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Medien: Der Verbal-Bomber

Der US-Talker Howard Stern macht Radio der brachialen Art

New York, 17. Januar. Natürlich war die erste Woche enttäuschend. Was hätte der amerikanische Skandal-Moderator Howard Stern auch schon sagen, tun oder lassen sollen, um ein Jahresgehalt von 100 Millionen Dollar plus einem Bonus von weiteren 220 Millionen Dollar zu rechtfertigen? „Ich habe die ganze Sache so heiß gemacht, es war schon klar, dass sie niemals den Erwartungen standhalten würde“, bekennt Stern selbst über sein Debüt im amerikanischen Satellitenradio Sirius. Also bekamen seine Fans, was sie schon kannten, nur diesmal von der nationalen Aufsichtsbehörde unzensiert: Bissige politische Satire und schlüpfrige Geschichten über des Moderators persönliche Neurosen oder über die kunstgerechte Ausführung von oralem Sex. Beispielsweise.

Auch die Statistiker hatten ihren Spaß. Er habe während seiner ersten unzensierten Show, die gleich fünfeinhalb Stunden dauerte, 77 Mal das Wort „Fuck“ benutzt, zählen sie. Insgesamt verzeichneten sie 740 profane Schimpfwörter, Begriffe, die mit Sex zu tun haben oder sich auf Körperfunktionen beziehen, mit denen man sich normalerweise nur auf der Toilette beschäftigt. Um mitzukommen, mussten die Mithörer der Media Data Corporation gar neue Kategorien erfinden. Schließlich rechneten sie aus, dass Stern durchschnittlich alle 26,8 Sekunden eine verbale Bombe fallen ließ.

Stern, 51, ist seit über 25 Jahren im Radiogeschäft, und niemand betreibt es so wie er. Seine Shows sind eine Mischung aus Umkleidekabinen-Witzen und bissiger Satire, meistens auf dem Niveau eines stark Pubertierenden. Und Politik. Während das die Mehrheit der Amerikaner schlicht abstoßend findet, laufen ihm die 16- bis 35-Jährigen in Scharen nach, für sie ist er ein Popstar höchsten Ranges. Zwölf Millionen Zuhörer hatte Stern täglich, als er noch für den zum CBS-Konzern gehörenden Sender Clear Channel arbeitete, den man über eine UKW-Frequenz empfangen kann.

Doch dort saß dem Talker auch ständig die Aufsichtsbehörde FCC im Nacken. Gelegentlich schaltete sie sich gar live in seine Programme ein, um Teile zu zensieren. Besonders nach dem Vorfall beim Super Bowl 2004, als die Sängerin Janet Jackson in der Halbzeitshow des Footballspiels eine Brust entblößte, jagen die Sittenwächter mit besonderer Strenge. Seitdem Stern 1990 in den Äther ging, musste seine Station mehr als die Hälfte der 4,5 Millionen Dollar zahlen, die die FCC in dem Zeitraum als Strafe verhängte. Doch als die Behörde mit Lizenzentzug drohte, wurde es den CBS-Bossen zu bunt.

Bevor sie Stern feuerten, schloss der seinen Vertrag mit dem Abo-Satellitenradio, das an der FCC vorbei alles senden kann, was es will. „Ich musste von all diesen Restriktionen wegkommen“, begründete Stern seinen Schritt, „die Regierung und die religiösen Fanatiker sind dabei, alles zu töten, was spannend ist am Radio. Sie führen einen heiligen Krieg.“ Zumindest seien sie bereit, für das, was sie als guten Geschmack ansehen, die Meinungsfreiheit einzuschränken, konstatierte die „New York Times“ und stellte sich widerwillig auf die Seite Sterns.

Wie sehr sich der Wind in den letzten Jahren gedreht hat, stellten Sterns Produzenten auch fest, als sie die Highlights vergangener Shows noch einmal ausstrahlen wollten. „Manchmal konnten wir 50 bis 60 Prozent nicht benutzen. Alles musste in kleine Stücke zerhackt werden“, klagte der Moderator kürzlich bei CNN-Talker Larry King. Als Stern am 16. Dezember seine letzte frei empfangbare Show ausstrahlte, feierten ihn auf den Straßen rund um den Times Square in New York tausende Fans. Da zeichnete sich bereits ab, dass vielen Unkenrufen zum Trotz der Name Stern auch dann zieht, wenn man dafür bezahlen muss. Die Zahl der Sirius-Abonnenten, die im Monat 12,95 Dollar zahlen, schnellte nach seiner Verpflichtung von 600 000 auf 3,3 Millionen hoch, der Börsenwert des Unternehmens verdoppelte sich. Prompt durfte Stern seinen Bonus von 220 Millionen Dollar in Aktien kassieren.

Für fünf Jahre hat er sich verpflichtet. Aber wenn er seine Fangemeinde bei der Stange halten will, wird er sich in Zukunft ins Zeug legen müssen. So wie er sich demnächst wohl mit den Möglichkeiten seines neuen Studios im Rockefeller Center in Manhattan vertraut machen sollte. Da steht ein Schrank, aus dem auf Knopfdruck Bikinis herauskommen, sollten sich die weiblichen Besucher seiner Show entscheiden, die Hüllen (fast) komplett fallen zu lassen. Nebenan gibt es eine Nasszelle, für Späße, die nach Schlagsahne aus der Tube verlangen. Und fast in Reichweite hat der Moderator eine Stange einbauen lassen, wie sie von den Stripperinnen in Las Vegas benutzt wird. Sein Versprechen, aus dem Studio Live-Sex zu übertragen, wartet noch auf Erfüllung.

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