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Medien: Der Wetter-Dino

30 Jahre Hochs, Tiefs und viele Fliegen: Warum ZDF-Mann Uwe Wesp nie zu Kachelmann gehen würde

Jugendlichen muss man vielleicht erklären, dass der Wetterbericht im Fernsehen nicht immer so aussah wie heute. Dass zum Beispiel 1975 noch keine langhaarigen Blondinen wie Claudia Kleinert wie von Geisterhand bewegte Wolkenwirbel über Europa sausen lassen konnten und mit ihren Technik-Tricks so wirkten wie Magier des Himmelszirkus. Was das TV-Wetter angeht, ist 1975 so lange her wie die Varus-Schlacht nördlich des Teutoburger Waldes. Keiner weiß das besser als Uwe Wesp. Seit 30 Jahren macht der Hesse im ZDF den Zuschauern Lust aufs geplante Grillfest am Wochenende oder lässt sie mit düsteren Vorhersagen sauertöpfisch dreinschauen. Mit seinem Wetter-Orakel ist der „Mann mit der Fliege“ über die Jahre zum Markenzeichen des zweiten Programms geworden.

Bevor er 1975 beim ZDF anfing, war der Wetterbericht ein medialer Dinosaurier. Damals habe man Wetter-Symbole wie Wolken oder Sonnen „live auf eine Tafel aufgemalt, auf der mit gelber Kreide die Linien vorgezeichnet waren“, sagt Wesp. Die Schwarz-Weiß-Kamera war für gelbe Farbe blind. So konnte der Meteorologe die nur für ihn sichtbaren Linien mit weißer Kreide nachmalen. „Das Gequietsche ist einem durch Mark und Bein gegangen“, erinnert sich Wesp mit Schaudern.

Ihm selber blieb das zum Glück erspart: „Wir hatten immerhin schon vorgemalte Pappkarten, auf denen man mit dem Zeigestock herumfuhr.“ Später bekamen er und seine damals noch ebenfalls beim Deutschen Wetterdienst beschäftigten Kollegen „die drei berühmten Tetraeder, die aussahen wir kleine Pyramiden“. Einer zeigte die Wetterlage mit der Verteilung des Luftdrucks überm Atlantik und Europa, der zweite das Europawetter und der dritte das deutsche. „Was noch interessant war, konnte man höchstens noch erzählen“, sagt Wesp. Dem Zeigestöckchen trauert er nicht hinterher. „Das war oberlehrerhaft“, sagt der 62-Jährige. „Ich finde es schön, wie locker wir das Wetter jetzt vor der Karte präsentieren können.“ Auch wenn es mal wieder regnet über Deutschland, reizt ihn diese Aufgabe nach wie vor.

Unter gutem Wetter verstehe ohnehin jeder etwas anderes. „Für mich ist gutes Wetter, wenn meine Vorhersage eintrifft.“ Es könne sein, das so ein Prognose-Treffer einem Landwirt „überhaupt nicht in den Kram“ passe – etwa, wenn es bei der Heuernte aus Kübeln gießt.

Wie lange will Wesp den Wetter-Job eigentlich noch machen? Der Verzicht auf seine Fernsehauftritte würde ihm fehlen. „Noch bin ich kein altes Eisen.“ Und zum Altmetall wollen ihn offenbar auch die Zuschauer nicht geben. „Hauptsächlich“ sie entscheiden laut Wesp mit Briefen und in Umfragen, wie lange er noch vor der Kamera im Einsatz sein wird.

Viel hat sich an den Reaktionen aufs Fernsehwetter nicht geändert in drei Jahrzehnten. „Die Zuschauer reagieren mit Beschwerden, machen auch konstruktive Vorschläge“, so Wesp. „Bemängelt wird beispielsweise, dass man beim Stehen vor der Wetterkarte für den einen oder anderen Zuschauer interessante Regionen verdeckt.“ Aber es komme auch positive Resonanz, zum Beispiel, wenn die ZDF-Meteorologen Wetter-Phänomene wie Taifune oder Tornados erläutern. „Das geht wiederum nur, wenn die Zeit vorhanden ist“, schränkt Wesp ein.

Tja, die Zeit. Davon hätte Wesp gerne mehr. Er findet es „unbefriedigend, dass die Sendezeiten für die Wetterinformationen sehr kurz sind“. Besonders bemerkbar mache sich das bei „komplizierten Wetterlagen“, also solchen, die im Norden, Osten, Süden und Westen andere Auswirkungen haben. Oder bei extremen Ereignissen wie Orkanlagen, Starkniederschlägen oder gefährlicher Gewitterneigung im Sommer.

Im Hauptberuf arbeitet Wesp heute als Leiter des Referates Planung und Koordinierung im Geschäftsbereich Wettervorhersage des DWD – allerdings nur noch bis zur Pensionierung Ende Juli. Von seinem langjährigen Posten als Pressesprecher des Wetterdienstes hat ihn im Frühjahr 2002 „Anna“ hinfortgeweht. Als der Orkan mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometern pro Stunde über Norddeutschland gezogen und drei Menschen von umstürzenden Bäumen erschlagen worden waren, wurde Kritik am DWD laut: Er habe zu spät gewarnt und die Gefahr unterschätzt, während die private Konkurrenz, vor allem die Firma Meteomedia von Jörg Kachelmann, treffendere Prognosen geliefert habe. Wesp konnte nichts für die Übermittlungspannen beim DWD. Dieser hatte den Sturm zwar erkannt und regional in Norddeutschland auch zeitig gewarnt, es aber nicht geschafft, die Alarmmeldung in der ARD-Tagesschau ausstrahlen zu lassen.

Wesp verlor sein Amt als DWD-Pressesprecher, weil er den Vorgang unglücklich kommentiert hatte – mit dem Satz, die Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit sei „nicht Hauptaufgabe des Wetterdienstes“. Das ZDF hat seiner Ikone nach den Querelen die Treue gehalten. Wesp zahlt mit gleicher Münze zurück: Böte Jörg Kachelmann ihm an, das Wetter künftig bei Meteomedia vorherzusagen, würde der Schweizer sich einen Korb holen. „Mein Sender ist das ZDF.“ Dazu steht Wesp, wie zu den Fliegen, die ihn noch unverwechselbarer machen als sein Wippen in den Knien beim Vortrag. „Meine Kleiderschranktüren sind innen von oben bis unten damit bestückt“, sagt Wesp. Es dürften weit über hundert sein. „Jetzt kann nur noch eine hinzukommen, wenn eine andere die Fliege macht.“

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