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Dirigiert die Massen. In seinem „Club“ ist Waldemar Hartmann absolut Chef. Foto: imago

© imago sportfotodienst

Der etwas andere Moderator: Waldemar Hartmann: Der Volksmusiker

Waldemar Hartmann gibt in seinem EM-„Club“ den Waldi. Aber da ist mehr als die Weißbierfassade für das große Publikum.

Das wird selbstverständlich wieder ein Heidenspaß. Richtig lustig, klar. Volle Pulle Herrentag. Allein die Gästeliste lässt da keine Zweifel aufkommen. Rainer Calmund wird da sein, Stefan Kretzschmar und, natürlich, Matze Knop. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Doch dann ist es erst einmal viel ernster als erwartet. Weil der Gastgeber, Waldemar Hartmann, 64 Jahre alt, das Waldi-Lächeln erst einmal ablegt, um über den Tag zu sprechen, an dem der Spaß für ihn aufhörte. Den Tag, an dem der Torhüter Robert Enke starb. Hartmann hatte damals, November 2009, am Wochenende danach eigentlich einen Auftritt in Augsburg. Soloshow, von Harald Schmidt geschrieben, launige Fußballanekdoten, Weißbierzoten-Feuerwerk. Er hat ihn abgesagt: „Da konnte ich keine Comedy machen. Das ging nicht.“

Für einen Moment, so scheint es, ist Waldemar Hartmann an die Grenze der eigenen Witzigkeit gestoßen. Vier Stunden vor Sendungsbeginn am Samstagabend ist er noch nicht der Narr, der am abgefilmten Stammtisch nachher wieder alle Freiheiten genießt. Da sitzt vielmehr einer, der ja eigentlich mal Journalist war. 40 Jahre lang, davon 33 Jahre beim Fernsehen. Ein Fachmann, der nun gleich auch noch über die junge Nationalmannschaft spricht, über das Desaster bei der EM 2000 und die Folgen: „Auch wenn es keiner hören will, aber das ist die Ernte dessen, was Mayer-Vorfelder damals gesät hat.“ So etwas will hier später aber tatsächlich niemand hören.

Und so bleibt es ein flüchtiger Moment. Dahinter lauert bereits der erste Fettwanstwitz über Rainer Calmund. Waldi-Standard. Als müsste er sich krachend einstimmen auf diesen Abend, in dem kein Platz sein wird für Zwischentöne.

Die Tops & Flops der EM 2012 in Bildern:

Der Bayrische Bahnhof in Leipzig, in dem Waldemar Hartmann nach jeder ARD-Fußballübertragung sendet, füllt sich langsam. Die Leute kommen auch zum Fußballschauen, aber vor allem kommen sie seinetwegen. Hartmann weiß das, legt deshalb schon mal zur Probe das Waldi-Gesicht auf und sagt dann noch: „Ich wehre mich nicht gegen journalistischen Erkenntnisgewinn. Aber wir machen hier kein literarisches Quartett für die Südkurve, keine Kammermusik. Wir machen hier vor allem Unterhaltung.“ So einfach ist das. „Waldis Club“ ist eben Volksmusik. Und der Bühnen-Waldi ihr jovialer Orchestrator.

Hartmann, der einzige Mensch, der Schnauzbart trägt, ohne Schnauzbart zu tragen, könnte auch Autoverkäufer sein oder Zirkusdirektor. Und im Grunde ist er hier in Leipzig beides. Zum Warm-up um kurz nach acht steht er auf der Bühne wie ein Marktschreier, der kurz vor Feierabend noch den letzten Wurstkorb unter das Volk bringen muss. Er ist ganz in Schwarz gekleidet. Das Poloshirt wölbt sich über den Kneipierbauch. An den Tischen vor der Bühne werden bayrische Spezialitäten serviert. Über die Großleinwand flimmert der EM-Song, den Hartmann gemeinsam mit, natürlich, Matze Knop aufgenommen und vor Kurzem bei Florian Silbereisen präsentiert hat. Volksmusik im Vollplayback. Bis an die Schmerzgrenze und eigentlich längst darüber hinaus. Das Publikum schunkelt. Solide Saalwettenatmosphäre.

Die Pointen funktionieren nach Schablone - und nichts anderes ist gewollt

Das Aufwärmding macht Hartmann noch immer selbst, genau wie er sich auch seine Gäste noch immer selbst einlädt. Klare Sache: „Die Leute zahlen ein Schweinegeld, um hier zu sein, da will ich ihnen auch was bieten.“ Und er bietet ihnen, was sie erwarten, kündigt Rainer Calmund an wie man Rainer Calmund eben ankündigt in einer Unterhaltungssendung, die auf das Zwerchfell des Zuschauers zielt, meist aber auch noch etwas tiefer: „Wegen ihm haben wir extra die Wurstplatte wegräumen lassen.“ Und: „Ich weiß nicht, ob er durch alle Türen kommt.“

Es sind Pointen, die nach Schablone funktionieren. Bei Matthäus die Vorliebe für junge Frauen und das schlechte Englisch. Bei Calmund die Gewichtskalauer. Alles schon hundertfach gehört. Nichts Überraschendes. Volksmusik eben. Solide Hausmannskost. Egal. Dem Publikum schmeckt’s.

Und nichts anderes ist gewollt, wie Hartmann ja auch gerne zugibt: „Es ist Klamauk. Die Leut’ sollen ja lachen.“ So einfach ist das. Hartmann, der alte Fernsehhase, bemüht dafür dann auch einen alten Fernsehhasensatz: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ So funktioniert Fernsehen, Waldis Club bildet da erst recht keine Ausnahme. Und wenn der Angler hin und wieder selbst mit Wonne an seinem ausgeworfenen Köder lutscht, umso besser.

Darum steht dort auf der Bühne auch Matze Knop und macht am Ende doch wieder den Beckenbauer. Den Kult-Kaiser, wie die „Bild“ gerne schreibt. Und Hartmann macht eben den Kult-Waldi, der nur Weißbier sagen muss, um den Laden hier in Ekstase zu versetzen. Mario Barth funktioniert ähnlich. Rüdiger Hoffmann – „ja hallo erst mal“ – auch. Vertraute Gesichter erzählen vertraute Witze in vertrauter Umgebung. Es ist ein denkbar einfaches Rezept. Und Waldi, der Abschmecker, ist dabei gleichzeitig seine wichtigste Zutat: „Ich bediene auch ein Waldi-Klischee. Das mache ich mit großer Wonne.“

Harald Schmidt, sein Spezi, erzählt Waldemar Hartmann gerne, habe einmal zu ihm gesagt: „Versuche nicht die Vorurteile zu widerlegen, bediene sie einfach.“ Das macht Waldemar Hartmann. Da ist er Überzeugungstäter. Eine dieser Säue, die die Rampe brauchen, das Bad in der Menge. Und er fährt gut damit. Auch wenn er, hinten dann im Backstagebereich, das Waldi-Lächeln wieder etwas schwächer, zugibt, dass er sich Fußball viel lieber ganz alleine anschaut. Für sich. Das Griechenland-Spiel etwa hat er im Hotelzimmer verfolgt. Nur er und der Fernseher. Und auch das Duell der Engländer gegen Italien am Sonntag wollte er ungestört sehen, „um zu schauen, wie man die schlagen kann“. Da spricht wieder der Fachmann, der „Sportschau“Waldi. Daraus aber wird nichts. Weil danach wieder der Club ist. Public Viewing. Unterhaltungspflicht. Routine.

Wie auch an diesem Abend. Der Waldi, der Calli, der Matze und der Kretzsche spielen das alles souverän runter. Klar wird gelacht, im Takt geklatscht. Und es gibt Getränke von der Bar. Alles wie immer. Alles, so wie es sein soll. „Machen Sie es gut“, sagt Hartmann zum Abschied, „etwas anderes bleibt Ihnen ja eh nicht übrig.“ Auch das sagt er jedes Mal. Das Publikum ist dennoch, oder vielmehr: gerade deshalb, zufrieden. Es drängt nun nach vorne, will von allen dort auf der Bühne Autogramme haben, will den Waldi sehen. Diesen Anfassmenschen. Der Waldi aber verschwindet ohne ein weiteres Wort in den Backstagebereich. Der Spaß ist vorbei.

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