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Medien: Der Held als Hero

Die Briten lieben Boris Becker. Deswegen bekommt der frühere Tennisprofi eine Quizshow in der BBC

Die 14-jährige Rebecca ist nicht die einzige Engländerin, die für Boris Becker schwärmt. „Wie fühlt man sich als der einzige wirklich gut aussehende Tennisstar“, fragte sie Becker im Chatroom der BBC, wo Becker seit Jahren einen festen Platz als Wimbledon-Kommentator hat. Natürlich kam Beckers Antwort so artig und bescheiden, wie es die Engländer mögen. „Ein nettes Kompliment, aber wir haben hier viele Jungs, die sehr attraktiv sind.“ Noch mehr als Rebecca kommt die BBC-Sportjournalistin Clare Balding ins Schwärmen: „Boris Becker ist die beeindruckendste Person, die ich je interviewt habe. Er hat eine so starke physische Präsenz und dann sieht er einen an, überlegt und gibt eine gut überlegte Antwort.“

Ende Oktober startet Becker nun, die strohblond getönten Haare wohl wieder abenteuerlich nach oben gegelt, bei der Quiz-Show „They think it’s all over“ der BBC – kein Jahr, nachdem DFS die Show „Becker 1:1“ eingestellt hatte. „Was?“, wunderte sich die Pressesprecherin der englischen Produktionsfirma Talkback Thames, „Becker ist in Deutschland nicht mehr der Star, der er einmal war?“ Sie kann es kaum fassen.

Die Briten sind zwar nicht mehr die größte Tennisnation, aber sie sind Wimbledon-begeistert und haben dazu für Sportstars ein treueres Gedächtnis. Noch wenn ein fast vergessener Altstar wie der Fußballer George Best mit Leberentzündung ins Krankenhaus kommt, ist das Stoff für britische Tabloids und Nachrichtenbulletins. „Wir bewunderten Becker, als er 1985 als 17-Jähriger den Wimbledon-Titel holte, wie er damals nach den Bällen tauchte und sich im Centre Court herumwarf“, sagt Tennis-Journalist Mark Hodgkinson vom „Daily Telegraph“. „Dann erkämpfte sich Becker den Titel noch zweimal und spielte sich so in unsere Herzen.“

Skandale haben dieser Popularität keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. Als Becker in seinem Londoner Vaterschaftsprozess eingestehen musste, dass er der Vater des Mädchens war, das laut der Mutter, dem russischen Model Angela Emakova, im Putzschrank des japanischen Edelrestaurants Nobu gezeugt wurde, löste Becker in England durchaus freundschaftliches Gelächter aus. „So ein Skandal wärmt den Briten das Herz“, bestätigt Hodgkinson.

Auch Beckers Sprecherin Isabelle Kessler findet, dass die britische Boulevardpresse „längst nicht so aggressiv ist“ wie die deutsche. „Die Briten lieben Boris als Hero mit allen Höhen und Tiefen“, das freue die Tabloids mehr „als jemand so aalglattes wie Tim Henman“.

In der Tat. Der Tennisprofi Henman wird vom britischen Boulevard gerne als langweiliger Saubermann auf die Schippe genommen.

Becker hatte bei den Briten auch aus anderen Gründen immer eine gute Presse – als „guter Deutscher“ wie Jürgen Klinsmann, der heutige Trainer der deutschen Fußball-Nationalelf, in seiner Zeit beim Klub Tottenham Hotspur: „Becker stellte ein Gegengewicht dar zu den bombastischen Deutschen, die wir in einem Kriegsfilm nach dem anderen sehen“, schrieb der „Observer“. Als die Briten seine Wimbledon-Siege mit Schlagzeilen über „Blitzkriege“ und „Boom Boom Becker“ feierten, beschwerte sich Becker – und hatte trotzdem die begeisterte Unterstützung der Briten. Wenn der Tennisstar später in Deutschland wegen seiner dunkelhäutigen Frau Barbara Feltus beschimpft wurde, machte ihn das den Engländern erst recht sympathisch. Heute bezeichnet Becker London als „Home from Home“ und Wimbledon als seinen „zweiten Geburtsort“. An den Briten, sagte Boris Becker dem Tagesspiegel, liebe er „Humor und Understatement“.

Als Teamleader in der Sportquizshow „They think it’s all over“ muss er sich nun aber anstrengen. Die Erfolgsshow, deren Titel auf das (Alb-)Traum-Endspiel der Fußballweltmeisterschaft von 1966 anspielt – läuft bereits in der 19. Staffel. Zu Beckers berühmten Vorgängern in der Rolle eines Teamleaders gehört unter anderem der Ex-Fußballer Gary Lineker, heute einer der erfolgreichsten Sportmoderatoren der BBC – er behielt die Rolle fast fünf Jahre lang.

Das Format folgt einem bewährten Rezept: Zwei Teams treten gegeneinander an, die jeweils von Sportidolen angeführt werden und Fragen zum Sport beantworten müssen. Damit das Quiz nicht zu einer drögen Abfolge aus Frage und Antwort, sondern spaßig wird, sitzen in den beiden Teams jeweils noch ein Profi-Komiker und ein Gast. Beckers Gegenteam wird von dem früheren Fußballer Ian Wright geleitet. Gutes Sportwissen ist weniger wichtig als Schlagfertigkeit und Witz. „Ich stand auf dem Centre Court oft genug unter Druck. Das wird mir im Kampf gegen Ian und sein Team zustatten kommen“, hofft Becker. Er weiß vermutlich, dass die Briten gnadenlose Fernsehkritiker sind. Sie mögen Loser lieben, aber keine Langweiler. Die Show soll am 24. Oktober in der BBC anlaufen.

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