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Medien: Der Unterleib der Polizisten

Mit Hauptkommissar Ulrich Pleitgen wagt der ARD-Krimiklassiker „K3“ einen sehenswerten Neuanfang

Wenn der „Tatort“ der Volkswagen unter den deutschen Fernsehkrimis ist, dann haben „Die Männer vom K3“ lange Zeit im Skoda gesessen. Nicht allzu spektakulär, weniger gelackt, am Steuer recht lendenlahme Polizisten, die mit trägem Blick und Spießerfrust ihren Job machen. Deutsche Zuverlässigkeit – beim Zuschauer kam das an. In den vergangenen 15 Jahren hat man sich immer wieder mal gefreut, die vertrauten Gesichter vom Hamburger Kommissariat 3 zu sehen. Zwei Junge, zwei Alte, ein Mordfall, 90 Minuten lang nur die Frage „Wer war’s?“, keine Gesangseinlagen wie beim großen Bruder „Tatort“. Der Star war die Mannschaft, „K3“ ein Krimi-Fossil aus der alten Bundesrepublik, in direkter Nachfolge vom „Stahlnetz“ (50er Jahre) und „Sonderdezernat K1“ (70er Jahre). Nun wurde der Skoda geliftet. „K3 “ rückt mit neuem Team und Namen auf den Krimiplatz am Sonntagabend.

Der Start ist furios. „Auf dünnem Eis“, der Mord an einem zwielichtigen Kaufmann (beruhend auf einer wahren Begebenheit), die ruppige Vorstellung des neuen Ermittler- Quartetts, eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft mit schillerndem Profil, fast genauso müde und undurchsichtig wie die ineinander verstrickten Verdächtigen, darunter die wunderbare Maria Simon als Tochter des Opfers und André Hennicke als eiskalter Engel, der Geldeintreiber Laudien. Insgesamt eine düstere Familiengeschichte an ziemlich düsteren Elbeorten, vom „Grimme“-Preis-gekrönten Regisseur Friedemann Fromm so verstörend und selbstverständlich zugleich eingefangen, als hätte es nie etwas anderes am Sonntagabend gegeben. Wann laufen „Tatort“-Polizisten schon minutenlang vor torkelnden Handkameras herum?

Oder geben so geheimnisvolle Typen ab wie Hauptkommissar Matthias Sander alias Ulrich Pleitgen. Im Gegensatz zu seinen Kollegen (grandios: Oliver K. Wnuk als halberwachsener Bulle Alpay!) ist der gebürtige Hannoveraner, Jahrgang 1946, einem größeren Publikum vertraut, vor allem aus der ARD-Vorabendserie „Nicht von schlechten Eltern“. Im Krimi kommt der ehemalige Theaterschauspieler wesentlich verschlossener daher. Schon interessant, was für Konstellationen das beliebteste Fernsehgenre nach dem Ruhrpott-Bullen (Schimanski), der starken „Tatort“-Ermittlerin (Lena Odenthal) oder dem melancholischen Inspektoren (Wallander) immer wieder bereit hält.

Wenn beim neuen „K3“ der Star immer noch die Mannschaft ist, dann ist Pleitgen der stille Denker und Lenker. In der Abstimmung knirscht es gewaltig, zwischen den jüngeren Kollegen Murat Alpay, Paul Reisinger (Jürgen Tonkel als bajuwarischer Prolet) und Oliver Noll (Oliver Bäßler als eleganter Schöngeist). Ein Türke, ein Bayer, ein Hamburger, allesamt konträre Charakter – sich und seine Ermittler-Boygroup vergleicht Leitwolf Pleitgen mit Ben Cartwright und seinen drei Söhnen bei „Bonanza“.

Das wirft einen interessanten Blick auf diese neuen Krimi-Kerle, die sich anfangs noch ein bisschen schwer tun mit dem Umgangston zwischen Kennenlernen, Leichenschauhaus, Verhör mit der schönen Verdächtigen und dem Humor dazwischen. Rauchige Stimme, schwarze Lederjacke, wortkarg, Knittermiene – auf den ersten Blick möchte man sich von diesem Cop Sander auch keine Witze erzählen lassen. Doch von wegen angestaubtes „K3“. Die relaunchten Hamburger Bullen haben mehr Dynamik und Unterleib als ihre Vorgänger. Zwischen Sander und Kaufmannstochter Kathrin knistert es jedenfalls, Nachtgestalten beide zugleich. Dazu Dialoge, die nicht so klingen wie aus einem Script-Kurs für Krimi-Autoren, mit den 50 Standardsätzen. In seinen besten Momenten hat „K3“ etwas von einem ziemlich realistischen (Alb-)Traum. Das ist nicht das Schlechteste, was man von einem Fernsehfilm sagen kann. Früher hat Ulrich Pleitgen Angebote für Serien-Krimis abgelehnt, jetzt ist er stolz auf diesen Kommissar, von dem keiner weiß, wo er herkommt, der sein Geheimnis nicht preisgibt. „Mich nervt dieses dauernde Psychologisieren in den Krimis, wo der Cop zuhause Probleme hat mit seinem Sohn und so weiter.“

„K3“ reloaded also. Krimi pur. Viel gestalterische Freiheit, viel frischer, männlicher Wind nach dem Boom an weiblichen Kommissaren zuletzt. Es wäre schade, wenn es beim Piloten bleiben würde. Die Produktion will alte Zuschauer halten und neue hinzugewinnen. Sieben Millionen Zuschauer legt der „Tatort“ am Sonntag locker hin. Daran müssen sich die Männer um Ulrich Pleitgen messen lassen. Zwei Fälle pro Jahr sind geplant. Wenn die Quote heute nicht stimmt, kann es das für den NDR schon wieder gewesen sein. So gesehen ist der Sendetermin recht günstig: nach wochenlangen „Tatort“-Wiederholungen Krimi-Frischware, und die ist unbedingt sehenswert. Sich durch das Verwirrspiel aus Familienabgründen, Lügen und Liebe zu zittern, samt Showdown, bei dem man sich fragt, ob das Böse wirklich bestraft und das Gute wirklich gut ist, das ist wie eine Fahrt durch den abgedunkelten Elbtunnel. Am Ende kommt Licht, aber man ahnt nicht, ob da schon der nächste Stau steht.

„K3 – Kripo Hamburg: Auf dünnem Eis“, ARD, 20 Uhr 15

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