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Medien: Der Diktator von Kuba

Nach Oliver Stone scheitert Daniel Leconte an Castro

„Die Geschichte wird mich freisprechen“, schleuderte Fidel Castro 1953, im Alter von 27 Jahren, seinen Richtern entgegen, als sie ihn nach dem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne zu 15 Jahren Gefängnis verurteilten. Schon nach zwei komfortablen Haftjahren kam er wieder frei. Eine Wochenschauaufnahme zeigt ihn an der Spitze der Gefährten wie einen Sieger auf dem Platz vor dem Gefängnis. Er als Einziger trägt seinen Koffer nicht selbst. In einer anderen von Daniel Leconte aufgestöberten Filmsequenz sieht man Castro lachend neben seiner Hängematte in der Sierra Maestra während des unaufhaltsamen Vormarsches auf Havanna. Am 1. Januar 1959 schließlich hält der uneheliche Sohn eines Großgrundbesitzers und einer Landarbeiterin in der Hauptstadt Einzug, wo er seitdem, mehr und mehr abgeschottet von der Bevölkerung, über die Insel herrscht.

Daniel Leconte, ein bekannter französischer Journalist, wurde – im Unterschied zu Oliver Stone – nicht vom Commandante empfangen. Er musste sogar schneller als geplant wieder abreisen, weil dem Geheimdienst die Kontakte mit der Opposition auffielen. Leconte will Castro des Wankelmuts, der Täuschung, des machiavellistischen Ehrgeizes und der Grausamkeit überführen. Als Student habe er innerhalb eines Tages die Parteien mehrmals gewechselt. Die Gegnerschaft zum Diktator Batista sei vor allem dem Willen zur Macht entsprungen, während die unversöhnliche Haltung gegenüber den USA in den spanischen Genen des früh verwöhnten Emporkömmlings wurzele.

Bei Voraufführungen des knapp einstündigen Arte-Films hat die „Intelligentsia“, wie Leconte die linken Meinungsmacher in Frankreich abschätzig nennt, sauer auf die Demontage ihres Idols reagiert. Das könnte bei der deutschen Ausstrahlung des redeverliebten dokumentarischen Essays genauso passieren, war Leconte doch einzig an „meiner Wahrheit über den Menschen Fidel Castro“ interessiert. Für ihn ist der „ máximo Lider“ ein Schuft Shakespareschen Ausmaßes. Beweise dafür sollen die Aussagen ehemaliger Mitstreiter wie Huberto Manos, den „der Chef“ wegen demokratischer Neigungen für 20 Jahre ins Gefängnis warf, oder die dreiste Behauptung Castros, er sei kein Kommunist, der bald darauf die Neugründung der Kommunistischen Partei folgte, liefern. Den Zwang, auf die Sowjetunion bauen zu müssen, als die USA die Konten und den Handel blockierten, erwähnt Leconte mit keinem Wort.

Der Film überfährt den Zuschauer mit Personen und Fakten und vertraut zu wenig auf die Aussage der zum Teil aufregenden Bilddokumente. Man wünschte sich das Material in die Hand eines Regisseurs wie Harun Farocki, von dem zu lernen ist, wie man ganze Theorien aus Bildern ableiten kann. Immerhin ergänzt Lecontes Film unser Wissen über Fidel Castro. Dem Urteil der Geschichte kann er nicht vorgreifen.

„Fidel Castro“: 20 Uhr 45, Arte

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