ist kein Mensch mehr für blindes Anstürmen; aber welcher Experte erklärt uns präzise und in frischen Worten den Unterschied zwischen Inter Mailands kunstvoller Defensive und der plumpen Mauertaktik so vieler Teams in der WM? Bernd Gäbler

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