zum Hauptinhalt
Der Raue aus dem Ruhrpott: Henning Baum, 39, spielt den Polizisten Mick Brisgau in „Der letzte Bulle“.

© Sat1

"Der letzte Bulle": „Frauen wollen das Unmögliche von uns“

Schauspieler Henning Baum über den Erfolg seiner Sat-1-Serie „Der letzte Bulle“, Machos und warum er lieber nicht viel nachdenkt.

In Essen wurde Henning Baum am 20. September 1972 geboren. Er machte sich im Fernsehen in Serien wie „Polizeiruf 110“, „Der Dicke“ oder „Bella Block“ einen Namen. 2004 erhielt er den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Bester Schauspieler in einer Serie“ für seine Rolle als schwuler Kommissar Leo Kraft in der Sat -1-Serie „Mit Herz und Handschellen“.

Besonders bekannt wurde Baum mit der Sat-1-Serie „Der letzte Bulle“, die am Montag in die dritte Staffel geht (20 Uhr 15) – als Macho-Cop Mick Brisgau, der nach 20 Jahren aus dem Koma erwacht und sich neu in die Welt einfinden muss. Für die Rolle erhielt Baum den Bayerischen Fernsehpreis 2011. Der Hobby-Boxer ist verheiratet und lebt mit Frau und drei Kindern in Essen. meh

Herr Baum, Sie sind staatlich geprüfter Waffenkundler. Was macht man da so?

Das ist ein Missverständnis. Ich bin kein Waffenkundler. Ich habe eine Waffensachkundeprüfung abgelegt. Das bedeutet, dass sich ein Kommissar davon überzeugt hat, dass ich mit einer Waffe sachkundig umgehen kann. Also ohne mich selbst oder andere zu gefährden.

Sind Sie jetzt bewaffnet?

Ich darf eine Waffe bedienen und nach einer gewissen Zeit sogar besitzen. Was ich nicht darf, ist, eine Waffe führen.

Warum haben Sie dann die Prüfung gemacht?

Wir Schauspieler haben oft mit Waffen zu tun. Das Dumme ist nur, dass die meisten nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Mit anderen Worten, sie machen vieles falsch. Aber wenn Sie einmal eine echte Waffe abgefeuert haben, dann gehen Sie ganz anders mit Waffen um. Die Gewalt, die von einer Waffe ausgeht, gibt einer Waffe eine ganz besondere Ausstrahlung. In Filmen wird häufig sehr fahrlässig mit Waffen umgegangen. Das wäre sicher anders, wenn die Schauspieler mit Waffen umgehen könnten.

Bewegt man sich als Schauspieler anders, wenn man weiß, wie eine Waffe zu handhaben ist?

Ja. „Der letzte Bulle“ ist ja auch ein bisschen moderner Cowboy, Übertreibung inklusive. Aber eine Karikatur ist dieser Mick Brisgau, den ich spiele, nicht. Es geht uns auch um Wahrhaftigkeit.

Sie sagen wahrhaftig, meinen aber authentisch, oder?

Nein, wahrhaftig. Weil trotz aller Überhöhung und Verfremdung der Kern ehrlich ist. Der Kern dessen, was wir erzählen und ich darstelle, ist wahrhaftig.

Wie erklären Sie den Erfolg von „Der letzte Bulle“?

Ich habe mir kürzlich eine amerikanische Serie angesehen, danach ein paar Folgen des „Bullen“. Ich wollte sehen, ob es da eine Fallhöhe gibt. Ob wir mithalten können. Gab es nicht. Ich fühlte mich von unserem „Bullen“ gut unterhalten. Das liegt natürlich auch an den Kollegen, mit denen ich zusammen arbeite. Wir versuchen präzise zu sein. So präzise, dass man als Zuschauer nicht nachdenken muss über das, was man da sieht. Das soll runter gehen wie reines Opium. Das löst Wohlbefinden aus, weil der Zuschauer unmittelbar an der Welt teilhaftig wird, die da stattfindet. Wie bei gutem Theater. Gutes Theater hinterlässt niemals zu viele Fragezeichen. Ein gut gespielter Shakespeare geht leicht weg, da wird man gepackt, nicht am Kopf, sondern an den Eingeweiden!

Womit wir beim großen Thema Mann und Frau wären. O-Ton Henning Baum: „Ich weiß nicht, was ein Macho ist“. Wer soll Ihnen das denn glauben?

Ich stelle mich da gerne dumm. Ein Macho hat ein gewisses Selbstverständnis sich selbst und der Welt gegenüber. Das ist es auch schon. Eine klare Ordnung und gut.

Ein Mann ist ein Mann und eine Frau eine Frau.

Das wäre mir dann doch etwas zu einfach – das ist nicht genug. Ich müsste nachdenken. Aber ich denke über so was ja nicht nach. Ich denke kaum über Männer und Frauen nach. Das bringt nichts. Zu dieser Erkenntnis hat mich meine Erfahrung gebracht. Nicht so viel nachdenken, leben, das ist mein Motto. Zuschnappen wie der Haifisch, wenn er Hunger hat. Schlafen wie der Bär, wenn er müde ist.

Sie schätzen angeblich Frauen, die Hingabe auszeichnet, Humor und Entschlossenheit. Klingt nach der Eier legenden Wollmilchsau.

Die Frauen wollen ja auch das Unmögliche von uns. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, den Frauen das geben zu wollen. Niemals den Frauen ihre Wünsche erfüllen! Wenn die einen erstmal soweit haben, dann wird man uninteressant für sie, das steht mal fest. Und das wissen Sie auch, meine Herren.

Die Männer, das verwirrte Geschlecht.

Sieht so aus. Vielleicht auch, weil in den letzten Jahren immer wieder darüber diskutiert wurde, wie ein Mann sein sollte und wie nicht. Mich interessiert das ganze Thema nicht die Bohne. Ich finde es absurd, wenn sich Männer in diesem Sinne mit sich selbst beschäftigen und sich fragen, ob ihr Körper gut genug gebaut ist. Das ist reine Nabelschau und führt zu nichts.

Sie gelten nicht gerade als schlecht gebaut. Sicher viel harte Arbeit am Mann. Oder hat der Herrgott Sie auserwählt?

Ich mache meine Gymnastik. Aber kein Bodybuilding. Mir geht es um Leistung, nicht um Schönheit. Ich muss fit sein und zäh. Man sollte vielleicht meinen, dass in meinem Beruf ein trainierter Körper, nur von Vorteil sein müsste. Aber das ist nicht so, jedenfalls nicht in Deutschland, ganz im Gegenteil. Wenn man eine gewisse Physis mitbringt, muss man erstmal beweisen, dass man nicht nur Muskel ist, sondern auch spielen kann. Da ist man schnell in einer Schublade und kommt da nur sehr schwer wieder raus. In Amerika ist das anders. Da geht es beides, nehmen Sie als Beispiel Robert de Niro in „Kap der Angst“.

Sind Sie davon überrascht, dass ausgerechnet das viel gescholtene Privatfernsehen ein so anspruchsvolles Projekt wie „Der letzte Bulle“ möglich gemacht hat?

Ich habe bis zur vierten Folge gebraucht um zu begreifen, dass die Figur des Mick Brisgau auch ein gerütteltes Maß an Wahnsinn in sich trägt. Dieser Mann war in einer Art Hades und hat Dinge geschaut, die sonst verschlossen bleiben. Er ist im Wortsinn verrückt und deshalb ist ihm vieles gleichgültig. Deshalb kümmert er sich nicht um Political Correctness. Er ist aus einer anderen Zeit, eine Art Don Quijote, und ein Eulenspiegel, der Spaß daran hat, Leute hinters Licht zu führen, ein moderner Odysseus, der seine Penelope an einen anderen verloren hat. Ein Mann, der vom Verlust geprägt ist und trotzdem weitermachen muss - aber zum Glück einen Beruf hat, den er über alles liebt.

Ein tragischer Held.

Das ist es. Und das muss immer wieder sichtbar werden. Dieses Alleinsein. Diese Einsamkeit. Dieses Andere.

Ein einsamer Wolf. Und nichts scheinen die Deutschen im Krimi mehr zu lieben als einsame Wölfe. Mögen Sie solche Typen?

Ich mag Menschen, die sich nicht aufgeben. Ich mag Menschen, die sich Herausforderungen stellen oder gestellt haben. Menschen, die ihr Lachen nicht verloren haben, auch wenn sie mal gescheitert sind. Menschen, die nur gebrochen sind und keine Hoffnung mehr ausstrahlen, könnte ich nicht lange aushalten.

Sie leben diesen Mick Brisgau, oder?

Schon, ja. Ich stoße mit der Figur des Mick Brisgau immer da an Grenzen, wo ich selbst an Grenzen stoße. Manche Sachen gehen nicht, weil ich sie nicht in mir trage. Aber in dieser Figur steckt, gerade weil sie so glaubwürdig ist, ungeheuer viel Potenzial. Diesem Mick Brisgau traue ich noch viel zu. Der überrascht mich selber immer wieder. Und wenn etwas nicht zu der Figur passt, dann sind die Kollegen ganz schnell da. Wir meißeln das Ergebnis gemeinsam heraus. „Der letzte Bulle“ ist ein Kollektivprojekt, nichts für den großen Egomanen.

Wie geht es weiter mit Mick Brisgau?

Wir fragen uns immer wieder, wie wir es schaffen können, die Spielfreude zu bewahren, neue Perspektiven zu entwickeln, die Figuren am Leben zu erhalten. Das ist auch ein wenig wie ein Mühlstein, der um unseren Hals hängt. Wir wissen nicht, wie es geht und ob wir es schaffen. Wir haben kein Rezept. Wir können auch scheitern.

Mick Brisgau hat für die dritte Staffel eine neue Frisur spendiert bekommen. Fängt doch gut an.

Die Haare mussten ab. Die störten ihn beim Boxen.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false