zum Hauptinhalt
"First Kiss": Julia Nikschick über den Erfolg des viralen Videos.

© Kai-Uwe Heinrich

Der Erfolg des viralen "First Kiss"-Videos: Küssen kann man auch alleine

Mehr als 20 Millionen Mal ist das Videos "First Kiss" schon angeklickt worden - es zeigt, wie die Grenzen zwischen Werbung und Unterhaltung heute verwischen.

Das erste zufällig entstandene virale Video in diesem Jahr war wohl Julia Engelmann und ihr Auftritt auf dem Bielefelder Poetry Slam. Darin erklärt sie, schüchtern gespielt, warum ihre Generation so antriebslos ist. Aufgezeichnet vom Fernsehsender der Uni blieb das Video ein halbes Jahr eher unbeachtet, bevor es kürzlich entdeckt und im Netz millionenfach geteilt wurde. Erst jubelten viele Zuschauer über das perfekt eingefangene Lebensgefühl – dann war die Masse zornig. Engelmann ist nicht die existenzialistische Poetin, als die sie sich präsentierte, sondern bereits eine gestandene Schauspielerin. Wie wahrhaftig konnten ihre Zeilen da sein?

Die Paare treffen sich vor der Kamera zum ersten Mal

In dieser Woche ging dann ein neuer Virus um: „First Kiss“. Das Video zeigt zehn Paare, die sich erst vor laufender Kamera kennenlernen und dann küssen. Das ist peinlich zu Beginn und entzückend am Ende: Die Hemmschwelle geht, große Glücksgefühle kommen. Keine 24 Stunden brauchte das Video, um die 20-Millionen-Klick-Marke bei Youtube zu durchbrechen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Doch auch hier folgte prompt der Dämpfer: Das Video ist kein Kunstprojekt, sondern ein Werbefilm. Blogger entlarvten die schöne Idee als romantischen Klick-Treiber einer Modefirma. Auch hier: Enttäuschung.

Sollen wir uns jetzt nicht mehr verzaubern lassen?

Ein Webvideo ist nicht immer unschuldig, richtig verpackt kann es Teil einer großen Marketing-Maschinerie sein. Emotionen sollen geweckt werden, so wie auch in TV-Werbespots. Virale Videos bergen jedoch einen entscheidenden Vorteil: PR-Strategen müssen sie nicht an Sender verkaufen. Auf den richtigen sozialen Kanälen platziert, sorgen das Internet und seine teilwütigen Nutzer für die Sichtbarkeit. Dass der Unterschied zwischen Unterhaltung und kalkulierter Werbung verwischt, ist dann keine Überraschung – es ist Absicht.

Doch was tun gegen den Strom von Videos, die sich wie eine Grippewelle durch das Internet bewegen? Nicht mehr verzaubern lassen? Die kindliche Freude ablegen und vollends in die Rationalität und Skepsis, gar in die Emotionslosigkeit übergehen?

So kreiert man einen zauberhaften Moment

Nein, die Lösung kann viel simpler sein: einfach einen Schritt zurückgehen, hinaus aus der digitalen in die reale Welt. Statt das Video in die Reproduktionsschleife zu leiten, einfach mal zurücklehnen und genießen. Den Cursor noch einmal vom „Tweet“- oder „Posten“-Button herunterziehen und sich offline über das Gesehene freuen. Den Partner real am Hemd- oder Blusenkragen heranziehen und selbst mal wieder herrlich knutschen.

So kreiert man seinen eigenen zauberhaften Moment, ganz privat, ohne Zuschauer.

Zur Startseite