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Medien: Der Charme der kleinen DramenContra

Von Joachim Huber

Unten auf dem Rasen laufen die Millionäre, auf den Tribünen sitzt der Mittelstand, vor dem Fernseher sitzt Hartz IV. Mehr an sozialer Gerechtigkeit geht nicht, nicht in Deutschland. Zu danken ist das der ARD„Sportschau“, zu deren Empfang der ALG-II-Empfänger nichts bezahlen muss, denn er ist von der Rundfunkgebühr befreit. Die Rundfunkgebühr bezahlt der Mittelstand – aber nicht für die „Sportschau“, denn die wird über Werbeeinnahmen bezahlt. Das ist schon ein erstes Hurra wert.

Die „Sportschau“ macht aus der Bundesliga Fernsehen, sie übersetzt das Hin und Her auf dem Rasen in einen Guckkasten mit dem Format 4:3. Da wird ein 90-Minuten-Spiel auf ein Kleindrama heruntergedimmt. Niemals darf einer auf die Idee kommen, das Zehn-Minuten-Drama eines Berichts der ARD-„Sportschau“ spiegele das Ganze; gezeigt wird das Große im Ganzen.

Ich will Emotionen, Lattenkracher, Tore, die gar keine Tore waren. Ich will mich richtig aufregen. Die „Sportschau“ tut alles dafür, damit ich mich richtig aufrege. Sie vermittelt den Eindruck, diese mittelmäßige Fußballliga sei eine Weltliga. Sie liefert Gefühlskino, dabei lassen realiter kühl kalkulierende Fußball-Konzerne den Ball laufen.

Und weil die „Sportschau“ Fernsehen ist, werden alle Mittel und Gags des modernen Fernsehens eingesetzt: X Kameras jagen den Ball, Zeitlupen sezieren strittige Szenen. Der böse Bube setzt zur Blutgrätsche in Großaufnahme an, der Held jubelt als ein XXL-Held, Schiedsrichter werden zur Höchststrafe verurteilt, weil das Abseits keines war – quod erat demonstrandum mit der Kamera auf dem Fernsehstrich. Die Kommentatoren erzählen zuweilen Blech, sei’s drum, ich kann Levan Kobiashvili und Mladen Krstajic auch nicht auseinander halten. Action ist gefragt, nicht Analyse.

Wie weit das Bundesliga-Stadion vom Bundesliga-Studio entfernt ist, illustriert „Sportschau“-Girlie Monica Lierhaus. Ihre hochhackigen Stiefel stehen in schönstem Kontrast zu den spitz zulaufenden Fußballerstiefeln.

Und die furchtbar viele Werbung, die den Fußballsport ein weiteres Mal zerhäckselt? Die ist integraler Bestandteil dieses Sports. Die Bundesliga lebt von der Werbung, wovon denn sonst? Sie wird den Liga-Namen verkaufen, eines nahen Tages werden die Spieler auf ihren Hosen werben. Das Geld bewegt das Spiel, das Werbegeld die „Sportschau“.

Ich bin nur in einem Falle bereit, meine bemerkenswerte Contenance aufzugeben. Wenn die „Sportschau“ quasi ins Pay-TV verschwindet, weil Premiere-Chef Kofler die Liga aufkauft, und ich dann aufs „Sportstudio“ um 22 Uhr warten muss.

Ich will die „Sportschau“, und ich will sie um 18 Uhr. Der Rest darf Premiere abonnieren, ins Stadion gehen oder sich im Verein mit den Puristen darüber erregen, wie infam die „Sportschau“ in 90 Minuten 44 Minuten für Werbung und Moderation verputzt. Auch dafür ist Dankbarkeit angezeigt: Manches Spiel ist von derart bescheidenem Niveau, dass nicht einmal die „Sportschau“ das Spiel hochreißen kann. Und das will bei der Push-up- Qualität dieser Sendung schon etwas heißen.

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