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Medien: Der Klang der Sirene

„Eine Seefahrt, die ist lustig“, tönt das Liedchen und meint auch, dass sie schön ist, weil man auf Schiffen fremde Länder und „noch manches andre“ sehen könne. Hol-la-hi, Hol-la-ho.

„Eine Seefahrt, die ist lustig“, tönt das Liedchen und meint auch, dass sie schön ist, weil man auf Schiffen fremde Länder und „noch manches andre“ sehen könne. Hol-la-hi, Hol-la-ho. Auf einer Überfahrt im europäischen Norden besteht dieses andere meist aus Trunkenbolden und Fuselhalunken, die die Zeit zwischen den Häfen für das mühsame Geschäft des Alkoholvernichtens nutzen. Und fürwahr: Es ist mühsam. Vor allem für jene Mitreisenden, die dem anschwellenden Lärmpegel der Trinker so hilflos und gottesfürchtig entgegensehen wie einem Sturm. Natürlich wünscht man sich insgeheim den Mut, all dem derben Gelächter und tobenden Spott-Geschehen ganz männlich, also: mit Gewalt, ein Ende zu setzen – nur, es fehlt eben an der nötigen Todesverachtung. Und so nimmt man es klaglos hin, dass die Krakeeler sich der Stille wie eine Piratenbande bemächtigen und Unsägliches mit ihr anstellen. Schlafen könnte so schön sein. Auf einem Schiff aber, über das eine besonders trinkfeste tschechische Spirituosengang hergefallen war, ereignete sich nun etwas, das als Vergewaltigung begann und als Wunder endete. Die Vergewaltigte war ein tschechisches Volkslied, das vielkehlig und schnapsverzerrt durch die zum Schlafsaal gewordene Cafeteria dröhnte. Bis sich die Stimme einer Frau erhob – und den Männerhaufen mit einer Arie zum Schweigen brachte. Sie mochte aus einer Oper oder einem Kerker stammen. Wäre ein Odysseus an Bord gewesen, er hätte den Burschen Wachs in die Ohren geträufelt. So aber erlagen sie dem Sirenenzauber. Und es war gut.

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