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Der Start von "Vanity Fair": Unter den Linden 10

Von Februar an erscheint die deutsche Ausgabe von „Vanity Fair“ als Wochentitel

Der Blick aus dem Fenster fällt auf tiefe Baugruben. Dort, wo bis vor kurzem das Hotel Unter den Linden stand, arbeiten sich Baumaschinen durch den braunen Sand. Oben, im dritten Stock Unter den Linden 10, gähnt den Gast eine unendliche Leere an. Wie Insassen einer modernen Klink müssen sich die wenigen Journalisten fühlen, die sich in dem riesigen, gänzlich weißen und offensichtlich zu repräsentativen Zwecken gestalteten Raum verlieren. Nur ein Bruchteil der bald 100 Arbeitsplätze ist besetzt.

Hier entsteht „Vanity Fair“, ein „neues Magazin für ein neues Deutschland“, sagt Bernd Runge. Der gebürtige Diplomjournalist aus Rostock, dessen Karriere auch seine Entlarvung als „IM Olden“ im Frühjahr 2004 nichts anhaben konnte, ist der deutsche Statthalter des US-amerikanischen Verlags Condé Nast. Er scheut sich nicht, zu dick aufzutragen, wenn er sagt, „Vanity Fair“ werde sich an „die moderne Leistungselite Deutschlands“ richten, an jene Generation von „Entscheidern, die die Zukunft dieses Landes gestalten werden“.

Runge weiß, dass „Vanity Fair“ der Traum vieler Journalisten und Verleger ist: Es ist diese Mischung aus leichter Unterhaltung und pointiertem, investigativem Journalismus, aus Glamour und Politik, aus exzellent geschriebenen Texten renommierter Journalisten und exklusiven Fotografien, die in den USA so gut funktioniert – und um die sich in Deutschland schon so viele bemüht haben. Immer wieder endeten die Versuche mit der Feststellung: Zu mehr als „Bunte“ und „Gala“ oder einer schwer verkäuflichen Nischenzeitschrift reicht es in Deutschland nicht. Den jüngsten Beweis lieferte „Park Avenue“, das Problemkind von Gruner + Jahr.

Im weißen Konferenzraum sitzt Ulf Poschardt, 39, und kann seinen Stolz nicht verbergen. Sein dunkler Anzug hebt sich ab vom weißen Tisch, an dem er auf einem ebenso weißen Designersessel sitzt. Gerade gastierte der Chefredakteur der deutschen „Vanity Fair“ einen Monat lang bei Graydon Carter, seinem Kollegen in New York, mit Sitz am Times Square. Poschardt weiß, welche Last auf ihm ruht. Er kann sensationell scheitern – oder schaffen, was keinem vor ihm gelang. Nie zuvor investierte der von der Familie Newhouse geführte Condé Nast Verlag außerhalb der USA eine derart hohe Summe. Poschardt hat die Chance, den gesamten Markt der Wochenmagazine aufzumischen. „Vanity Fair“ soll vom 8. Februar 2007 an nicht wie das amerikanische Original monatlich, sondern wie die vor drei Jahren in Italien eingeführte Ausgabe wöchentlich erscheinen. Donnerstags wie „Bunte“, „Gala“ und der „Stern“. Poschardt sagt, die deutsche „Vanity Fair“ verstehe sich als das erste „General-Interest- Magazin“ aus „dem Herzen Berlins“, dem „politischen wie geistigen Zentrum Deutschlands“; als Magazin, das „die Aktualität der Woche mit dem Glanz und Luxus monatlicher Zeitschriften verbindet“; das Geschichten über Menschen erzählt; das „die neue Ästhetik der Berliner Republik“ abbildet.

Es mag an den Bauarbeiten rund um die Redaktionsadresse liegen. Fast wähnt man sich, als sei gestern die Mauer gefallen, als habe es erst eines in München ansässigen Verlag amerikanischen Ursprungs gebraucht, um den Moment des Aufbruchs zu erkennen. Mehr als 100 000 Käufer will Condé Nast für „Vanity Fair“ gewinnen.

Ist „Vanity Fair“ nicht letztlich nur in Journalistenkreisen renommiert, ansonsten aber ein unbeschriebenes Blatt? Runge erinnert daran, wie häufig „Vanity Fair“ in deutschen Medien zitiert wird – zuletzt geschehen mit dem exklusiven ersten Foto des Babys von Tom Cruise und Katie Holmes; und er verweist auf investigative Geschichten wie die Enthüllung der Identität von „Deep Throat“. Gerade jenen unter Vierzigjährigen, die Condé Nast zu den sechs Millionen Vertretern der „modernen Leistungselite“ zählt, sei „Vanity Fair“ durchaus ein Begriff.

Für Condé Nast ist der deutsche „Jahrmarkt der Eitelkeit“ – so heißt „Vanity Fair“ übersetzt – ein großer Schritt auf dem Weg, „ein national bedeutender Premiumverlag“ zu werden, der neben „GQ – Gentlemen’s Quarterly“, „Vogue“, „AD – Architectural Digest“ oder „Glamour“ den Klassiker internationaler Zeitschriften verlegt. Ein Schritt, der den Durchbruch bewirken – oder ein grandioser Flop werden kann.

Der Verleger Condé Nast erwirbt 1913 die Rechte an „Vanity Fair“, das in den 20er Jahren die Bibel der v ergnügungssüchtigen New Yorker Gesellschaft wird.Die Große Depression bedeutet 1936 das Ende des Magazins. 1984 feiert „Vanity Fair“ mit Chefredakteurin Tina Brown Wiederauferstehung. Bissige politische Kommentare und investigative Geschichten prallen auf Partyfotos und Hollywood-Klatsch. Ein Mix, der funktioniert.

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