zum Hauptinhalt

Medien: „Der deutsche Rhein wartet auf Harald Schmidt“

Martin Hoffmann hat neue Pläne für Sat 1 – obwohl der Geschäftsführer für eine Nacht seines Amtes enthoben war

Am Dienstag beginnt in Düsseldorf die Telemesse, bei der die Fernsehsender mit großem Tamtam ihre Programme vorstellen und die Werbekunden umgarnen. Gibt es wieder einen neuen Slogan von Sat 1, etwas Besseres als „Powered by emotion“?

Wir bleiben dabei. „Powered by emotion“ – niemals war der Slogan treffender als heute.

Die Wogen der Emotionen sind tatsächlich sehr hoch bei Sat 1. Wie bereiten Sie sich darauf vor, bei der Telemesse Sat 1 anzupreisen, wo doch jeder weiß, dass Sie hier vor zwei Wochen eine Nacht lang entlassen waren?

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich die öffentlichen Diskussionen der letzten Tage kalt gelassen hätten. So etwas ist weder hilfreich noch erfreulich. Tatsache ist aber auch, dass Sat 1 hervorragend dasteht, programmlich und wirtschaftlich. Die strategische Programmarbeit von zweieinhalb Jahren hat ins Schwarze getroffen und dass unter wirtschaftlich harten Bedingungen. Ich freue mich darauf den Werbekunden ab Mittwoch die Ergebnisse unserer Arbeit zu zeigen, dass ist letztlich das, was zählt.

Sie verdanken Ludwig Bauer, dem Fernsehvorstand der SenderGruppe, dass Vorstandschef Urs Rohner sie doch nicht rausgeworfen hat. Sie bleiben Sat-1-Chef. Was hat man gemacht, um Ihr Vertrauen zurückzugewinnen? Hat Rohner Sie um Entschuldigung gebeten?

Ludwig Bauer ist sowohl als mein Chef als auch als Sparringspartner in programmlichen Fragen großartig. Sie werden sicher verstehen, dass ich zu Konzerninterna nicht in der Öffentlichkeit Stellung beziehe. Das war noch nie mein Stil.

Kennen Sie den Schweizer TV-Manager Roger Schawinski, der Ihnen hätte folgen sollen?

Den Namen hatte ich zuvor nie gehört.

Die Sendergruppe steht zum Verkauf. Wen würden Sie von den bisherigen Interessenten vorziehen: den US-Milliardär Haim Saban, den Zeitschriftenverlag Bauer oder Premiere-Eigentümer Permira, womit Pro-7-Gründer Georg Kofler hier wieder eine Rolle spielen würde?

Es wäre wunderbar, wenn der neue Eigentümer das Geschäft versteht, die Regeln kennt und Herzblut für unser Business hat.

Wie weitsichtig können Sie in dieser Situation Programm planen?

Die Irritationen auf der Gesellschafterebene hatten nie Einfluss auf das operative Geschäft. Auf der Telemesse präsentieren wir das Programm für diesen Herbst und das Jahr 2004. Man hat im Fernsehgeschäft im wesentlichen einen Planungshorizont von zwei Monaten bis zwei Jahren. Große Projekte wie das „Wunder von Lengede“ dauern zwei Jahre, eine Event-Show am Samstag kann man auch in drei Monaten realisieren.

Bei den Spielfilmeinkäufen etwa müssen Sie zum Teil weit darüber hinaus planen.

Das stimmt, aber dadurch, dass die Gruppe die Kirch-Library erworben hat – was ein großartiger Deal ist – haben wir Versorgungssicherheit bis 2010.

Wofür steht Martin Hoffmann als Chef von Sat 1? Welche Spuren ziehen Sie?

Was das Programm und das Team angeht, habe ich in meiner zweieinhalbjährigen Amtszeit sehr viel umgekrempelt. Tagsüber und am Vorabend etwa mit den Gerichtsshows, „Zwei bei Kallwass“ oder „Lenßen & Partner“. Im Hauptabend haben wir moderne Serien wie „Edel & Starck“, für den Freitag Comedies wie „Was guckst du!?“ oder „Ladykracher“ und am Samstag das geniale „Genial daneben“. Sat 1 ist steht heute zuallererst für moderne Eigenproduktionen. Wir sind verlässlich, immer für eine Überraschung gut und werden inzwischen auch gern kopiert. Mein Team hat Biss, gemeinsame Ziele und ein klares Verständnis über den Weg dorthin. Als Person bin ich sozusagen ein altes Sat-1-Kind. Ich bin seit zehn Jahren bei diesem Sender und kenne ihn sehr genau. Insofern bin ich für viele – intern und extern – eine Konstante.

Pro 7 war lange identisch mit Georg Kofler, dasselbe gilt für Kofler bei Premiere, auch Helmut Thoma bei RTL war ein Selbstverkäufer. Ihr Vorgänger Fred Kogel war ebenfalls jemand, der in der Öffentlichkeit stand, sich sogar für Modestrecken in Magazinen fotografieren ließ.

Sie meinen ich sollte jetzt ins Grübeln kommen? Im Ernst: Das soll jeder machen, wie er denkt, das ist eine Frage des Naturells. Ich sehe meine Arbeit so: Der Erfolg braucht eine gute Marke, die Marke braucht ein gutes Programm, und das braucht gute Macher. Und wir, meine Mannschaft und ich, haben das Beste daraus gemacht. Die boulevardeske Außendarstellung, das ist nicht meine Sache.

Über die Nachrichten im eigenen Sender können Sie als Programmverantwortlicher nicht selbst bestimmen, obwohl Nachrichten doch auch das Erscheinungsbild eines Vollprogramms prägen.

Die Nachrichten werden von N 24 zugeliefert, der wie ein Dienstleister für uns fungiert. Der Informationsvorstand der Sendergruppe ist zugleich Geschäftsführer von N 24 und somit auch für unsere Nachrichten zuständig.

Er hat also mehr Einfluss auf die Nachrichten Ihres Senders als Sie.

Alles ist abgestimmt mit Sat 1, findet in der Diskussion miteinander statt, wird im Konsens entschieden und liegt in der Verantwortung von Sat 1, nicht in der des Dienstleisters.

Kai Pflaume ist ihr Mann für die großen Showformate, etwa „Star Search“.

Ja. Wir sind sehr, sehr froh, dass wir Kai Pflaume haben, und gerade mit „Star Search“ hat er einen herausragenden Erfolg. Die Sendung bringt uns Zuschauergruppen, die wir traditionell in dieser Quantität nicht bei Sat 1 haben: ganz junge, weibliche Fans. Er wird im Herbst auch die „Lego-Show“ moderieren, eine dreistündige Live-Spielshow rund um die Faszination der bunten Steine.

Bräuchten Sie nicht noch weitere Gesichter, andere Kaliber?

Ich könnte mir im Showbereich noch ein weiteres Gesicht vorstellen. Wir sind dabei, führen Gespräche und beobachten den Markt, aber die große Show ist ja nicht der Schwerpunkt im Sat-1-Programm.

Die kleine hingegen schon. Mit Harald Schmidt, den Ihr Vorgänger Fred Kogel gegen alle Widerstände durchgeboxt hat, ist Sat 1 Dauergespräch in sämtlichen Feuilletons. Wie läuft Schmidt am Montag?

Hervorragend. Das ist für uns eine richtige Adrenalinspitze.

Muss Reinhold Beckmann, der montags bei der ARD zur selben Zeit sendet, Angst haben?

Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Am Montag, bei der Sendung, zu der Beckmann immerhin Götz George zu Gast hatte, sahen 1,5 Millionen Leute Harald Schmidt und 1,4 Millionen Beckmann.

Keine Bedenken, dass Schmidt sich auslaugt?

Harald weiß sehr genau, was ihm gut tut. Er ist ein Imageträger, der nicht oft in anderen Sendungen zu sehen ist, nicht permanent als Gast auftaucht, der unique ist. Aber eine große Geschichte setzen wir bewusst noch drauf.

Nämlich?

Eine große, vierstündige einmalige Show, am 18. September ab 20 Uhr 15. Käpt’n Harald Schmidt wird auf einem Rheindampfer von Bingen nach Sankt Goar fahren, an unterschiedlichen Stellen anlegen, an so berühmten Städten wie etwa Rüdesheim mit der Drosselgasse.

Hört sich an wie eine ZDF-Abendsendung.

Das Aufeinanderprallen des deutschen Rheins mit Harald Schmidt – das spricht eine Zielgruppe an, die exakt unsere ist.

Wie kommt man auf so eine Idee?

Die ist bei einem Abendessen entstanden.

Beim Bestellen der nächsten Flasche Wein?

So in etwa. Aus Liebe zu Deutschland hat Harald ja schon die Fünf-Tage-Woche eingeführt – und nun widmet er eine Sendung dem deutschesten aller Flüsse, dem Rhein. Wir dachten uns, bei so einer Rheinfahrt müssten auch alle deutschen Comedians mit an Bord.

Damit der Comedysender Sat 1 auch ein bisschen Werbung für sich machen kann?

Das kann nie schaden. Aber es bleibt sicher nicht bei den Sat-1-Gesichtern. Das wird ein richtiges Fest. Das lebt von der Spontanität.

Wird auch Rainer Brüderle dabei sein?

Brüderle ist eine echte Pfälzer Marke. So einer passt dazu. Und der deutsche Rhein bietet so viele Geschichten, der wartet geradezu auf Harald Schmidt.

Das Gespräch führte Ulrike Simon.

-

Zur Startseite