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Medien: Der Kongress kreist

Krise, Kosten, Kreativität: Die deutschen Zeitungsverleger suchen die Print-Zukunft

Von Ulrike Simon

Die Zeitungen erleben derzeit eine ihre schwersten Krisen, manche sagen, die schwerste der Nachkriegszeit. Und: Sie trifft die Verlage unvorbereitet. „Viele erfolgreiche Jahre ohne ernsthafte Herausforderungen haben innerhalb der Zeitungsbranche notwendige Anpassungen an einen Wandel verzögert“, sagte der Zeitungsverleger Dirk Ippen (unter anderem: „tz“, München). Die Verleger scheinen wohl geglaubt zu haben, es könne immerzu nur aufwärts gehen. Die Garantie auf Wachstum ist nun abgelaufen. Das Anzeigengeschäft ist eingebrochen, die Auflagen sinken. Einst ertragreiche Zeitungen schreiben rote Zahlen, Zeitungen, die schon seit langem Verluste erwirtschaften, stehen vor dem Exitus – oder sind schon eingestellt, wie im Fall der „Woche". Stellenstreichungen, Entlassungen, reihenweise hoch qualifizierte und dennoch arbeitslose Journalisten, Einsparungen bei der Recherche und bei Dienstreisen sind die Folgen. Eine der Ursachen für die schwierige Situation mag die schlechte Konjunktur sein. Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist aber sicher: Selbst wenn die Anzeigen und die Kaufkraft zurückkehren sollten, werden die wirtschaftlichen Ergebnisse nicht mehr so gut, wie die Verlage das in der Vergangenheit gewohnt waren.

Die Zeitungsbranche macht einen strukturellen Wandel durch: Die für Zeitungen wichtigen Rubrikenanzeigen (Stellen-, Auto-, Immobilienmarkt) wandern zunehmend ins Internet ab. Dort allerdings hat sich die Gratismentalität breit gemacht: Die Leser sind nur bedingt bis gar nicht bereit, für Online-Angebote zu zahlen.

Qualität steigern

Wie können die Zeitungen ihre Relevanz und Existenz also sichern? Indem sie Kosten sparen und ihre Qualität steigern, lautet das Rezept des Verlegerpräsidenten Heinen. Die für Journalisten und Leser jedoch wohl erfreulichste Erkenntnis des Zeitungskongresses dürfte die sein, dass das Streichen von redaktionellen Angeboten, Berlin-Seiten oder Regionalausgaben der falsche Weg ist. Für manche kommt diese Erkenntnis zu spät.

Ippen rief die Verleger auf, nicht weiter in den Redaktionen zu sparen und fand dabei ausgerechnet die Unterstützung eines Unternehmensberaters. Beide sagten, stattdessen sollten Verleger ihre Verwaltung straffen und neu organisieren beziehungsweise jene Arbeiten innerhalb eines Verlages auslagern, die nicht unmittelbar die „Kernkompetenzen“ betreffen.

„Kernkompetenz“, das war das am häufigsten ausgesprochene K-Wort des Zeitungskongresses. Ungeklärt blieb allerdings die Frage, was zur Kernkompetenz eines Zeitungsverlages gehört.

Die einen glauben, Druckereien, die Buchhaltung oder die Abonnentenverwaltung seien kostspielige Unternehmungen, mit denen ein Verlag Dritte beauftragen könnte. Andere wiederum sind der Auffassung, alle journalistischen Angebote, die nicht den regionalen Markt betreffen, gehörten schon nicht mehr zur Kernkompetenz. Das könnten sich Zeitungsredaktionen von außen liefern lassen oder zumindest gemeinschaftlich mit anderen Redaktionen erstellen: Gemeint sind Reise- oder andere Servicebeilagen, aber auch die überregionale Berichterstattung.

Erstaunlich wenig Widerspruch war zu hören, wenn es hieß, die „Kernkompetenz“ einer Regionalzeitung (davon werden täglich 16,1 Millionen verkauft) sei einzig und allein das Regionale und Lokale. Werden also die Politikressorts ausgedünnt und die Journalisten in die Lokalredaktionen versetzt? Ein Vorschlag, der mehrfach gemacht wurde.

Natürlich unterhielten sich die Zeitungsverleger auch über die politischen Rahmenbedingungen, die sich etwa durch Werbeverbote und das Urheberrecht ihrer Meinung nach immer weiter verschlechtern. Sie redeten auch über aktuelle Themen wie zum Beispiel die Wahlempfehlung der „Financial Times Deutschland". Diese Dinge wurden allerdings am Rande, beim Essen oder in den Pausen besprochen. Hier diskutierte zum Beispiel der WAZ-Chef Günther Grotkamp mit DuMont-Schauberg-Chef Christian DuMont-Schütte über den Springer-Anteil von Leo Kirch, dort erzählten Verleger regionaler Zeitungen, dass sie überlegen aufzugeben, weil sie aus kartellrechtlichen Gründen nicht an den Verleger aus der benachbarten Region verkaufen dürfen.

Die K-Fragen

Das Hauptthema war jedoch die Frage, wie die Verlage ihre wirtschaftliche Situation in den Griff bekommen. „Die Krise stellt uns vor grundsätzlichere Fragen“, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner. Er war es denn auch, der für seine Argumentation weitere K-Wörter benutzte. Kostensenkung, Konsolidierung, Kundennähe und Kreativität nannte Döpfner seine vier Lösungsansätze. Erstens: sparen an allen Ecken; zweitens: Titel einstellen und Geschäftsfelder aufgeben, die zu viel kosten; drittens: dem Leser digital und auf Papier alles an Information, Service und Unterhaltung bieten, was und wann immer er es möchte, sowie weniger Bürokratie und Beamtenmentalität im Anzeigenmarketing der Verlage; und viertens Kreativität: Liebe und Tod, Sport und Spiele, Geld und schließlich das Lokale seien die vier Urthemen, für die sich alle Leser zu jeder Zeit interessieren. Und die Politik? Das Überregionale? Dafür scheint es auch in Döpfners Vorstellung von der Zukunft der Medien wenig Bedarf zu geben. Er prophezeit, es gebe in Deutschland nur Platz für zwei überregionale Tageszeitungen. Welche das sein werden, das sagte Döpfner nicht.

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