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Medien: Der ganze Rilke

Beckmann. ARD.

Beckmann. ARD. Am Montagabend war Gerhard Schröder bei Beckmann zu Gast, und an diesem Abend konnte man noch einmal sehen, zu welchen Glanzleistungen der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Stande ist. Die Programmplaner der ARD waren sogar derart zuvorkommend, dass man beides sehen konnte: zuerst die Glanzleistung, dargestellt in einer Dokumentation über Günter Gaus und seine Interviewsendung „Zur Person“ im RBB – und dann, sofort im Anschluss, eben „Beckmann“ im Ersten. Eine Stunde hatte sich der Bundeskanzler Zeit genommen, und Reinhold Beckmann hat sie erschöpfend genutzt.

Was man nicht auch alles wissen will von jenem mächtigen Mann, der uns regiert! Wie ist das mit Bush, und wie das mit Putin? Und wie der Umgang mit dem Bundespräsidenten und auch mit dem Tag der deutschen Einheit? Wie ist das, wenn ein Bundeskanzler sechzig ist, wenn man mit Hund, Katze und zwei Kinder und einer Frau obendrein unter einem Dach lebt? Tut das weh, wenn man den SPD-Vorsitz verliert, oder schmerzt es mehr, wenn der Wähler einem das Vertrauen entzieht? Für den Fall der Fälle: Ob der Bundeskanzler wohl den Hartz- IV-Fragebogen ausfüllen kann? Und ein Gedicht aufsagen? Nicht nur zwei Verse, ein ganzes, von Rainer Maria Rilke.

Atemberaubend die Themenvielfalt und noch mehr die Themenwechsel in dieser Fernsehstunde. Am Ende dann ein finale furioso: Von der häuslichen Erfüllung des Familienvaters geht es nahtlos zu der Hundekollektion der Kanzlergattin weiter, von wo es kein allzu weiter Weg mehr für Beckmann ist bis an das unlängst gefundene Grab des im Krieg gefallenen Vaters von Schröder. Einmal familiär geworden, knüpft sich gleich die Frage nach den Freunden des Kanzlers an: Mehr oder weniger als früher? Nun ja, mehr oder weniger gleich viele! Bis auf einen, findet Beckmann, Reinhard Hesse, Schröders langjähriger Freund, Helfer und Ratgeber sei unlängst gestorben. Schlimme Sache, wenn man so einen Freund verliert? Was sonst, doch mehr Privates und Persönliches will der Kanzler auch an dieser Stelle nicht der Öffentlichkeit zeigen. Gut, dann versuchen wir es eben mal mit etwas, wovon beide Gesprächspartner etwas verstehen, versuchen wir es eben mal mit Fußball, der in Deutschland ja wieder auflebt, seitdem sich Klinsmann seiner annimmt. Stimmt! Da kann das ganze Land von lernen! Und Ende.

Was also weiß man jetzt mehr und besser? Nun: Wie peinlich, wie obszön nahe Leben und Tod beieinander liegen können. Ach ja: Und dass der Kanzler, seitdem er kein gewollter Medienkanzler mehr ist, in den Medien eine wirklich gute Figur macht.

Peter Siebenmorgen

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