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Gute Miene zum bösen Spiel. US-Präsident Donald Trump behauptet, seine Freunde und seine Feinde in den Medien ganz genau zu kennen. Entsprechend fallen seine Reaktionen und seine Tweets aus.

© Rick Wilking/Reuters

Der US-Präsident und die Medien: „Ich sehe die Lügen“

Ruin oder Rettung des Journalismus? US-Medien suchen noch nach dem richtigen Umgang mit Präsident Donald Trump.

Der Beginn der neuen Ära im amerikanischen Journalismus kann ziemlich genau datiert werden, und zwar auf den 17. September vergangenen Jahres. An diesem Tag überschritt die „New York Times“, neben der „Washington Post“ die angesehenste Tageszeitung des Landes, den Rubikon und bezichtigte Donald Trump auf der Titelseite erstmals ausdrücklich der „Lüge“. In dem Artikel ging es um Trumps jahrelange Rolle bei der Verbreitung der falschen Geschichte vom angeblichen Geburtsort von Barack Obama außerhalb der USA. Es habe damals einfach kein anderes Wort für Trumps Verhalten gegeben, sagte „Times“-Chefredakteur Dean Baquet dem Sender NPR. Seitdem herrscht „Krieg“, wie Trump selbst sagt.

Das Phänomen Trump stellt viele Zeitungen, Online-Portale, Fernsehsender und Rundfunkstationen in den USA vor neue Herausforderungen. Wie soll man mit einem Präsidenten umgehen, der routinemäßig falsche Angaben verbreitet und die Medien im selben Atemzug wegen angeblicher „Fake News“ angreift? Wie soll man reagieren, wenn Präsidentenberaterin Kellyanne Conway ein ganzes Massaker erfindet, um Einreisebeschränkungen für Iraker zu rechtfertigen, und Unwahrheiten als „alternative Tatsachen“ verkauft? Was ist die richtige Antwort, wenn Trumps Chefstratege Stephen Bannon die Medien auffordert, sie sollten einfach mal „das Maul halten“?

Diese Fragen stellen sich allerdings nicht für alle Medien. Der konservative Sender Fox News etwa oder rechtspopulistische Internetseiten wie Breitbart verbreiten Nachrichten nach dem Geschmack des Präsidenten.

Parallelwirklichkeiten

So geht die mediale Polarisierung mit der politischen einher. Etablierte Leitmedien wie die „New York Times“ erreichen große Teile der Öffentlichkeit nicht mehr, während umgekehrt viele Liberale nicht hören wollen, was die Konservativen zu sagen haben. Im Land entstehen „Parallelwirklichkeiten“, wie ein Diplomat in Washington sagt. Als der leitende Breitbart-Redakteur und rechtspopulistische Provokateur Milo Yiannopoulos vergangene Woche an der Universität Berkely/Kalifornien sprechen sollte, verhinderten gewalttätige Proteste den Auftritt.

Trotz aller Spannungen sehen manche die neue Zeitrechnung unter Trump als Befreiung. Die amerikanischen Journalisten sollten Trump dankbar sein, schrieb Jack Schafer im Magazin „Politico“. Wenn das Weiße Haus die Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten einschränke, müssten sich Reporter auf andere Wege besinnen, um an gute Geschichten zu kommen. „Trump macht den Journalismus wieder groß“, schrieb Schafer in Anpielung auf Trumps Wahlslogan.

Einer dieser Wege besteht in Kontakten zu Trump-kritischen Mitarbeitern der Staatsbürokratie – und davon gibt es viele in Washington. Angesehene Blätter wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ berichten unter Berufung auf Informanten im Weißen Haus über einen chaotischen Regierungsalltag: Berater, die nicht wissen, wie die Lichtschalter in ihren Räumen funktionieren und deshalb im Dunkeln sitzen, und ein Präsident, der Fox News schaut und dabei seine Tweets unters Volk bringt. Trump selbst sagte Fox, er stehe morgens um fünf auf und schaue sich die Zeitungen an: „Ich sehe die Lügen.“

Die Ausfälle des Präsidenten bedeuten nicht, dass die Medien keine Fehler machen. So unterschätzten die meisten Zeitungen das Ausmaß der Wut über die Washingtoner Polit-Elite in der amerikanischen Provinz, die Trump im November zum Sieg verhalf. „Times“-Chefredakteur Baquet gibt offen zu, dass seine Zeitung die Wutbürger im Land nicht genug gewürdigt hat. Auch die Rolle der Religion im Alltag vieler US-Bürger sei bisher weitgehend übersehen worden.

Trump-Regierung fühlt sich unfair behandelt

Trumps Team sieht sich noch aus anderen Gründen missverstanden. Es sei frustrierend, wenn die Regierung von den Medien immer nur abgewatscht werde, oft auf unfaire Weise, sagte Präsidentensprecher Sean Spicer. Er kritisierte unter anderem, dass die Falschmeldung, wonach Trump eine Büste des Bürgerrechtlers Martin Luther King aus dem Oval Office verbannt haben soll, nicht in der richtigen Form korrigiert worden sei.

Beim Kampf zwischen Regierung und Medien spielt die Wahrheit nicht immer eine große Rolle. So veröffentlichte das Weiße Haus nach einer neuen Schimpftirade Trumps eine Liste mit Terroranschlägen, die angeblich von den Medien ignoriert wurden – der unausgesprochene Vorwurf des Präsidenten lautet, die Zeitungen machten gemeinsame Sache mit Terroristen. Doch auf der Liste waren Anschläge wie der auf einen Nachtclub in Florida im Juni vergangenen Jahres, bei dem 49 Menschen starben und der tagelang die Titelseiten aller Zeitungen bestimmte.

Selbst Trump-freundliche Beobachter sehen dieses Vorgehen mit Sorge. Der Dauerclinch der Regierung mit den Medien dränge wichtige Sachthemen wie die Reform des Gesundheitswesens in den Hintergrund, warnte Howard Kurtz von Fox News. Donald Trump schade sich mit seiner ständigen Medienschelte deshalb nur selbst. Bisher gibt es aber keinerlei Hinweise darauf, dass der Präsident sich diese Einwände zu Herzen nimmt. Die „New York Times“, so schimpfte er diese Woche auf Twitter, sei in ihrer Berichterstattung über ihn schlimmer denn je.

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