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© ZDF

Medien: Der Grandseigneur

Das Thomas-Gottschalk-Wochenende: „Wetten, dass...?“ und „Menschen 2009“

Harald Schmidt erledigte Johannes B. Kerner in seiner Show am Donnerstag in einem Nebensatz. Schmidt sagte, jetzt begännen wieder die Jahresrückblicke und „der schleimigste von allen“ starte am Freitag. Und er ging auch unter am Freitag, sehr, sehr wenige Menschen wollten Kerners Jahresrückblick in Sat 1 sehen, über sechs Millionen wollten dagegen Thomas Gottschalks Jahresrückblick im ZDF sehen. Drei Stunden – und das, obwohl Gottschalk tags zuvor bereits drei Stunden lang „Wetten, dass...?" moderiert hatte, übrigens quotenmäßig die schlechteste Ausgabe der Spielshow. Und trotzdem holte Gottschalk an diesem Wochenende über 15 Millionen Menschen vor den Fernseher. Es war das Gottschalk-Festwochenende im ZDF.

Und das begann genau genommen am Freitagmittag. In der ZDF-Sendung „Drehscheibe Deutschland“ lief ein kleines Filmchen, in dem gezeigt wurde, wie aus einem kleinen Modellmännchen Thomas Gottschalk werden kann: Die Beine von dem, Oberkörper von jenem, Kopf kommt auch noch drauf – nur die Haare, da müssen die Modellbauer noch mal ran, die finden sich nicht so einfach im Sortiment.

Die Haare. Als seien die das Alleinstellungsmerkmal des Mannes, der früher einmal fast 20 Millionen Menschen an einem Abend vor den Fernseher brachte. Der in den 80er Jahren als junger Wilder galt und der sich in der letzten Zeit viel von der Kritik anhören musste, bis hin zu Grabbelvorwürfen: Gottschalk fasst weibliche Gäste gerne an.

Sonntagabend, beim Jahresrückblick „Menschen 2009“, fasste Gottschalk niemanden an, da zeigte sich der Moderator in all seiner Professionalität, da erkannte der Zuschauer, dass Gottschalk diesen Beruf tatsächlich einmal von der Pieke auf gelernt hatte. Es war ein anderer Gottschalk als bei „Wetten, dass...?“. Er war vernünftig angezogen, top vorbereitet, dass sich der Mann an seinen Karteikarten festhielt, gereicht nicht zum Vorwurf – das machen nun wirklich alle. Gottschalk fand bei den sehr vielen Gästen immer die richtige Tonlage.

Und das war eines der Probleme der Sendung: Gottschalk war so routiniert, dass man manchmal den Eindruck bekam, er würde gleich im Liegen weitermoderieren. Das andere Problem: Dieses Jahr, 2009, war einfach ein unglaublich blödes Jahr, ein Rückblick kann eigentlich nur schlechte Laune machen, vielleicht hätten sich die Senderverantwortlichen bereits vor Wochen darauf einigen können, diesmal auf Jahresrückblicke zu verzichten. Die meisten werden froh sein, dass es vorbei ist.

Und so war man auch froh, als die Sendung vorbei war, so ordentlich Gottschalk die auch wegmoderiert hatte. Paradoxerweise verhielt es sich bei „Wetten, dass...?“ genau andersherum: eine gute Show mit einem eher schwachen Gottschalk, dessen Defizite von seiner Co-Moderatorin Michelle Hunziker nach und nach aufgedeckt werden. Angeblich sei er jetzt „spontaner“, weil er die Wetten nicht mehr kenne – das ist großer Quatsch. Wie Spontaneität im Fernsehen funktioniert, zeigten Bastian Pastewka und Anke Engelke, die in ihren Rollen als „Wolfgang und Anneliese" grandios zu Gast waren. Gottschalk hingegen verschwindet in seiner Show immer mehr, während Hunziker immer stärker den Ton vorgibt, was nicht das Schlechteste für die Sendung bedeutet.

Was hat also dieses Gottschalk-Wochenende an Erkenntnisgewinn gebracht? Vielleicht, dass der Moderator gerade dabei ist, seine letzte Rolle zu finden: die des Grandseigneurs des deutschen Unterhaltungsfernsehens.

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