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Medien: Der komische Krieg

Auch über den Einmarsch in den Irak machen die US-Late-Night-Talker ihre Scherze

Von Malte Lehming,

Washington

Die Schweizer sind stolz auf ihre Neutralität. Sie sind weder Pazifisten noch Bellizisten, weder für Europa noch gegen Europa, weder Philo-Amerikaner noch Anti-Amerikaner. Worauf sind David Letterman, Jay Leno und all die anderen spätabendlichen Fernsehkomiker in den USA derzeit stolz? Auch auf ihre Neutralität. Sie sind weder für den Krieg noch gegen den Krieg, sie nehmen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ebenso auf die Schippe wie die friedensbewegten Hollywood-Schauspieler. In ihren Witzen, die eher ulkig als lustig sind, mischen sie Patriotismus mit Absurdität, Medienschelte mit harmloser Polit-Satire. Das ist nicht beißend, böse oder sarkastisch, sondern brav. In der großen Welt der Satiriker sind sie die Schweizer.

Ein paar Beispiele: „Experten vermuten, die Irakis könnten eine Atombombe haben. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet: Weil sie keine Raketen mehr besitzen, können sie die Bombe nur von einem Kamel fallen lassen" (Letterman); „In Bagdad brauchen sie kein Fernsehen. Um Kriegsbilder zu sehen, müssen sie bloß aus dem Fenster gucken. Das ist wie dreidimensionales CNN“ (Leno); „Präsident Bush wurde heute in den Abendnachrichten gezeigt, wie er im Garten des Weißen Hauses eine Frisbee-Scheibe in Richtung seines Hundes warf. Im irakischen Fernsehen wurde behauptet, die Scheibe habe den Hund verfehlt und einen unschuldigen Zivilisten getötet“ (Craig Kilborn); „Amerikanische und britische Truppen haben Nahrungsmittel an hungernde Irakis verteilt. Das britische Essen haben die Irakis zurückgehen lassen“ (Conan O’Brien).

Unterhaltung als Ziel

„Ich will die Menschen unterhalten", sagt Leno. „Mehr nicht. Besonders in schlechten Zeiten ist das Bedürfnis nach einfacher Unterhaltung groß.“ Um die Art dieses LateNight-Humors zu verstehen, muss man sich zwei Dinge vergegenwärtigen. Erstens: Amerika führt ab und zu Kriege. Regelmäßig werden Armee, Luftwaffe und Marine mobilisiert, es wird gekämpft, gelästert, und es wird zusammengehalten. Ein Krieg ist dort zwar immer noch etwas Besonderes, aber nichts Außergewöhnliches wie in Europa. Krieg ist ein Teil der politischen Realität in Amerika.

Die Liste der US-Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg ist lang. Sie reicht von Korea (1950), Vietnam (1961 bis 1975), der Dominikanischen Republik (1965), Grenada (1983), Panama (1989), Irak (1991), Bosnien (1995), Kosovo (1999) und Afghanistan (2001) bis zu militärischen Manövern im Libanon, der versuchten Geiselbefreiung im Iran, der Humanitätsinvasion in Somalia, den Raketenangriffen auf Libyen und den Sudan. Mehr als eine halbe Million Amerikaner sind bei all diesen Invasionen gestorben.

Zweitens: Die Truppe wird in Kriegszeiten unterstützt. Den Irak-Krieg befürworten inzwischen fast drei Viertel der Amerikaner. Diese Stimmung müssen alle Medien berücksichtigen. In Deutschland verkauft sich Pazifismus, in Amerika Patriotismus. Die Produktberater empfehlen den amerikanischen Radiostationen, gefühlige Musik und gelegentlich die Nationalhymne zu spielen. Die Fernsehsender werden gewarnt: Zu viele Berichte über Kriegsproteste sind schlecht. Das vertreibt die Zuschauer.

Entsprechend ausgewählt werden auch die Illustrations-Bilder in den Zeitungen. Am Sonntag veröffentlichten „Washington Post" und „New York Times" dasselbe Titelfoto: Ein amerikanischer Armee-Arzt hält ein verwundetes irakisches Mädchen im Arm – die US-Armee als Helfer, Retter und Befreier.

Amerikaner sehen einen anderen Krieg als Europäer. Sie nehmen stärker am Schicksal ihrer Soldaten Anteil als am Leiden der irakischen Zivilbevölkerung. Sie berichten ausführlicher über „die stalinistischen Gräuel" des irakischen Regimes als über die Massenproteste gegen den Krieg in Europa und der arabischen Welt. Diesseits und jenseits des Atlantiks bedienen die Medien zwei grundverschiedene Klientel: Die Amerikaner wollen, dass es am Ende ein guter Krieg war, die Europäer wollen, dass der arroganten US-Regierung zumindest eine Lektion erteilt wurde.

Unzufrieden sind die Amerikaner deshalb allenfalls über die Art der Berichterstattung, nicht aber über die Inhalte. Je mehr wir sehen, desto weniger verstehen wir: Auf diese Formel lässt sich das Grundgefühl nach zweiwöchigem Bilder-Bombardement bringen.

Mehr als 500 Journalisten, drei Viertel davon Amerikaner, sind mit den US-Soldaten „eingebettet“, etwa 1500 weitere berichten unabhängig über den Krieg. Drei US-Nachrichtenkanäle – CNN, MSNBC und Fox- News – senden pausenlos. Der Zuschauer sieht zwar Hunderte von Schlachtfeldern, weiß aber nicht, wie der Krieg verläuft.

Kein klares Bild

„Ich fühle mich, als würde ich die ersten zwanzig Minuten von ,Saving Private Ryan’, dem Normandie-Landungs-Epos von Steven Spielberg, den ganzen Tag lang sehen“, sagt ein völlig entnervter Zuschauer. Die Folge dieser Patchwork-Eindrücke sind gravierende Stimmungsumschwünge. In kurzer Zeit kippt die Lage-Einschätzung von Euphorie in Depression. Ein klares Bild hat keiner. Ungeduld stellt sich ein. Dauert dieser Krieg nicht jetzt schon viel zu lange?

Doch auch solche Gefühle parodieren die bodenständigen Humoristen prompt. „Wissen Sie, was ich seltsam finde?“, fragte Jay Leno am Freitag sein Publikum. „Einige Menschen beschweren sich bereits, dass der Krieg zu lange dauert. Gut eine Woche ist der Krieg alt! Dieses Land ist wirklich verrückt. Die Menschen finden es völlig richtig, dass ,American Idol’ (das US-Pendant zum deutschen ,Superstar’-Wettbewerb, die Red.) zehn Wochen lang läuft, bevor eine miserable Sängerin zur Siegerin gekürt wird. Aber beim Krieg verlieren sie jetzt schon die Nerven.“

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