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Medien: Der Flegelsender feiert zehnten Geburtstag

Ein Niederbayer und drei Österreicher machten aus RTL 2, dem kleinen Bruder von RTL, ein richtiges Programm

An den ersten Spielfilm, der bei RTL 2 lief, kann sich Gerhard Zeiler, der neue Mann an der Spitze der RTL Group, noch ganz genau erinnern. Schließlich war er damals Geschäftsführer von RTL 2, und er suchte den Film selbst aus. Seine Wahl fiel auf „Ein reizender Fratz“ mit Walter Matthau und Jack Lemmon, „damals einer meiner Lieblingsfilme“, sagt Zeiler. Damit startete vor zehn Jahren, am 6. März 1993, um 6 Uhr 05, das Programm von RTL 2. Trotz der frühen Stunde saßen die rund 50 Mitarbeiter beim Sektfrühstück im Kölner Redaktionsbüro. Lange genug hatten sie auf den Sendestart warten müssen. Bereits im Juli 1992 begann der Österreicher Zeiler mit dem Aufbau des Senders; für ihn „ein Highlight des Berufslebens“. Doch die für die Zulassung zuständige Landesmedienanstalt hatte Bedenken wegen der Marktmacht des Mutterkonzerns Bertelsmann. Nach langem Hin und Her klappte es dann doch, aber nur weil die Gesellschafteranteile des Senders breit gestreut wurden. So sind heute noch neben der RTL-Group (35,9 Prozent) die Bauer Verlagsgruppe und Herbert Kloibers Tele München mit je 31,5 Prozent an RTL 2 beteiligt, Burda hält 1,1 Prozent.

RTL 2 ist der letzte der so genannten Sender der zweiten Generation, die vor zehn Jahren gegründet wurden. Im Januar feierten das DSF und VOX Jubiläum; Kabel 1 hatte bereits im Februar 2002 runden Geburtstag. Für Helmut Thoma, damals RTL-Chef und Initiator des „kleinen Bruders von RTL“, war RTL 2 eine Reaktion auf Kirchs Kabel 1. Kirch nutzte seinen Zweitsender, um die B-Ware aus seinen Filmpaketen versenden zu können.

Trash, B-Ware, Videos

Die neuen, attraktiven A-Filme liefen bei Pro 7. Auch Thoma brauchte einen Abspielkanal, um einmal gekaufte Filme mehrfach senden und so mehrfach Geld verdienen lassen zu können: „RTL 2 ist als ziemlich reinrassiger Konservensender gestartet, aber mit Nachrichten“, sagt Thoma. RTL 2 war „quasi ein modernes Kabel 1“. In den ersten Tagen von RTL 2 liefen jedoch nicht nur Spielfilme, sondern auch Shows wie „Ruck Zuck“ und „Bitte lächeln“, die vom zuvor eingestellten Tele 5 übernommen wurden. Dort war Gerhard Zeiler Geschäftsführer, bis Kirch den Sender aufkaufte und in den Sportsender DSF umwandelte. Viele der Tele-5- Mitarbeiter begleiteten ihren Chef zu RTL 2. Die anderen kamen von RTL. 1994 bezog RTL 2 das neue Studio auf dem Münchner Bavaria-Gelände, inzwischen arbeiten dort 110 Leute.

Tagsüber widmete sich RTL 2 ausschließlich den jungen Zuschauern – mit Zeichentrickserien und Kinderfilmen. Jung und frech wollte der Sender wirken. Der Slogan: „RTL 2 macht einfach Spaß“. Ebenfalls von Anfang an dabei war „Bravo TV“, deren erste Moderatorin Kristiane Backer – ehemals MTV – war. Ab 1994 versuchte sich RTL 2, mit Eigenproduktionen in der Reihe „Die Jungen Wilden“ einen Namen zu machen. Einer davon war „Der Sandmann“ von Nico Hofmann. Das war, als Rudolf Reischl Geschäftsführer von RTL 2 wurde. Drei Jahre, bis 1997, leitete der Niederbayer Reischl den Sender. In seiner Zeit wurde Verona Feldbusch „Peep!“-Moderatorin, außerdem versuchte er sich auf dem Gebiet der Daily Soap. „Alle zusammen – jeder für sich“, hieß die Serie und kam beim Publikum ebenso wenig an wie viele der ziemlich teuren, eigenproduzierten Filme.

Dass man den Geschmacksnerv der Masse kennen muss, hat Reischls Nachfolger und heutiger RTL-2-Chef, Josef Andorfer, schon als Student der Theaterwissenschaften gelernt. Damals, in Österreich, hatte er mit ein paar Freunden eine eigene Theatergruppe. Mit dem „Wiener Komödiantenkahn“ tingelte er durchs Land und lernte: „Nur das Programm, das fürs Publikum gemacht wird, kommt auch an“. Seit August 1997 ist er bei RTL 2, er kultivierte Trash wie „Strip!“ – eine Erotic-Gameshow mit Jürgen Drews. Oder Shows, die aus Überwachungsvideo- und Heimvideo-Ausschnitten zusammengestellt werden wie „Die dümmsten Autofahrer der Welt“. Danach folgten die dümmsten Jobs, Stürze, Tiere, Pärchen … – bis man sich fragte, wer hier eigentlich dumm ist.

Anders zu sein und Grenzen zu überschreiten, das gehört zum Konzept von RTL 2. Berühmt geworden ist der Sender mit „Big Brother“. Als die Container-Show im März 2000 startete, diskutierte ganz Deutschland über den „TV-Knast“ – und verschaffte dem Sender bisher ungeahnte Quoten. „Neue Projekte werden zunächst immer verteufelt“, weiß Andorfer. Der große Bruder RTL, mittlerweile unter der Führung von Gerhard Zeiler, ließ zunächst die Finger von „Big Brother“. Erst nachdem sich die Real-Life-Show als mehrheitstauglich erwiesen hatte, liefen die Quoten bringenden Entscheidungs-Shows am Samstagabend bei RTL.

Experimentierwiese für RTL

„Wir sind die Testplattform für fast alle Sender“, sagt Andorfer. „So wie derzeit mit den Castings-Shows.“ 2000 startete die erste „Popstars“-Staffel startete auf RTL 2. Erst jetzt kam RTL mit „Deutschland sucht den Superstar“.

Dass nicht jede Real-Life-Show ein Erfolg wird, hat „Big Diet“ – eine Art „Big Brother“ für Übergewichtige – gezeigt. Erst meldete sich Moderatorin Margarethe Schreinemakers damit aus der Versenkung zurück, dann moderierte Jenny Elvers, schließlich wurde die Show vorzeitig abgesetzt. An weitere Erfolge mit den bewährten Formaten glaubt Andorfer dennoch. Zur Zeit werden für die vierte Staffel von „Big Brother“ die Kandidaten gecastet. Sendestart ist am 31. März. Und im Sommer wird es eine neue „Popstars“-Staffel geben.

RTL 2 hat seine Position gefunden. Neben den Shows und Doku-Soaps wie „Schnulleralarm – Wir bekommen ein Baby“ setzt der Sender tagsüber auf japanische Zeichentrickserien und erreicht so die jüngste Zielgruppe (14- bis 29-Jährige). Vox setzt mit Ally McBeal & Co. auf Twens, und Kabel 1 konzentriert sich mit den „Besten Filmen aller Zeiten“ auf die über 30-Jährigen. Für alle Sender der zweiten Generation gilt: Sie senden speziellere Programme, nicht unbedingt Mehrheitsfähiges, vieles für Liebhaber. Insofern versteht Andreas Bartl, Geschäftsführer von Kabel 1, seinen Sender mit alten Folgen von „Dallas“ oder „Matlock“ auch als innovativ: „Schließlich haben wir derartige Programme wieder in die Prime Time gebracht“.

Im Februar erreichte RTL 2 einen Marktanteil von 4,2 Prozent und liegt damit knapp vor Kabel 1 mit 4,1 Prozent. Vox erreichte 3,4 Prozent. Die Quoten belegen, dass die Mischung aus experimentellen Formaten und Qualitätsfilmen angenommen wird. Neben Wolfgang Petersens „The Agency“ und der Sci-Fi-Serie „Mutant X“ und „Stargate“ plant RTL 2 für September die Serie „24“. Auf die amerikanische Echtzeit-Serie, in der jede Folge eine Stunde aus dem Leben des Spezial-Agenten Jack Bauer (Kiefer Sutherland ) zeigt, ist Andorfer „besonders stolz“. Er hat sie sich innerhalb von zwei Tagen komplett angesehent. Persönliche Programmwünsche erfüllt sich also auch Gerhard Zeilers Nachfolger.

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