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Medien: Der Erlebnisjournalist

Von Stefanie Rüggeberg Was macht er die ganze Zeit nur mit seinen Beinen? Er streckt sie aus, verknotet sie, schlägt sie übereinander, und der linke Fuß hört gar nicht auf zu wippen.

Von Stefanie

Rüggeberg

Was macht er die ganze Zeit nur mit seinen Beinen? Er streckt sie aus, verknotet sie, schlägt sie übereinander, und der linke Fuß hört gar nicht auf zu wippen. Wolf von Lojewski kann wohl nur schwer stillsitzen. Dreißig Minuten am Tag muss er das aber: abends, ab 21 Uhr 45, wenn er im „heute- journal“ im ZDF den Zuschauern die Welt erklärt. Seit zehn Jahren ist er dort Redaktionsleiter und Moderator. „Ich bin immer noch aufgeregt, wenn es losgeht, zittere um Bilder, die nicht kommen", sagt er. Aber die Aktualität sei andererseits auch der Charme seines Jobs.

Ende des Jahres hört er auf. Am 4. Juli wird er 65. Er geht gewissermaßen in Pension. Aber einer wie er wird sicher woanders weitermachen mit dem Fernsehen. Wolf von Lojewski und der Journalismus, das ist die Geschichte eines Mannes, der, ein bisschen pathetisch ausgedrückt, das Abenteuer seines Lebens gefunden hat.

Glücklich war seine Familie nicht gerade, als es ihn nach der Schule mehr in die Redaktion der „Kieler Nachrichten" als zu den Jura-Vorlesungen zog. Journalisten, bekam er von den Verwandten zu hören, seien doch nur Schnorrer. Aber er hörte nicht auf sie. Schon vor dem Krieg und der Flucht in den Westen war ihm das Idyll des ostpreußischen Landgutes, auf dem er aufwuchs, zu eng. „Wenn mich das Kindermädchen nicht gerade verhaute, war dort alles sehr schön, aber auch langweilig", sagt er. Er wollte was von der Welt sehen. „Surflehrer auf Kos“, sagt Wolf von Lojewski, „wäre ich auch gerne geworden." Dass es doch anders gekommen ist, hat viel mit einer anderen großen Welle zu tun, die ihn in den USA erfasste und die so gewaltig war, dass sie ihn gewissermaßen bis in seinen heutigen Job getragen hat: der Watergate-Skandal um US-Präsident Nixon. „Das war die große Geschichte meines Lebens", erinnert er sich. Washington-Korrespondent war er damals.

„Sicher ist der Job im ,heute-journal’ ein Privileg“, sagt er. „Aber auch total außergewöhnlich für mich. Früher war ich spätestens nach fünf Jahren woanders.“ Als „Anchor-Man" der ARD-„Tagesthemen" oder des „Weltspiegels“ war er für wenige Jahre sesshaft geworden. Und ist dann doch wieder losgezogen. Für Reportagen zwischen Grönland und Afrika durfte er über 20 Jahre lang die Koffer und für Korrespondenzen in Washington und London die Umzugskartons packen. „Der Erlebnisjournalismus ist für mich der wahre Journalismus“, sagt er.

Mag sein, dass Wolf von Lojewski zu den öffentlichen Menschen gehört, die nicht gerne über Persönliches plaudern. Doch der Nachrichten- und der Privatmann sind bei ihm ohnehin nicht mehr zu trennen. „Job und Leben sind für mich eine Einheit“, sagt er. Seine Frau Ute weiß das nur zu gut. Oft hat sie mit ihm eine Fernbeziehung geführt, ist ihm über den Atlantik gefolgt, hat sogar ihren Job als Lehrerin aufgegeben. Für von Lojewski ist sie bis heute die wichtigste Beraterin. „Ohne meine Frau“, sagt er, „hätte ich so manches Angebot nicht angenommen."

Die weite Welt kommt in der engen Kulisse des „heute- journals" zwar nur vom Band. „Heute Nachmittag", so leitet er zum Beispiel einen Bericht über die UN-Mission in Afrika ein, „haben die Kollegen versucht, mir Somalia zu erklären. Ich muss zugeben, es hat lange gedauert.“ Hör mir zu und ich erklär dir die Welt – mit dieser Mischung aus Kompetenz und gesunder, sicher auch gespielter Naivität hat er es zu einer Beliebtheit bei den Zuschauern und auch zu einer Unantastbarkeit bei den Kritikern geschafft. Vielleicht liegt das auch daran, dass von Lojewski nicht den Allwissenden mimt. „Bei Themen wie der Arbeitslosigkeit gibt es die letzten Antworten einfach nicht“, sagt er.

Drei Uhr nachmittags, Wolf von Lojewski schaut fast im Sekundentakt zur Uhr. Die nächste Konferenz steht an: Mit den Auslandskorrespondenten wird er klären, wer welche Geschichte bringt.

Ironie des Schicksals, dass andere jetzt in die weite Welt ziehen, während für ihn der Gang durchs enge Labyrinth des ZDF-Sendezentrums täglich die weiteste Strecke ist. Wie er sich dabei fühlt, hat der Journalist in seiner im vergangenen Jahr erschienenen Autobiografie „Live dabei" mit ein bisschen Wehmut geschrieben: Dort vergleicht er sich mit einem Eskimo, der dem ehrenvollen Ruf ins Fischerei-Ministerium gefolgt ist und ab und an doch noch die Lust verspürt, selbst die Angel auszupacken.

Schwer vorstellbar, dass der Abschied, den Wolf von Lojewski zum Jahresende nehmen wird, den Zugvogel in einen bequemen Ruheständler verwandelt. Die Jüngeren will er jetzt ranlassen, sagt er. Aber der Journalismus, das weiß er auch, ist kein Beruf, sondern eine Lebensweise. „Ich habe mir zwar vorgenommen, erst einmal nichts zu tun, aber meine Frau bezweifelt, dass ich das durchhalte", lacht er.

Und so plant Wolf von Lojewski lieber schon mal den Epilog seines Journalistenlebens: „Nochmal losziehen und auf Reisen gehen, das kann ich mir gut vorstellen. Drei Kamerateams haben schon angefragt, ob ich Lust hätte“, erzählt er. Sein linker Fuß wippt wieder. Was das heißen mag?

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