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Medien: Der Beton-Wehner

Mario Adorf, 71, gehört mit zum Ensemble von Dieter Wedel. Er spielte die Hauptrolle im Vierteiler "Der große Bellheim" und einen Immobilienhai im "Schattenmann".

Mario Adorf, 71, gehört mit zum Ensemble von Dieter Wedel. Er spielte die Hauptrolle im Vierteiler "Der große Bellheim" und einen Immobilienhai im "Schattenmann". Jetzt, in der "Affäre Semmeling", überzeugt er als krebskranker, alter SPD-Politiker.

Herr Adorf, als Dieter Wedel Ihnen die Rolle des Hamburger Bausenators Walter Wegener angeboten hat, haben Sie kurz gezögert, bevor Sie angenommen haben.

Das war rein privater Skrupel: Die Angst vor dem Schicksal einer tödlichen Krankheit, wie es die Figur im Film ereilt. Aber diese Angst muss ich natürlich überwinden, indem ich mir sage: Ich bin Profi. Ich spiele das, wie ich auch einen Mörder spiele.

Der Senator bekämpft seine Angst, indem er den Krebs ignoriert.

Er spielt das runter, aber er kann es irgendwann nicht mehr verstecken. Im Film sehe ich zum Ende hin entsprechend verfallen aus. Wedel meinte schon, man müsste fast dazuschreiben, dass ich das bin. Ich denke, gerade durch die fortschreitende Krankheit wird die Figur tiefgründig.

Haben Sie sich deshalb doch noch für die Rolle entschieden?

Naja, wenn Wedel fragt, muss man nicht lange überlegen. Außerdem wusste er mich geschickt zu überzeugen. Er sagte: "Du musst das spielen. Das kann kein anderer."

Für Wedel spielten Sie auch den heldenhaften Patriarchen in "Der große Bellheim" und den mafiösen Immobilienhai Herzog im "Schattenmann". Beides waren zentrale Rollen. Diesmal sind Sie der Mann im Hintergrund. Fiel es Ihnen schwer, sich zurückzunehmen?

Nein, gar nicht. Das ist ja gerade interessant an Wegener: Er zieht im Rathaus die Fäden hinter den Kulissen. Leute wie ihn gibt es in jedem Parlament. Ein typischer Satz von ihm: "Ich bin nicht der Bürgermeister. Ich mache Bürgermeister." Wer etwas erreichen will, muss das eben mit Beton-Walter aushandeln.

Die Geschichte um die "Affäre Semmeling" hat viele Bezüge zur Wirklichkeit. Sie spielt im Hamburger Rathaus, einige ihrer Figuren erinnern stark an real existierende Personen. Trotzdem hat sie den Anspruch, fiktiv zu sein. Halten Sie das für sinnvoll?

Es geht um reale Themen wie Steuern und Korruption. Die muss man irgendwie in der Wirklichkeit verankern. Deshalb war es ein guter Einfall von Wedel, sich dafür einen Mikrokosmos zu suchen. Hamburg ist eben nicht Berlin. Es ist überschaubarer. Aber was im fiktiven Hamburger Senat geschieht, steht natürlich allgemein für Machtspiele in der deutschen Politik.

Haben Sie sich politische Vorbilder für Ihre Rolle gesucht?

Ich dachte da an Herbert Wehner. Also vor allem an die berühmt-berüchtigte Wehner-Motzerei. Seine boshaften Ausbrüche, über die ich immer lachen musste, die aber letztlich nicht besonders charmant waren. Auch Beton-Walter fällt so über seine politischen Gegner her. Er sitzt da wie eine Kröte in seinem Senatsstuhl und quäkt seine Witzchen über die anderen heraus.

Eine ziemlich dicke Kröte. In natura wirken Sie wesentlich schlanker als im Film. Haben Sie für den Film extra zugenommen?

Nein, davon halte ich nichts. Das ist nicht gerade gesundheitsfördernd. Ich hatte die Idee, ihn am Anfang richtig feist zu zeigen, und wenn dann die Angst vor der Krankheit kommt, nimmt er ab. Aber das kann man alles künstlich machen. Warum sollte ich so eine Verwandlung körperlich auf mich nehmen? Ich denke, dass sich Robert de Niro in Scorseses "Raging Bull" damit keinen Gefallen getan hat. Niemand hat danach über seine schauspielerische Leistung gesprochen, sondern alle nur darüber, dass einer so wahnsinnig ist, sich während eines Films kiloweise Fett anzufressen. Das ist nicht produktiv.

Sie drehen seit knapp zehn Jahren in regelmäßigen Abständen mit Wedel. Ist zwischen ihnen mit der Zeit so etwas wie eine Männerfreundschaft entstanden?

Ich würde es als ein Verhältnis mit gegenseitigem Respekt bezeichnen; eher, als dass ich uns Kumpels nennen würde, die viel gemeinsam unternehmen. Wir arbeiten eben miteinander. Aber das schweißt natürlich auch zusammen. Und wir kennen uns inzwischen so gut, dass vieles gar nicht mehr ausgesprochen werden muss. Wedel weiß, was er an mir hat und was er bekommen kann, so wie ich es von ihm weiß.

Bei Dieter Wedels "König von St. Pauli" 1998 waren Sie nicht dabei. Hatten Sie Zweifel an dem Filmprojekt, das später sehr kritisiert wurde?

Nein, er hätte mich normalerweise dazu überreden können. Aber zu dieser Zeit habe ich mich intensiv um meine Mutter gekümmert. Sie war schwer erkrankt. Er wusste das und hat mich deshalb gar nicht erst gebeten, mitzumachen. Meine Mutter starb kurz darauf. Wedel hatte seine Mutter, an der er sehr hing, ebenfalls einige Zeit zuvor verloren. In der engen Beziehung zur Mutter sind wir uns sehr ähnlich.

Sie und Ihre Kollegen Heinz Hoenig, Heiner Lauterbach, Maja Maranow oder Stefan Kurt scheinen inzwischen zu einem festen Ensemble zu gehören, das Wedel bei jedem neuen Mehrteiler zusammenruft. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich vieles wiederholt und abnutzt?

Nein, das Problem sehe ich nicht. Denn Wedel hat ein Händchen dafür, immer neues Potenzial bei den Darstellern freizulegen. Lauterbach beispielsweise wollte unbedingt den "Schattenmann" spielen, aber Wedel hat ihm die Figur dieses merkwürdigen Sekretärs gegeben, die er glänzend ausgefüllt hat. Und vor "Der große Bellheim" wusste man von mir noch nicht, dass ich so eine zentrale, positive Rolle spielen kann. Meistens war ich auf den Schurken abonniert.

Wedel hat bei der Pressevorführung von "Die Affäre Semmeling" selbst seine Ausbrüche am Set erwähnt. Geraten Sie beide auch schon mal aneinander?

Wir hatten nie eine solche Auseinandersetzung. Ich habe auch nur ganz wenige miterlebt. Meistens ging es dabei um technische Dinge, die nicht funktionierten. Ganz selten streitet er mit Schauspielern. Ich kann mich nur an eine einzige Szene mit Claude-Oliver Rudolph erinnern. Den hat er schrecklich zusammengebrüllt. Der hatte sich den Text so zurecht gelegt, wie es ihm gerade passte. Dagegen ist Wedel allergisch. Dann zeigt er sich von seiner harten Seite. Die Sache war aber schnell erledigt und Rudolph spielte auch im nächsten Film mit. Ich finde so etwas nicht dramatisch. Das wird in der Presse manchmal etwas hochgespielt. Man sollte mehr auf Wedels beeindruckende Leistungen schauen.

Was imponiert Ihnen denn am meisten?

Zum Beispiel seine enorme Energie. Allein, dass er die ganze "Affäre Semmeling" auf Krücken abgedreht hat. Da hätten andere sich ins Sanatorium gelegt. Und das waren keine Acht-Stunden-Tage, sondern wir drehten bis in die Nacht. Zu meinem Leidwesen übrigens. Das ist nämlich das Einzige, was mich an Wedel wirklich stört: Er lässt mich nie in Ruhe zu Abend essen.

Herr Adorf[als Dieter Wedel Ihnen die Rolle des H]

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