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Medien: Der Schuldenmacher

Der neue Rundfunk Berlin-Brandenburg startet mit einer schweren Hypothek

Diese Fusion geht rasend schnell. Kaum ist der Staatsvertrag für den Rundfunk Berlin- Brandenburg (RBB) in Kraft, wird sich morgen der Rundfunkrat konstituieren. Im Februar 2003 folgt die Intendanten-Wahl, am 1. Juni soll der RBB seinen Sendebetrieb aufnehmen. Der neue ARD-Sender ist keine Neugründung, unter seinem Dach werden sich der alte Sender Freies Berlin (SFB) und der alte Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) zusammenfinden. Unterhalb der ausgelebten Euphorie der Länderregierungen von Berlin und Brandenburg, die im RBB das Vorbild einer Länderfusion erkennen, gibt es auch andere Stimmen. Die Zahlen und Prognosen, seriös und in den noch bestehenden Sendern ermittelt, zeigen die „Plagen“ des RBB auf: weniger Finanzkraft als SFB und ORB, weniger Personal, weniger Programm. Die positiven Erwartungen an den RBB, wie sie gerade die Zuschauer und Hörer in der Region laut „Mapping-Studie“ haben, müssen mit der Realität in den Sendern verbunden werden. Andernfalls startet der RBB mit einer „Gründungslüge“.

Nach den vorliegenden Berechnungen wird in der Zwei-Länder-Anstalt bis 2008 ein Minus von über 110 Millionen Euro aufgelaufen sein. Kostentreiber sind vor allem die so genannten „ARD-Aufgaben“, sprich die Beteiligung des RBB an Gemeinschaftsaufgaben wie ARD-aktuell („Tagesschau“, „Tagesthemen“) oder dem Einkauf von Sportrechten. Der RBB wird künftig mit sieben Prozent an diesen Kosten beteiligt, wo SFB und ORB bislang nicht nur entlastet, sondern noch bezuschusst werden, siehe die Produktionen von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Der Erwachsenen-Status des RBB im ARD-Verbund geht einher mit dem Wegfall des ARD-Finanzausgleichs, von dem der SFB als ehemaliger „Frontstadtsender“ bis heute profitiert. Die Parallelität von wegfallenden Subventionen und steigenden Überweisungen treibt das Minus. Dies würde noch beträchtlich höher ausfallen, wenn die Finanz-Jongleure von SFB und ORB nicht von einer äußerst optimistischen Gebührenerhöhung ab 2005 ausgingen – von zehn Prozent nämlich.

Das horrende Minus vor Augen, wird bei ORB und SFB über geeignete Gegenmittel nachgedacht. Der Griff in die Tasche des Gebührenzahlers ist das eine, Sparen das andere. Die Sparmaßnahmen füllen mehrere Seiten Konzeptpapier. Eine Möglichkeit ist das zeitliche Strecken der Gehaltsanpassungen: Momentan verdienen ORB-Mitarbeiter rund 80 Prozent des Geldes, das ein SFB-Mitarbeiter bekommt. Die Angleichung kann gleich oder in mehreren Schritten bis 2008 passieren. Umgekehrt würde sich das SFB -Personal an die 40-Stunden-Woche gewöhnen müssen, wie sie heute beim ORB gilt. Großes Einsparpotenzial wird beim Abbau von Doppelstrukturen gesehen: 60 Stellen, beginnend 2004, bedeuten über 15 Millionen Euro weniger Personal-Ausgaben. Beinahe die gleiche Summe soll über das altersbedingte Ausscheiden und die Fluktuation von Mitarbeitern bei einer Wiederbesetzungsquote von 66 Prozent erreicht werden.

Weniger Ausgaben beim Personal, weniger Aufwendungen für das Programm: Die jährlichen Steigerungsraten, ortsüblich mit zwei Prozent veranschlagt, werden auf 0,5 Prozent zurückgeführt, die Programm-Mittel werden quasi eingefroren. Nun muss weniger Geld nicht automatisch schlechtere Programme bedeuten. Andererseits arbeiten ORB und SFB bereits heute zu einem Minutenpreis, der zwei Drittel unter dem ARD-Durchschnitt liegt. Noch geringere Etats werden zu einer Verringerung des Hörfunk-Angebots führen: Von den beiden Kulturwellen im Hörfunk (Radio 3, Radio Kultur) wird nur eine übrig bleiben können, wenn im Kulturfunk zwischen 2004 und 2008 tatsächlich sechs Millionen Euro gespart werden sollen.

Noch veranstalten ORB und SFB zwei dritte Fernseh-Programme. Der RBB wird das nicht schaffen: Im besten Falle wird es ein drittes Fernsehprogramm mit so genannten Fenstern geben können. Wahrscheinlich auch das nicht: Der RBB wird auf einen der beiden Satellitenplätze verzichten, was beinahe 15 Millionen Euro sparen wird. Ein Satellitenplatz heißt ein drittes Fernsehprogramm. Der RBB wird dem ARD-Programm sieben Prozent Programm zuliefern, aber nicht bezahlen können. Knapp über sechs Prozent sind drin, der Rest soll an die reichen ARD-Anstalten „verkauft“ werden. Ob der gewünschte, starke Hauptstadtsender in der ARD wirklich drin ist?

Dank einer Modellrechnung schaffen es ORB und SFB, das RBB-Minus von 110 Millionen Euro in ein Plus zwischen 20 und 30 Millionen zu verwandeln. Eine Wunschrechnung hilft entscheidend mit: ARD-Alimente im Umfang von zehn Millionen Euro.

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